Du bist jetzt ein Einzelkind

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Als Erstes las ich mir in Ruhe die Steckbriefe durch. Im Grunde stand da nur, wie alt wie waren, wie viel wir wogen und so ein Kram eben.

Dann kamen einige Protokolle von Kontrollbesuchen, Bilder von Mum und Dad und ein Bild von zwei Erwachsenen, einer Frau und einem Mann, die ich aber nicht kannte. Sie kamen mir jedoch bekannt vor.

Dann kamen irgendwelche Gerichtspapiere und zum Schluss die Adoptionspapiere…

Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, was das alles war und was das bedeutete…

Wütend nahm ich die Mappe und rannte ins Wohnzimmer, schaltete den TV aus und knallte sie auf den Tisch genau vor Hannes.

Erschrocken sah er mich an und in seinen Augen konnte ich Wut und Trauer sehen. Aber bevor er was sagen konnte schrei ich schon los. Wahrscheinlich so laut, wie noch nie.

„Wie kannst du mir sowas nur verheimlichen? Wir sind adoptiert! Ich wusste es nicht, du schon! Was hast du dir dabei gedacht? Ach ja…NICHTS! WIE IMMER!!!! ICH HABE DIR FAST IMMER ALLES ERZÄHLT. JEDENFALLS ALLES WIRKLICH WICHTIGE. UND WAS MACHST DU? DU SAGTS KEIN STERBENSWÖRTCHEN!!! STATTDESSEN SIEHST DU MICH IMMER TRAURIG AN ODER GEHST WEG! ICH BIN DEINE FUCKING SCHWESTER. UND NICHT NUR DAS! ICH BIN DEIN ZWILLING! DEINE BESSERE HÄLFTE! ALLES WAS DU HAST! ICH HAB DIR VERTRAUT!“

2Bitte Maddie! Beruhige dich! Ich kann dir alles erklären!“

„Wie lange weißt du es schon?“

„Etwas vier Wochen…“

„ICH HASSE DICH!!!! ICH WILL DICH NIE WIEDER SEHEN! WIR SIND KEINE GESCHWISTER MEHR. NIE WIEDER! SIEH ZU WIE DU GLÜCKLICH WIRST! DU BIST JETZT EINZELKIND.“

Ich reiße mir die Kette vom Hals und werfe sie ihm mitten ins Gesicht. Es war eine Kette mit einer drei als Anhänger. Er hatte die Gleiche. Zusammen ergaben sie eine 8 oder auch bekannt als das Unendlichkeitszeichen… Wir hatten sie schon immer. KA woher…

Ich rannte in mein Zimmer, packte ein paar Sachen ein und lief dann verheult zu Marcus. Er öffnete mir lachend die Tür, aber als er mich sah, wurde sein Blick sofort weich und er nahm mich gleich in den Arm, wo ich heulend zusammenbrach.

Ich hörte, wie Anne, Emma und Martinus angerannt kamen. Marcus und ich saßen im Flur auf dem Boden und ich lag in seinen Armen, heulte mir die Seele aus dem Leib und er tröstete mich indem er mich sanft hin und her wiegte und immer wieder meinen Kopf streichelte.

Und all das, ohne zu wissen, was passiert war…nach etwa 20 Minuten hatte ich mich beruhigt und er brachte mich ins Wohnzimmer. Anne hatte Kakao gemacht und setzte sich zu uns. Mir reichte sie außerdem noch ein paar Taschentücher.

Dankend nahm ich alles an und trank den Kakao auch fast in einem Zug aus. Mitleidig sahen mich alle an. Emma kuschelte sich in meine Arme und gab mir das Gefühl, nicht komplett belogen worden zu sein…

„Mäuschen, was ist denn jetzt eigentlich passiert?“, setzte Anne vorsichtig an und zog somit die ganze Aufmerksamkeit auf mich. Denn alle wollten wissen, was war.

„Hannes hat vor ungefähr vier Wochen herausgefunden, dass er und ich adoptiert sind. Er hatte so eine Mappe mit den Unterlagen, die hab ich halt gefunden. Aber wegen meinem schlechten Gewissen hab ich sie nicht gleich gelesen, ich dachte, vielleicht sagt er es mir ja noch, was es damit auf sich hat. Ich hatte ihn nämlich gefragt. Naja, dann hat er es eben nicht getan und dann hab ich die vorhin gelesen…

Ich habe ihn nochmals darauf angesprochen…naja angeschrien…und dann hab ich ihn gefragt, wie lange er es mir schon verheimlicht. Er sagte vier Wochen. Daraufhin hab ich die Kette in sein Gesicht geworfen, die wir irgendwie seit unserer Geburt haben sollen. Wenn das nicht auch eine Lüge war…

AußenseiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt