NEUN/LUCAS - UNTER GESCHLAGENEM HIMMEL

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Er spürt Catanias hasserfüllte Blicke, die ihm überall hin folgen, wie Stichflammen, die sich auf seiner Haut entzünden. Die Nacht ist dem Tag gewichen und nun zieren Rot und Violett den morgendlichen Himmel über ihren Köpfen.

»Ich wünschte, ich müsste das nicht tun, aber du hast mir keine andere Wahl gelassen.« Lucas deutet auf die Bissstelle an seinem Hals, die noch immer leicht blutet und sich an den Rändern schon bläulich verfärbt. »Aber du hättest wohl nicht aufgehört zu versuchen, mich umzubringen. Und ich kann dich auch nicht lautstark schreien lassen, weil dort draußen mit ziemlicher Sicherheit die Elayraner sind, die dein Dorf ausgelöscht haben. Und wir wollen ja nicht, dass sie uns finden, oder?« Als er Catania fragend ansieht, wendet sie das Gesicht ab.

Er schüttelt resigniert den Kopf und wendet sich wieder der Feuerstelle zu, über der er gerade ein mageres Kaninchen brät. Lucas merkt gar nicht, wie lange er in die Flammen starrt, bis er von einer Ladung Sand getroffen wird, die Catania mit ihren gefesselten Füßen auf ihn schleudert.

Augenblicklich ist seine Versunkenheit verschwunden, und an ihrer Stelle macht sich Unmut breit. »Ich weiß, du hasst mich, auch wenn du keinen Grund dazu hast. Und du glaubst mir nicht. Schön und gut. Aber es reicht mir schön langsam mit deinem Spielchen. Ich mach das nicht nochmal zehn Tage mit, die letzten haben mir schon gereicht. Ich habe Anica nicht getötet, verdammt. Aber ich bin dein Verhalten leid.«

Lucas sieht, wie Catania gegen ihren Knebel ankämpft und etwas zu sagen versucht. Er blickt sich um, aber weit und breit ist keine Person zu sehen. »Jetzt ist es auch schon egal.« Er geht zu ihr hinüber und zieht das Tuch aus ihrem Mund.

Sie verzieht angewidert das Gesicht und schluckt einige Male, bis Lucas ihr Augen verdrehend seine Wasserflasche an die Lippen hält. Gierig nimmt sie einige Schlucke und nickt dann.

»Du hast sie also nicht umgebracht?« Catanias Stimme klingt rau, als sie diese Frage stellt.

Lucas runzelt die Stirn. »Natürlich nicht. Dieses Dorf und seine Bewohner waren so etwas wie meine Heimat, meine Familie. Ich mochte mein Leben dort.«

»Und die Menschen?«

»Und die Menschen«, bestätigt er, versteht aber nicht, worauf Anicas große Schwester hinaus will.

»Mochtest du Anica auch?«

Lucas antwortet wahrheitsgemäß. »Natürlich.«

»Und hast du sie geliebt?«

Nun muss er schlucken. Hat er sie geliebt? »Ja, wir waren Freunde.«

Catanias Lippen kräuseln sich zu einem freudlosen Lächeln. »Freunde versucht man normalerweise nicht in sein Bett zu bekommen.«

Beinahe hätte er sich bei dieser Aussage verschluckt, aber er kann darauf nichts erwidern. Er weiß schlicht und ergreifend nicht, was er dazu noch sagen soll.

»Ich wusste es«, knurrt Catania. »Dieses dumme Mädchen. Verdammt, sie hat echt geglaubt, du würdest sie lieben. Und stattdessen hast du meine kleine Schwester einfach nur ausgenutzt.«

Lucas kann es nicht abstreiten, er weiß besser als jeder andere, dass dies der Wahrheit entspricht. Allein der Umstand, dass er seit fünf Jahren einem Mädchen hinterherjagt, sagt genug über seinen Beziehungsstatus aus.

»Du bist ein Arsch«, erklärt Catania ihm und lässt ihren Kopf gegen den Stein hinter sich sinken, beobachtet ihn aber weiterhin mit ihren wachen, grünen Augen.

Daraufhin seufzt er. »Ich weiß.« Mehr fällt ihm dazu auch nicht mehr ein.

Infinite DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt