Kapitel 105

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Herbstbrise stolperte vor Mondstrahl zurück. Sie konnte sie nicht ansehen, nicht den flehenden Blick aus ihrem einen Auge erwidern.

Denn sie wusste, dass sie ihr nicht helfen würde. Sie konnte nicht.
Schwalbenstern ist meine Tochter!

Doch da - wieder dieser dringliche Blick. "Herbstbrise... bitte", flüsterte Mondstrahl leise. "Ich brauche deine Hilfe.

Schwalbenstern verdient dasselbe, was sie mir angetan hat. Ich will Rache an ihr." Ihr Auge glänzte vor Schmerz, die Stimme zitterte.

Doch Herbstbrise rührte sich nicht. Zu gerne würde sie Mondstrahl rächen, aber nicht an ihrer eigenen Tochter.

Das Junge, das ich mondelang großgezogen habe, das mein eigenes Blut in sich trägt. Sie schüttelte traurig den Kopf.

"Mondstrahl, ich kann nicht... Schwalbenstern ist mein KIND!"
Mondstrahl starrte sie fassungslos mit offenem Maul an.

"Tatsächlich nicht? Nach allem was ich für dich getan habe?" ,heulte sie auf. "Ich habe auch wegen DEINER Reise mein Auge verloren, das ist dir hoffentlich klar."

Herbstbrise nickte kläglich. Warum verlangte ausgerechnet ihre beste Freundin so etwas von ihr,

obwohl sie doch wusste, dass sie keine Kralle gegen Schwalbenstern einsetzen konnte und wollte? Niemals.

"Ich kann es einfach nicht fassen!" ,fauchte Mondstrahl ungläubig, "ich schenke dir mein Leben und du mir nicht mal ein Auge deiner bösen Tochter."

Herbstbrise trat ein paar Schritte auf Mondstrahl zu und hob herausfordernd das Kinn. "So ist das bei Müttern.

Aber ich möchte auch, dass du deine Rache bekommst. Ich werde für mein Junges bezahlen. Los, kratze mir ein Auge deiner Wahl aus, damit du endlich zufrieden bist!"

Entschieden legte sich Herbstbrise auf den Bauch und blickte zu Mondstrahl empor. Die cremefarbene Kätzin stand nun ziemlich verdattert da.

Sie wirkte unentschlossen. Aber Herbstbrise ließ ihr Zeit, sich zu entscheiden und verharrte in ihrer Position.

Eisernes Schweigen füllte die Luft. Schließlich nickte Mondstrahl beklommen und trat vor.

Sie spannte die Muskeln an und holte für einen Schlag aus. Herbstbrise kniff die Augen zusammen, machte sich auf den Schmerz gefasst,

der sie in wenigen Sekunden auf einer Seite erblinden lassen würde. Sie würde Mondstrahl nicht übel nehmen, dass sie ihr das Auge ausgekratzt hat.

Sie konnte ihre Rachelust verstehen. Doch der Schlag blieb aus. Stattdessen hörte Herbstbrise einen Aufschrei.

Erschrocken sah sie hoch. Schwalbenstern hatte Mondstrahl zu Boden gepresst und sich in ihren Hals verbissen.

"NEIN!" Mit einem entsetzten Kreischen rannte Herbstbrise auf Schwalbenstern zu und zerrte sie von Mondstrahl weg.

Aber es war bereits zu spät. Die cremefarbene Kätzin rührte sich nicht mehr. Fassungslos vor Trauer starrte Herbstbrise sie an.

Ihre Kehle war wie zugeschnürt vor Schreck und Schmerz. Schwalbenstern strich knurrend um sie herum.

"Sei mir dankbar, Mutter. Ich konnte sie gerade noch von hinten angreifen und töten, bevor sie dich verletzt hätte."

Warrior Cats - Herbstbrises SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt