Mit zittrigen Fingern hielt ich in der linken Hand das Buch und in der rechten den Schlüssel. Es war offensichtlich, dass der Schlüssel zu diesem Buch gehörte. Erstens konnte man es optisch schon sehen und zweitens konnte ich es spüren. Es war beinahe so als lebten diese Gegenstände, die ich aufgeregt in den Händen hielt. Als würden sie sich aufeinander freuen, nach dieser langen Zeit getrennt voneinander. Eine gewisse Vibration ging besonders von dem Schlüssel aus und ich hatte fast das Gefühl, dass ich ihn zurückhalten musste.
Doch auch alles in mir selbst schrie danach endlich dieses Buch zu öffnen. Ich hatte so dieses belebende Gefühl, dass das hier etwas Großes war, etwas Besonderes.
Kurz sah ich mich nochmal um. Um mich herum war weit und breit nur Wald zu sehen. Bäume, die dicht beieinander standen und nur deshalb etwas Sonnenlicht durch ihre dichten Äste ließen, weil es Herbst war und bereits einige Blätter ihren Weg von den schützenden Ästen auf den Boden gefunden hatten. Dementsprechend war der Boden übersät von bunten Blättern. Das Sonnenlicht, das auf die noch an den Bäumen hängenden roten, gelben und orangen Blätter fiel, sorgte für ein wunderschönes und atemberaubendes Licht-Farbspiel.
Ich war knapp zwei Stunden mit dem Auto gefahren, um zu diesem Wald zu kommen und dann war ich noch eine weitere Stunde in das Herz des Waldes gelaufen, damit mich bloß niemand stören konnte. Meine erste Idee war der See in meinem Lieblingswald gewesen, doch Ben wusste schließlich von dem See. Hier würde mich jedenfalls keiner finden und stören. Auch mein Handy hatte ich bewusst zuhause gelassen. Ich wollte nicht durch irgendein Signal, das mein Handy ausstrahlte ausfindig gemacht werden können. Und Leon würde früher oder später die zertrümmerte Vitrine finden und wenn er sich ein bisschen anstrengte müsste ihm ziemlich schnell klar werden, dass das mein Werk war.
Mittlerweile ärgerte ich mich etwas über mich selbst, dass ich die Vitrine zerstört hatte. Das war kindisch gewesen und zeugte von enormer Ungeduld. Leons und Bens Verhalten machte mich wohl so wütend, dass ich nicht mehr richtig nachdachte bevor ich handelte. Doch es war nun eh zu spät. Die Hauptsache war allerdings erst mal, dass ich Buch und Schlüssel in den Händen hielt.
Mit einem unbändigen Gefühl der Neugierde und Vorfreude steckte ich endlich den Schlüssel in das Schloss und drehte ihn langsam. Mit einem leisen „Klick“ öffnete sich das Schloss und ich klappte das Buch auf.
Zuerst war ich etwas enttäuscht, weil ich feststellte, dass das Buch in einer mir fremden Sprache und Schrift geschrieben war. Doch als ich sachte mit dem Finger über die Zeichen fuhr bemerkte ich plötzlich, dass ich die Schrift lesen konnte. Unfassbar! Erstaunt zog ich meine Hand weg und starrte auf die eigentlich fremden Zeichen, die mein Gehirn aus irgendeinem unerklärlichen Grund verstehen konnte. Ob es die Magie des Buches war, die mir erlaubte es lesen zu können? Warum gerade mir?
Auf der ersten stand geschrieben „Das Buch der Dämonen“. Ich war total begeistert und fühlte einen wilden Enthusiasmus in mir aufkommen. Es war nicht einfach irgendein von Menschen geschriebenes Buch über Dämonen, sondern es war DAS Dämonenbuch. Verfasst von Dämonen, gedacht für Dämonen. Hier würde ich mit Sicherheit etwas Interessantes finden. Ich fühlte mich beinahe geehrt, dass das Buch mir erlaubte es zu lesen. Jedenfalls ging ich davon aus, dass es das Buch war, das mir das ermöglichte.
Ungeduldig blätterte ich weiter, überflog neugierig ein paar Seiten und blieb irgendwann an einer Seite hängen, die mich besonders faszinierte.
Die Doppelseite war aus schwarzem Pergament und überall am Rand waren merkwürdige Zeichnungen, von denen die meisten in dunklem rot gehalten waren. Die Seiten machten einen gefährlichen und äußerst bedrohlichen Eindruck auf mich und automatisch beschleunigte sich mein Herzschlag etwas, während Adrenalin durch meinen Körper schoss.
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Die Jägerin
خارق للطبيعةEr streifte sanft meinen Arm. Ich erschauerte unter seiner Berührung und bekam wie immer eine Gänsehaut. „Du musst das nicht tun“, versuchte er mich traurig umzustimmen. Doch ich lachte bitter auf. „Und ob ich das muss.“ Ich gab ihm noch einen zar...