Kapitel 85

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Die hohen Wände der Scheune warfen finstere Schatten auf den Steinboden und nahmen ihm somit das letzte bisschen Licht.

Herbstbrise lag zusammengekauert in der abgrenzenden Ecke zwischen Gitter und Wand. Sie zitterte aufgrund der klirrenden Kälte, welche die Nacht so mit sich brachte.

Sie hatte schon einen Tag lang beim Dämmerclan verweilen müssen, widerstandslos und vollkommen verloren.

Das Gefühl, sich eingesperrt in einem dunklen Käfig zu befinden, während die eigenen Jungen, zusätzlich noch der Clan in Lebensgefahr schwebten,

fühlte sich so an, als stünde sie vor einem riesigen Abgrund, kurz davor in die Tiefe zu stürzen und sich für immer in einem Land voller Grauen und Furcht zu verlieren.

Herbstbrises Atem kam nur noch stoßweise, vor lauter Bitterkeit. Tja, das war's wohl mit mir, meinen Töchtern und dem Himmelclan,

dachte sie, unsere Feinde zerstören jede einzelne Katze von uns und das aus purer Rachelust und Gier nach Blut.

Das allerschlimmste aber ist: Ich kann nichts gegen sie tun.
Nicht seitdem ich dem Dämmerclan so hilflos ausgeliefert bin.

Eine schlimmere Lage als die, in der ich gerade stecke, kann es wohl kaum geben. Und mehr Pech als in den letzten Tagen hätte ich auch nicht haben können.

Eine einzelne Träne kullerte aus ihren wässrigen Augen und befeuchtete ihr Fell, doch Herbstbrise spürte sie kaum.

Sie war mit den Gedanken ganz wo anders. Warum musste sie ihr Schicksal bloß so hart treffen? Warum konnte der Sternenclan nicht einfach gnädig mit ihr sein?

Musste er ihr wirklich schon in der Kinderstubenzeit das Leben schwer machen? Würde Herbstbrise wenigstens als Älteste erfahren, was Frieden bedeutete?

Mit einem gequälten Schluchzer ließ sie den Kopf sinken. Der Gedanke, weggesperrt zu sein, wie die nutzlosen Kaninchen der Zweibeiner,

breitete eine innere Leere in Herbstbrise aus. Eine, die nie zu verschwinden drohte. Und zum gefühlt hundertsten mal in dieser Nacht fragte sie sich: Warum?


Warum musste all dies geschehen? Warum konnte ihr die Rettung von Schwalbenstern und Blaubeerfluss nicht einfach geglückt sein?

Herbstbrise kniff die tränengefüllten Augen zusammen, als leide sie an Schmerzen und verfasste ihre Gedanken in Worte.

"WIESO???", kreischte sie in die kalten, steinernen Wände ihres Gefängnisses ,"wieso??" Ihre Klagerufe wiederholte sie immer und immer wieder,

bis ihr allmählich die Kehle schmerzte, die schon seit Tagen kein Wasser mehr zu spüren bekommen hatte.

Mit verkrampfter Brust ließ sich Herbstbrise fallen, spürte kaum den Zusammenstoß mit dem Boden und weinte leise in sich hinein.

Zu viel war in den letzten Monden geschehen. Zu viel, um es zu verarbeiten und zu ertragen.

Seit ihr Traum wahr geworden war und Gewitterstern ihr seine angebliche Liebe gestanden hatte, hatte Herbstbrise geglaubt, nun in Frieden leben zu können.

Warrior Cats - Herbstbrises SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt