Kapitel 1

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Weg. Einfach nur weg. Weg von ihm, weg von meiner Familie, weg von meiner Bekanntschaft. Sie alle machen mich runter. Und das bin ich leid. Ich halte es nicht länger bei ihnen aus. Immer bin ich quasi bei ihnen eingesperrt, immer möchte irgendwer von ihnen irgendwas von mir. Das wird mir echt zu viel. Ich muss einfach nur weg. Die Welt kennen lernen. Andere Kulturen, andere Sprachen kennen. Andere Leute sprechen hören. Mit ihnen reden. Mit ihnen singen. Mit ihnen schreiben. Was auch immer. Einfach weg von meinem Umkreis. Ich reiße meinen Schrank auf und stopfe alles, was ich finde, in meine Reisetasche. Dann kommt mein Schreibtisch dran. Alle Stifte in eine Box, die in die Reisetasche kommt. Die ganzen Blätter kommen in Ordner, die Ordner stopfe ich auch in meine Tasche. Meinen Block packe ich in eine andere Tasche, das Handgepäck quasi. Mein Mäppchen auch. Damit ich unterwegs schreiben oder zeichnen kann oder was auch immer. Basteln. Bei dem Gedanken sehe ich sofort wieder meinen letzten Geburtstag vor mir. Wie ich mit meinen Gästen am Tisch gesessen und gebastelt habe. Wir haben versucht, unsere Superstars zu basteln. Olly Murs sah sehr interessant aus. Ich habe es dann irgendwann aufgegeben und den anderen stattdessen dabei zugesehen, wie nach und nach Miley Cyrus, Justin Bieber, Robbie Williams, Bruno Mars und andere Leute entstanden sind. Sie haben es alle besser geschafft als ich. Aber das war mir in dem Moment egal.

Ich finde den Kopf von Olly Murs. Den, den ich damals angefangen hab. Ich konnte ihn nicht wegschmeißen, dazu war ich nicht imstande. Wer würde denn auch seinen Lieblingsstar wegschmeißen, den man gebastelt hat oder basteln wollte, auch wenn er komisch aussieht? Niemand, ganz einfach. Daher hab ich ihn behalten. Und jetzt eben hab ich ihn wiedergefunden. Ich lege ihn in meine Reisetasche und schließe sie danach. Mein Zimmer sieht viel leerer aus so, wie es jetzt ist. Nur die Möbel stehen dort, wo sie vorher auch standen. Scheiße, meine Bettwäsche... Ich mache die Reisetasche wieder auf, ziehe meine Bettwäsche ab und pfeffere sie in die Tasche, die ich daraufhin gerade noch so zukriege. So, fertig. Ich hole mein Handy heraus und wähle den Taxiservice.

»Ja, was gibt's, Eija?«, meldet sich eine mir nur allzu bekannte Stimme. Die Stimme des Freundes meiner Schwester.

»Ich wär dir sehr dankbar, wenn du mich zum Flughafen fahren würdest«, antworte ich und lasse mir nicht anmerken, dass ich eigentlich so gar keine Lust habe, ausgerechnet auf ihn gestoßen zu sein.

»Okay, ich komm dich abholen. Ich nehme mal an, du möchtest jetzt demnächst dorthin?«

»Jap, ganz genau«, antworte ich. Dann lege ich auf, stecke mein Handy wieder ein und schleppe die Reisetasche und meine andere Tasche nach unten ins Wohnzimmer. Ich bin ganz allein zu Hause. Meine Schwester ist arbeiten, ebenso wie meine Eltern. Ich nehme mir eine wiederauffüllbare Trinkflasche und fülle Leitungswasser hinein. Danach kommt sie in mein Handgepäck. Ich nehme eine große Brotdose und schmiere ein paar Brote, die ich da reinstopfe. Anschließend packe ich noch einen Apfel in eine Tüte und knote sie zu. Das kommt auch noch in meine Tasche. Und einen Müsliriegel nehme ich auch noch mit.

Die Klingel gibt Laute von sich. Ich öffne und vor mir steht er. Also, nicht er im Sinne von mein Freund, sondern er im Sinne von der Freund meiner Schwester. Um mich abzuholen und zum Flughafen zu fahren. Er eben. Ich begrüße ihn mit einem einfach »Hi« und hole meine Reisetasche und Tasche. Die restlichen Taschen hab ich alle in meinem Zimmer gelassen, sie erinnern mich zu sehr an hier und an mein Umfeld. Ich gehe raus, schließe ab und ziehe meine Tasche in Richtung Taxi.

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