5.1
Mit eingezogenem Kopf sitzt sie hinter einer Pflanze und wartet angespannt darauf, dass die Gruppe einfach an ihr vorbeiläuft. Die Stimmen sind laut und durchdringend und jagen Prima kalte Schauer über den Rücken, während die Angst sich wie Klingen in ihren Magen bohrt.
»Prima, kleines Prinzesschen, wo bist du denn? Wir wollen doch nur spielen!«
Sie hasst das. Sie hasst es so sehr, dass sie ihrer Schwester niemals verzeihen kann, was sie ihrer Familie mit diesem himmelschreienden Verrat angetan hat. Prima hasst auch sich selbst, weil sie wehrlos und arm und Abschaum unter den Absätzen der Vermögenden Elayras ist. Früher einmal hat sie zu diesen oberen fünf Prozent gehört. Früher einmal hat jeder sie um ihr privilegiertes Leben beneidet. Jetzt ist jeder froh, nicht Prima Blake zu sein.
Prima Blake war wunderbar in ihrer Rolle als verwöhntes Prinzesschen und jüngste Tochter ihrer Eltern, aber als knallharte Lady hat sie keine Chance. Deshalb muss sie sich jetzt wie ein Kleinkind hinter einer verdammten Topfpflanze verstecken.
Vor fünf Jahren noch, als man Primas Familie freundlich mitteilte, sie sollten sich doch eine Wohnung am äußeren Rand Elayras suchen und ihr Vermögen freiwillig an die Stadt überschreiben, um für die Vergehen ihrer Tochter Cara zu sühnen, da hatte Prima noch Hoffnung. Zwar würde sie in eine neue, heruntergekommene Schule und ein verwahrlostes Haus kommen, aber es wäre ein noch annehmbares Leben. Ihre Freundinnen aus Elayra haben sie sowieso in dem Moment im Stich gelassen, in dem das Ansehen der Blakes in den Dreck gezogen wurde. Am äußeren Rand hingegen könnte Prima neue Freunde finden.
Bull. Shit.
Dies durfte sie gleich am ersten Tag lernen: Privilegierte, vor allem aber abgestürzte, Es-War-Einmal-Vor-Langer-Zeit-Privilegierte sind Zielscheibe für alles und jeden im äußeren Randbezirk. Die Menschen hier hassen sie allein schon für ihre Existenz. Der erste Tag in dieser Hölle, die sich Schule schimpft, hat Prima das nur allzu gut vor Augen geführt. Das blaue Auge und die Platzwunde an der Stirn, die ihr Gesicht für die nächsten Wochen verunstaltete, sogar noch mehr.
Deshalb hat sie vor der Gruppe, die gerade ausgelassen an Prima vorbeispaziert, auch solchen Respekt. Die Armen der Stadt wiegen sich in der Sicherheit, sie hätten nichts mehr zu verlieren, und schrecken daher auch nicht davor zurück, Regeln zu brechen, wann und wie und wo sie wollen.
In diesem Moment schlägt es zur ersten Stunde und die Gruppe löst sich in ihre einzelnen Glieder auf, die sich widerwillig, und doch mit einem eigenartigen Pflichtbewusstsein aufmachten, um rechtzeitig zum Unterricht zu erscheinen.
Erst, als Prima sich ganz sicher ist, dass niemand sich mehr im Gang aufhält, wagt sie sich aus ihrer geschützten Position. Der Hass und die Angst sind wieder zu einem kleinen Funken in ihrem Herzen zusammengeschrumpft, als auch sie sich zu einer Lehrstunde Sprachvermittlung aufmacht.
Mit gesenktem Kopf umklammert sie den Riemen ihrer Tasche und läuft ganz dicht an die Wand gedrängt durch die Flure, als würde ihr das in irgendeiner Weise gegen verächtliche Blicke und gehässige Lacher helfen. Wieder einmal verflucht Prima sich für ihre Angst und ihr zartes Wesen. Früher, als jeder sie für ihre Liebenswürdigkeit geliebt hat, war sie stolz auf sich selbst, aber heute würde sie ihre Persönlichkeit ohne Zögern aufgeben, um knallhart zu werden. Aber Prima ist verdammte 16 Jahre alt und führt sich noch immer auf die die Prinzessin auf der Erbse.
Sie biegt um die Ecke in den Gang ein, wo die Tür zu ihrem Klassenzimmer liegt, und weicht den Blicken anderer Schüler, die sich in Grüppchen vor den Räumen unterhalten, gekonnt aus. Auch das hat sie perfektioniert.
Mit verspannten Schultern geht sie an ihren Mitschülern vorbei auf die Tür zu und stolpert in den Raum. Der Umstand, dass ihr gerade jemand ein Bein gestellt hat, ignoriert sie gekonnt, auch wenn ihr die Röte langsam ins Gesicht steigt. Wie gerne würde sie sich einfach in Luft auflösen, im Boden versinken, vom Erdboden verschluckt werden.
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Infinite Darkness
Fantasy"Ich will dieses Königreich brennen und zu Asche zerfallen sehen. Ich will die Wände bröckeln und die Brücken brechen sehen. Ich will ein Königreich aus Ruinen, damit ich es, wenn sein Volk am Boden zerschmettert liegt, nach meinen Vorstellungen wie...