Kapitel 20

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»Ihr werdet die Bühne rocken!«, ruft Alina eine Stunde später, als sie mit den anderen ihrer Band von der Bühne kommt. Sie kommt auf mich zu und umarmt mich. »Man kann echt froh sein, dass es ein Open-Air-Konzert ist. Es ist so verdammt warm...«

Sie grinst.

Na klasse... Nicht nur die Tatsache, dass ich nicht Samu Haber bin, es ist auch noch heiß dort...

»Die Meute ist richtig gut drauf. Ihr packt das. Zeigt ihnen, was ihr könnt!«

Alina verschwindet im Raum, aus dem wir eben gekommen sind. Ich werde schon wieder nervös. Jemand umarmt mich von hinten. Sami, das weiß ich sofort.

»Bereit?«, fragt er mit seinem süßen finnischen Akzent. Ich schließe die Augen und atme tief durch. Dann nicke ich und öffne die Augen wieder. Sami dreht mich um und küsst mich. Dabei schließe ich meine Augen erneut. Wieso hab ich sie zwischendrin überhaupt geöffnet?

Langsam und widerwillig löst er sich von mir und geht auf die Bühne. Setzt sich an sein Schlagzeug. Das Publikum ruft begeistert, als er mit den ersten »Tönen« von Unholy ground beginnt. Riku joggt auf die Bühne und hebt die Hand zur Begrüßung, dann beginnt er mit seinem Part. Die Meute jubelt. Ich will gar nicht wissen, wie sie bei mir reagieren. Wahrscheinlich buhen sie mich aus... Oh Mann Eija, hör jetzt verdammt nochmal auf mit deinen beschissenen Selbstzweifeln!

Raul joggt an mir vorbei mit seinem Bass, beginnt auf der Bühne, ebenfalls zu spielen. Osmo legt seine Hand auf meine Schulter und lächelt mir aufmunternd zu. Dann geht auch er auf die Bühne. Stellt sich an sein Keyboard. Ich nehme die Gitarre, die mir ein Techniker hinhält, dankend an. Es ist die rote Gibson vo Samu. Die, die ich am meisten mag. Das Publikum ist am Jubeln, aber ich merke, dass sie alle auf Samu warten. Scheiße... Egal, ich zieh das jetzt durch!

Ich hänge mir die Gitarre um und betrete die Bühne. Jogge zum Mikrofon. Das Publikum verstummt. Die Instrumente ebenfalls. So haben wir es ausgemacht.

»Hallo Frankfurt!«, rufe ich. Aus der ersten Reihe ertönen zwei Schreie, positive Schreie. Ich schaue hin. Natürlich. Bambi und Randi stehen da und jubeln. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht, bevor ich mit Reden fortfahre.

»Wie ihr sehr wahrscheinlich seht, bin ich nicht Samu Haber. Es tut mir außerordentlich Leid für die, die ihn unbedingt sehen wollten. Und auch für die anderen natürlich. Aber er ist schwer krank. Deshalb kann er nicht auftreten.«

Wie ich erwartet habe, sind viele Leute gegen diese Aktion. Ich möchte abgehen, die Tränen drängen sich langsam an die Oberfläche, aber ich drücke sie wieder zurück. Ich darf jetzt nicht aufgeben! Sonst müssen wir doch absagen.

»Aber er liebt euch alle, kann ich euch sagen. Andernfalls hätte er die Tour abgesagt, doch das wollte er nicht. Er wollte euch nicht seine echt coole Musik vorenthalten. Daher bin ich da, ich soll für ihn einspringen.«

Vielleicht wäre es doch besser gewesen, hätte er die Tour abgesagt... Nein, keine Selbstzweifel verdammt nochmal!

»Ich hoffe einfach mal, dass ihr das Konzert trotzdem genießen könnt.«

Ich drehe mich um und nicke Sami zu. Er beginnt erneut mit Unholy ground, nach und nach kommen die anderen Instrumente dazu.

Ich atme durch. Dann...

»I knew the minute you got close enough that...«

Das Publikum jubelt auf. Ich bin erleichtert. Sie haben anscheinend doch kein Problem damit, dass ich hier stehe anstelle von Samu.

Meine Finger greifen die Akkorde von selbst, die Töne und Wörter kommen wie von selbst aus meinem Mund. Ich bin wie im Rausch. Kann Samu wirklich nur zu gut verstehen. Wenn er sich immer so fühlt, hat er echt Glück.

LifesaverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt