FÜNFZEHN/PRIMA - WAS DIE HOFFNUNG BRICHT

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Machtlos. Je mehr Prima zu ergründen versucht, was sie zum ständigen Opfer werden lässt, desto machtloser fühlt sie sich. Denn genau das ist das Problem: All die Macht, die sie früher hatte und nicht zu schätzen wusste, wurde ihr auf einen Schlag genommen. Und das ist es, was sie sich zurückerobern muss: Macht, vielleicht sogar Respekt.

Das Messer des Mediziners liegt schwer in ihrer Hand, als sie die scharfe Linie zwischen Luft und Stahl mit den Augen abtastet. Der blutige Weg ist oftmals auch der einfachste. Sie lächelt. Dann wickelt sie das Messer wieder in das grob gewobene Tuch und versteckt es seitlich zwischen Matratze und Lattenrost. Aber noch nicht. Zuerst braucht sie die Grundlagen, dann kann sie sich ihre Rache holen.

Erstarrt bleibt sie vor dem Plakat stehen und kann es kaum glauben. Wie hat sie das nur vergessen können?

Prima bemerkt, wie neben ihr jemand zum Stehen kommt und wendet sich Austin zu, der sie mit gerunzelter Stirn beobachtet.

»Was ist?«, will sie wissen.

Er verschränkt die Arme vor der Brust. »Du grinst, als wären gerade all deine Wünsche in Erfüllung gegangen«, stellt er fest.

Prima lässt sich ihre Freude nicht durch seine abweisende Haltung verderben, sondern deutet überschwänglich auf das Plakat. »Natürlich! Das ist unsere Möglichkeit, aus diesem Drecksloch herauszukommen. Das ist unsere Chance, einen Neuanfang in Elayra zu starten, ohne dass die Vergehen unserer Geschwister uns auf ewig nachhängen.«

Austin zieht ungläubig die Augenbrauen hoch, dann beginnt er zu lachen. »Das glaubst du doch nicht wirklich, oder? Erinnerst du dich denn nicht mehr? Die Adaption war überhaupt erst der Grund, weshalb wir in diese Lage geraten sind.«

»Nein«, bestreitet Prima verärgert, »der Grund war Cara. Und Jackson. Sie haben unsere Familien zerstört.«

»Ach, komm schon«, stößt Austin genervt aus, »das glaubst du doch nicht wirklich. Die Adaption ist eine Farce, um die Bürger zu kontrollieren und ihnen gerade genug Hoffnung auf Besserung zu geben, dass sie sich nicht gegen Elayra wehren. Und wenn der Adaptionstest dann nicht so gut ausgefallen ist, geben sich die Bürger selbst die Schuld daran, anstatt den Fehler im System zu suchen.«

Prima verengt die Augen zu Schlitzen. »Du bist also einer der Verschwörungstheoretiker«, stellt sie leicht spöttisch fest.

»Oh bitte«, begehrt er herablassend auf. »Aber bitte sehr, wenn du dich dann besser fühlst.«

»Erinnerst du dich nicht mehr an den Abend?«, will Prima nun tatsächlich überrascht wissen.

»Welcher Abend?«

»Der Abend nach der Bekanntgabe der Testergebnisse natürlich.« Prima schüttelt traurig den Kopf. »Die Adaption war nicht Schuld an dem, was danach geschah. Cara und Jackson waren das Traumpaar ihres Jahrgangs, ihnen stand ein erfülltes Leben in den höchsten Kreisen bevor.«

Austin zuckt die Schultern. »Der Tag war langweilig, hab ich ziemlich aus meinem Gedächtnis verdrängt.«

Doch Prima hat keineswegs vergessen ...

Prima lugte kichernd unter der Tischdecke hindurch, dann drehte sie sich dem Jungen hinter sich zu. »Austin, wir müssen leise sein! Du kannst nicht solche Sachen sagen und erwarten, dass ich nicht lachen muss!«

Jacksons Bruder hob kapitulierend die Hände, doch das Grinsen auf seinem Gesicht sprach ebensolche Bände wie das neckische Funkeln in seinen Augen.

Die beiden Kinder hatten herausgefunden, dass Tische bei solch verklemmten Anlässen das perfekte Versteck darstellen, weil keiner der Gäste sich jemals dazu herablassen würde, sich zu bücken und in Bodennähe etwas zu suchen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 16, 2020 ⏰

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