Kapitel 54

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Herbstbrise legte die Ohren flach. Sie bebte vor Angst. Du kennst ihn bereits, hallte Weißroses Stimme

in ihrem Kopf wider. Herbstbrises Gedanken schwirrten. Wer wollte dass sie starb? Im ersten Moment fiel ihr keine Katze ein,

dann aber kehrte eine Erinnerung in ihr Gedächtnis zurück. "Meinst du... Distelkralle?",krächzte sie leise.

Weißrose tauschte mit Brombeertod einen amüsierten Blick, dann schnurrte sie: "Sicher."

Sie hob eine blutgeträngte Pfote und wollte wieder auf Herbstbrises Hals einhämmern. Doch diese gab sich nicht so schnell geschlagen.

"Warte",keuchte sie, "ich habe noch eine allerletzte Frage!" Weißrose verdrehte die Augen. "Bitte? Aber mach schnell!"

"Habt ihr auch Aschenherz umgebracht?" Diesmal wirkte Weißrose ratlos. "Wir haben keinen Aschenherz getötet",

knurrte sie ungeduldig, "so, aber jetzt ist Schluss mit der Fragerei. Nun wird gehandelt."

Eine einzelne Träne kullerte über Herbstbrises Wange. Ich kann mich nicht wehren.

Lebt wohl, Eschenblatt, Mondstrahl und Eulenschlag. Denn ich werde sterben. Ein zufriedenes Grinsen trat in Weißroses Gesicht,

aber bevor sie zuschlagen konnte, ertönte ein zorniges Jaulen. Herbstbrises Augen waren zwar nur noch einen Spalt breit geöffnet,

trotzdem konnte sie braunes Fell aufblitzen sehen. Ein winziger Hoffnungsschimmer erwachte in ihr,

als sie spürte, wie Brombeertod von ihr abließ und sich der Katze stellte.

Ein fürchterliches Kreischen war zu hören und die Luft wurde mit fremden Blutgeruch verseucht.

Endlich glitt auch Weißrose von Herbstbrise weg und stürzte sich auf den Angreifer.

Sie knurrte aufgebracht. Herbstbrise öffnete mit aller Kraft ihre Augen und erblickte Eschenblatt.

Der hatte Weißrose an einen Dornenbüsch gedrückt und seine Schnauze an ihr Ohr gepresst. Sein Maul bewegte sich langsam

und man erkannte an seinem peitschenden Schwanz, dass er ihr drohte.

Auf einmal wirkte Weißrose verängstigt und rückte langsam von ihm weg, auch wenn sie sich dabei,

an den Dornen des Gebüschs den Pelz zerkratzte. Mit einem frustrierten Schnauben winkte sie Brombeertod zu sich

und floh mit ihm davon. Schwer atmend schlurfte Eschenblatt nun
zu Herbstbrise und berührte sachte ihren blutenden Hals mit der Nase.


Sein Fell hatte sich vor Entsetzen gesträubt. "Ich muss dich sofort zu Silberfeder und Nebelpfote bringen",

knurrte er und zog seine Gefährtin, ohne auf eine Antwort zu warten auf den Rücken.

Herbstbrise reagierte abgesehen von einem leichten Zucken nicht darauf.

Sie sah wie ihr Blut auf Eschenblatts getigertes Fell tropfte und es dunkelrot färbte.

Doch ihr Gefährte achtete nicht darauf und trug sie schweigend über die Laubclan Wiese zum Wald.

Herbstbrise bekam aufgrund der unvorteilhaften Lage kaum Luft und schnaufte verzweifelt, was Eschenblatt dazu brachte,

sein Tempo zu beschleunigen. Herbstbrise wusste, dass es ihn enorm viel Kraft kostete, sie im Schnelldurchlauf über die Wiese zu schleppen,

trotzdem gab er nicht auf und kam innerhalb kürzester Zeit beim Waldrand an. Doch selbst dort blieb er keinen Herzschlag lang stehen,

für eine kurze Verschnaufspause.
Nein - er war so schnell, wie Herbstbrise ihn noch nie gesehen hatte.

Ihr Kopf hing beinahe schlaff von seinem Rücken und hinterließ eine stinkende Blutspur. In Herbstbrises Gesicht zeichneten sich dennoch keine Emotionen.

Ihre Mine war völlig starr und ausdruckslos. Sie nahm sich auch nicht mehr die Zeit,

an Brombeertod, Weißrose oder Distelkralle zu denken.

Das hier sind meine letzten Augenblicke, sagte sie sich, und die gehören ganz allein Eschenblatt und mir.

***

Die Laubclan Katzen waren völlig aus dem Häuschen, als Eschenblatt und Herbstbrise bei ihnen ankamen.

Sie drängten sich mit entsetzten Rufen um sie.
Minzteich stürmte sofort zu ihrer Freundin und leckte ihr hektisch über die Wunden.

Auch Ginsterbach schoss aus dem Gedrängel und öffnete das Maul zu einem lautlosen Schrei, als sie Herbstbrise erblickte.

Sie kauerte sich kläglich neben sie und schrie mehrmals nach Silberfeder. Augenblicklich erschien die Heilerin

mit einem Bündel Kräuter im Maul. Nebelpfote folgte ihr. Der graue Kater hatte Spinnenweben mitgebracht

und wickelte sie vorsichtig um Herbstbrises Hals. Doch trotz seiner Vorsichtigkeit verspürte Herbstbrise einen neuen Schmerzschub.

Keuchend und nach Luft schnappend richtete sie ihre schmerzverzerrten Augen auf Silberfeder.

Bitte tu was! ,bat sie still. Entweder hatte die Heilerin ihre lautlose Bitte erhört oder sie wusste nun was zu machen war.

Jedenfalls zerkaute sie ein paar der Kräuterblätter zu einem Brei und verteilte ihn auf Herbstbrises Wunden.

Anschließend gab sie ihr noch ein paar Mohnsamen. "Friss!",murmelte sie, "die Samen werden deine Schmerzen lindern

und dir eine ruhige Nacht schenken." Angestrengt reckte Herbstbrise den Kopf zu den Mohnsamen hinab

und versuchte sie zu schlucken. Es war schwer, aber dennoch schaffbar. Als sie sie endlich runterbekommen hatte,

trabte Weidenpfote mit ein wenig Moos herbei und baute ein Nest. Sie und Nebelpfote halfen Herbstbrise

auf ihren neuen Schlafplatz und ließen sie dann alleine. Nun war bloß noch Eschenblatt bei ihr und legte sie schnurrend neben sie.

"Ich bin so froh, dass ich dich retten konnte",murmelte er, "dein Tod wäre für mich unerträglich."

Herbstbrise sah ihm lange und liebevoll in die schönen Augen. "Wie hast du mich gefunden?"

Eschenblatt wandte den Blick ab. "Ich bin dir gefolgt",gab er schließlich zu. "Nach Aschenherz' Tod,

habe ich geahnt, dass dieses Territorium nicht mehr sicher ist - schon gar nicht für eine trächtige Kätzin.

Ich wollte mich versichern, dass es dir gut geht." Er verstummte und presste seine Schnauze an ihr Fell.

Herbstbrises schmolz das Herz und sie schmiegte sich an ihn. "Ich danke dir."

Warrior Cats - Herbstbrises SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt