Moostatze geringschätzt Titel

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Es blieb nicht bei einer Nacht. Es blieb auch nicht bei zwei Nächten oder drei.

Shai war nun etwa zwei Monde alt-Sie kannten ihren genauen Geburtstag ja nicht.
Es spielte ohnehin keine Rolle. Jedenfalls machte sie sich prächtig und trotz ihrem düsteren Start ins Leben und all der Angst, die sie in ihren ersten Tagen hatte ertragen müssen, wurde sie zu einer aufgeweckten kleinen Kätzin.
Sie hatte den Streit um ihren Namen nicht mitbekommen, der über mehrere Tage angedauert hatte. Haselstern war schon immer eine gutmütige, wenn auch sehr chaotische, Anführerin gewesen, doch bei diesem Thema war sie anfangs hart wie ein Stein geblieben.
Ein Junges mit Hauskätzchen-, beziehungsweise Streunerblut, im Schattenclan? Das konnte man akzeptieren, sie konnte auch nichts für seine Herkunft und würde mit viel Training bestimmt zu einer guten Kriegerin heranwachsen.
Aber Haselstern hatte einen Problem mit dem Namen. Shai, das war kein Clanname.
Einige weitere Katzen, besonders die älteren, waren derselben Ansicht gewesen.
Noch nie zuvor hatte Moostatze Pinienglut so wütend gesehen, wie in jener Nacht, in der das ganze letztendlich eskaliert war. Sie waren am späten Abend aus dem Anführerbau gekommen, wegen einer Besprechung. Dann hatte Muschelnase eine Bemerkung gemacht, wie eine Katze, die keinen Clannamen trug, denn jemals ein fester Teil des Clans werden könne. Und da war Pinienglut ein kleines Bisschen explodiert, genauso wie der Filter zwischen seinen Gedanken und seinem Mund.
„Es ist doch nur ein Name, beim Sternenclan! Er sagt nichts über Charakter, Stärke oder sonst irgendetwas aus! Es ist nur ein nutzloser Name, den man rufen kann, wenn jemand etwas angestellt hat. Oder etwas Gutes getan."
„Mag sein, aber die Traditionen-"
„Die Traditionen sind doch nicht das Wichtigste überhaupt! Würde eine kleine Ausnahme uns umbringen? Wenn ich nur Pinie heißen würde, wäre ich dann etwa ein anderer?"
Betretenes Schweigen.
„Der Name ist alles, was sie noch von ihrer toten Mutter hat, einer Katze, die mindestens genauso tapfer war wie ein Clankrieger."
Und dann, in einer notwendigen Atempause, hatte Rostfeder sich eingemischt, einfach im Vorbeilaufen und mit ruhiger Stimme: „Wie wäre es, wenn ihr die Kleine einfach selbst entscheiden lasst?"

Moostatze war seiner Schwester noch nie so dankbar gewesen, wie in diesem Moment.
So wurde es jedenfalls beschlossen. Shai blieb Shai, aber bei ihrer Schülerzeremonie würde man sie vor die Wahl stellen, ob sie den Namen behalten oder zu einer Pfote werden wollte. An jenem Abend hatte Shai schon an Pfirsichfleck gekuschelt geschlafen, weshalb Moostatze und Pinienglut die Nacht im Kriegerbau verbracht hatten.
Fortan allerdings war immer einer der beiden bei ihr geblieben. Man gewöhnte sich daran und das Leben normalisierte sich wieder, auch wenn der Mittelpunkt dessen nun ein grau-weißes Kätzchen mit blauen Augen war.
Shai wurde nach einiger Zeit von Abendjunges und Himbeerjunges quasi als kleine Schwester adoptiert und so kam es, dass sie schon bald zwei Ziehväter, eine Milchmutter, zwei hyperaktive Schwestern, zwei höchst unterschiedliche Tanten und zwei verrückte Onkel zu ihrer Familie zählen konnte. Moostatze erzählte ihr dennoch regelmäßig von der weißen Kätzin, damit ihre ursprüngliche Mutter nicht in Vergessenheit geraten würde. Es wäre etwas traurig, sollte sie den Namen, den diese ihr gegeben hatte, abgeben, aber es war schließlich allein Shais Entscheidung.

Moospfote mag aber nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt