Kapitel 2

292 13 1
                                    

Am Flughafen...

»Danke für's Fahren«, sage ich und steige aus.

»Kein Problem«, antwortet er,

Ich zücke mein Portemonnaie. Er schiebt meine Hand leicht weg. Verwirrt schaue ich ihn an.

»Hab ich umsonst gemacht.« Er lächelt mich an.

»Okay...« Ich packe mein Portemonnaie wieder weg und drücke ihn kurz. Wieso genau hab ich das jetzt getan? Ich meine, ich will nichts mehr mit meinem Umfeld zu tun haben, wieso hab ich ihn dann umarmt? Naja, jetzt ist es sowieso zu spät. Ich winke ihm nochmal, dann drehe ich mich um und gehe in Richtung Flughafengebäude.

Im Gebäude schaue ich auf die Anzeigetafeln. England, Frankreich, Schweiz, Island. Alle erinnern mich an mein Umfeld. Da, Finnland. Das erinnert mich an nichts. Ich gehe zu den Schaltern und frage, ob es noch ein Ticket für den Flug nach Finnland gibt. Der Typ am Schalter schaut nach und bestätigt. Ich kaufe mir das Ticket und schaue dann, wann der Flug abgeht. Ich habe noch zehn Minuten Zeit, dann geht der Flieger. Also stelle ich mich in die Schlange und warte. Ich lasse mich kontrollieren, ob ich auch wirklich nichts Gefährliches dabei hab. Bei dem Flug nach Finnland sind sie wohl besonders vorsichtig. Aber wieso? Naja, egal. Ich lasse alles über mich ergehen und darf schließlich in den Flieger steigen. Dort suche ich mir einen Platz und setze mich. Auf der anderen Seite des Ganges sitzen vier Männer, vielleicht so zwischen 30 und 40 Jahre alt. Sie unterhalten sich angestrengt auf einer Sprache, die ich nicht kenne. Vielleicht Finnisch? Ach, scheiß drauf. Ich hole meine Kopfhörer aus der Tasche (die hab ich ganz vergessen, zu erwähnen...) und schließe sie an mein Handy an. Dann schnalle ich mich an, setze meine Kopfhörer auf und gebe mich der Musik hin: Olly Murs, was auch sonst. Ich schließe die Augen, kann aber nicht einschlafen, dazu bin ich zu aufgeregt. Also hole ich mein Handy heraus und schreibe Bambi an.

»Hey Bambi, ich wollte nur sagen, dass ich jetzt längere Zeit nicht erreichbar bin, bis ich eine ausländische SIM-Karte hab. Sagst du den anderen bitte Bescheid? Dankeschön. Hab dich lieb, Eija«

Ich schicke die Nachricht ab. Kurze Zeit später kommt die Antwort:

»Ja klar, kann ich machen. Wo geht's denn hin? Und für wie lange?«

Ich muss schmunzeln. Mal schauen, was sie darauf antwortet, wenn ich ihr sage, dass ich in das Land ziehe, wo ihre Lieblingsband Sunrise Avenue herkommt? Sie wird komplett ausrasten und mich so oft es geht besuchen kommen wollen. Ich schreibe:

»Willst du es wirklich wissen?«

»Aber klar doch!«, kommt prompt die Antwort.

»Finnland«

Kurze Zeit nichts. Dann:

»FINNLAND??? Wann kann ich dich besuchen kommen??«

Ich wusste es.

»Keine Ahnung, können wir dann ausmachen.«

»Zieht ihr um oder was?«

»Ich, ja«

»Wieso nur du? Was ist mit deiner Familie?«

»Ich wollte weg von ihnen, mehr nicht«

»Du bist noch nicht volljährig. Du bist noch in der Schule!«

»Ja und?«

»Und du kannst gar kein Finnisch!«

»Ich kann Englisch, das reicht«

»... Na gut, viel Spaß. Schreib mir, sobald du eine finnische SIM-Karte hast. Und falls du Sunrise Avenue siehst, sprich sie an, lass dir ein Autogramm von ihnen geben!«

»Ist ja gut, mach ich, keine Sorge. Bis dann«

»Ciao. Guten Flug«

Ich sperre mein Handy. Dann schaue ich nach links, wo die vier Männer sitzen. Sie tragen alle eine schwarze Jacke. Okay, der eine hat ein Hemd an, aber es ist auch schwarz. Sie unterhalten sich immer noch, aber es geht eher in eine lustige Form über. Ich frage mich, worüber sie sich unterhalten. Ich nehme den einen Kopfhörer vom Ohr und lege ihn dahinter, obwohl ich weiß, dass ich sowieso nichts verstehen werde. Doch sie sind auf die Sprache Englisch umgestiegen. Das Flugzeug fährt los.

»I really missed my home«, sagt der eine Typ. Er hat fast keine Haare und einen mehr oder weniger Dreitagebart. Eher fünf bis sechs Tage, aber okay. Er scheint der Kleinste von allen zu sein, zumindest sieht es so aus. Ein zweiter von ihnen, mit braunen Haaren, die ein bisschen gelockt sind, bestätigt:

»Totally. But this year, again, it was great!«

»Yeah, it really was. It's great every time we're doing that. How about you, Sami?«

»What?« Der angesprochene sitzt ganz am Fenster und hat wie gebannt hinausgeschaut. Anscheinend hat er gar nicht bemerkt, dass die anderen geredet haben.

»Did you like it this year?«, fragt der Typ, der davor geredet hat. Er hat blonde Haare. Ich nenne ihn jetzt einfach Blondschopf.

»Oh, yeah, yeah... Yeah, it was quite good«, sagt Sami.

»What's up, dude?«, fragt der Zwerg.

»Nothing...« Sami schaut wieder aus dem Fenster.

»Don't lie! We can see that something bothers you«, sagt der Blondschopf.

»No, nothing, really. It's... Everything's okay...«

Der Blondschopf legt den Arm um Samis Schultern.

»You know you can talk to us whenever you want, don't you?«

Sami nickt.

»I'm fine, really.«

Der Blondschopf nimmt den Arm wieder weg.

»Okay, fine. So, where do we wanna go tonight?«, fragt er dann.

Okay, das muss ich mir jetzt wirklich nicht anhören. Ich schiebe meinen Kopfhörer wieder nach vorne und gebe mich der Musik hin.

LifesaverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt