der Grund warum

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Ich setzte mich langsam neben ihn und sah ihn mitleidig an. Er sah zu mir auf und ich konnte Tränen in seinen Augen erkennen.

Sanft zog ich ihn in meine Arme und strich ihm über den Rücken.

Leise begann ich zu sprechen: „Was ist los?“

„Weißt du, Anna wollte eigentlich noch länger bleiben…wir saßen gerade hier und haben einen Film geschaut. Ich weiß, nicht sehr originell, aber es war halt zu kalt um rauszugehen. Naja vielleicht war auch Faulheit im Spiel…

Jedenfalls hatte sie ja deine Jacke an und ihr wurde das zu warm, dann hat sie sie ausgezogen. Was ja nicht weiter schlimm ist, aber ich habe kurz ihre Arme gesehen.

Das hat sie gesehen und dann hat sie realisiert, was sie gerade getan hat, hat sich die Jacke angezogen und ist fluchtartig hier raus gerannt…“

„Aber was ist daran so schlimm, dass du ihre Arme gesehen hast?“

„Maddie, sie ritzt sich. Überall Narben und frische Kratzer! Sie sahen zwar schon ein paar Tage alt aus, aber trotzdem!“

Irgendwie überraschte mich diese Nachricht überhaupt nicht. Anna hatte immer lange Sachen an, da musste es ja einen Hintergrund geben. Und da ich mich auch schon einmal geritzt hatte wusste ich es.

Ich hatte damals ja auch nur lange Sachen an. Aber ich hatte es nur einmal getan, sie offenbar mehr. Ich wette es waren nicht nur die Arme.

Mich nahm das Ganze weniger mit als Tinus, aber er war bei sowas mehr als emotional gebaut. Aber das war nicht weiter schlimm, wichtig war in dem Moment eher, dass wir dafür sorgen, dass Anna aufhört sich zu ritzen.

Aber sie muss es auch wollen. Mit ihr reden?

Sie könnte es falsch verstehen.

Zeit mit ihr verbringen?

Sie könnte sich bedrängt fühlen.

Sie in Ruhe lassen?

Sie könnte sich alleine fühlen.

Es blieb nur eines. Ich denke, ich spreche für uns alle, wenn ich sage Anna ist voll korrekt und wir haben sie alle echt lieb.

Und genaue dieses Gefühl, einen Wert zu haben, dazuzugehören und nicht alleine zu sein, das müssen wir ihr zeigen und geben.

Tinus drückte sich etwas von mir weg und sah mich mit wässrigen Augen an. „Warum macht sie das?“

„Ich weiß es nicht…“ er nickte nur. Ich weiß es vielleicht, aber das sind nur Vermutungen und solange ich nicht sicher bin, sage ich nichts.

Er ließ sich nach hinten aufs Bett fallen und starrte die Decke an. Ich legte mich neben ihn und kuschelte mich an meinen besten Freund.

Ich genoss einfach den Moment, festgehalten zu werden und seine Nähe. Wir hatten lange nichts mehr zusammen gemacht.

Er legte einen Arm um mich, ich schloss meine Augen und lauschte seinem Herzschlag.  Ich wurde immer müder, bis ich schließlich in einen ruhigen Schlaf fiel.

Als ich aufwachte war es bereits hell draußen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich niemandem gesagt hatte, dass ich hier schlafe. Ich lag bei Martinus im Bett.

Ich hatte aber nicht mehr die Sachen von gestern an, sondern eine Jogginghose von Tinus und ein T-Shirt. Ich war liebevoll zugedeckt.

Neben mir lag ein schlafender Tinus, er sah so friedlich aus, dass ich ihn nicht wecken wollte. Mit seinem Handy machte ich schnell ein Foto von ihm, dann kuschelte ich mich auch wieder ins Kissen.

AußenseiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt