Im Weg

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Auf dem TV-Bildschirm war ein Bild von unseren Eltern abgebildet. Die Nachrichtensprecherin erzählte den Grund dafür.

„Die Firma ... hat in den Umsätzen neue Rekorde aufgestellt. Wir haben die Leiter zu uns ins Studio eingeladen um ihnen ein paar Fragen zu stellen. *Kamera zoomt raus und unsere Eltern kamen ins Bild*

Sie lächelten höflich in die Kamera, aber ich fand sie sahen gestresst aus.

Nachrichtentante: „Sie haben viel erreicht in den letzten Jahren. Hat ihr Privatleben darunter gelitten?"

Mutter: „Wir mussten oft umziehen, aber unsere Kinder hatten immer schnell neue Freunde, also kann man sagen es lief eigentlich alles normal, nicht wahr Schatz?"

Unser Vater nickte nur. Das ist ja wohl mal eine komplette Lüge! Ich hatte nie wirklich Freunde, bevor wie hier nach Norwegen zogen! Okay, hätten sie gesagt, ich sei übel das Opfer und so fände ich das auch nicht so geil. Aber sie wussten ja auch nicht, dass ich immer gemobbt wurde. Hätten sie vielleicht was dagegen gemacht, wenn sie es gewusst hätten? Ich blickte unauffällig zu meinem Bruder, der aber nur angepisst den Fernseher anstarrte. Er dachte vermutlich dasselbe wie ich.

Die Tante stellte noch ein paar Fragen über die Firma, das war alles ziemlich langweilig. Doch dann stellte sie eine Frage, die mich wieder genauer hinhören ließ.

"Wie oft sehen sie ihre Kinder? Sie sind ja oft unterwegs und haben Interviews oder Termine. Und da sieht man die Zwillinge ja nie. Wo sind sie?"

Dieses Mal antwortete unser Dad: "Wir wollten, dass sie ihre Schule in Ruhe zu Ende machen können und das ist schwer, wenn man immer die Schulen wechselt. Deshalb haben wir in Norwegen ein Haus gekauft. Dort wohnen sie jetzt."

"Sie stören ja bei den Terminen eh nur. Es ist besser so.", hängte unsere Mutter noch dazu.

Tilly beugte sich vor und schaltete das Gerät aus. Sie sah erst mich und dann Hannes besorgt an. Ich wusste nicht was ich dazu sagen sollte. Es verletzte mich, dass sie so über uns sprachen. Sie hatten uns nur hier abgesetzt um ohne uns leben zu können. Wir waren im Weg. Schon immer. Ich kannte das Verhalten meiner 'Eltern' ja schon, aber es war trotzdem immer wieder hart sowas zu hören...

Ich spürte wie mir langsam die Luft wegblieb und meine Augen wässrig wurden. Schnell stand ich auf und rannte in mein Zimmer. Marcus rief mir noch hinterher doch ich ignorierte ihn einfach und schloss mich ein. Ich wollte niemanden sehen oder hören. Ich musste eine Weile allein sein um nachdenken zu können.

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Ich lag schon seit drei Stunden auf meinem Bett und habe nichts gemacht. Ich wollte aufstehen, da ich Hunger hatte. Als ich meine Tür aufmachen wollte rannte ich erst mal voll dagegen. Ich hatte vergesse, dass ich ja abgeschlossen hatte. Fluchend rieb ich mir die Stirn, schloss auf und lief die Treppe runter. Unten war es still, also lief ich direkt in die Küche. Dort fand ich einen Zettel von Hannes: 'sind zum Abendbrot wieder da.'

Jap. Mit dieser Info konnte ich was anfangen. Wer ist wir? Marcus auch? Oder nur er und Tilly?

Meine Frage erübrigte sich als mein Freund plötzlich vor mir stand und mich traurig ansah.

"Was machst du denn hier?", fragte ich etwas überrascht aber auch sehr erleichtert.

"Ich hab mir solche Sorgen gemacht, du hast dich eingeschlossen und auf überhaupt nichts reagiert. Weder auf Nachrichten noch auf unser Klopfen oder Rufen. Hannes ist total wütend geworden. Sie sind mit ihm ins Gym gefahren, da kann er auf nen Boxsack einschlagen.", rief er besorgt aus und wurde zu Ende hin immer leiser. "Marcus das tut mir so leid, aber ich musste einfach mal alleine sein...", flüsterte ich jetzt. Er sagte nichts dazu sondern nahm mich nur liebevoll in den Arm. Ich schlang meine Arme um seinen muskulösen Oberkörper und legte meinen Kopf auf seiner Brust ab, sein Kinn ruhte auf meinem Haaransatz. Er zog mich sanft Richtung Wohnzimmer, wo er sich hinsetzt und mich auf seinen Schoß zog. Er sprach ein paar beruhigende Worte, während ich nur an ihm lehnte und mich schlecht fühlte. Nutzlos und einsam, auch wenn ich bei meinem Freund war. Ich hörte ihm schon nur noch halb zu, weil ich wieder in Gedanken war, doch dann sagte er einen Satz, der mich aufhorchen ließ: „Ich mach uns was zu Essen." Er kannte mich einfach zu gut und ich hatte ja sowieso Hunger...also warum nicht?

AußenseiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt