»Gib's einfach zu, Granger, du hast keine Ahnung, wo wir sind!«, sage ich zum wiederholten Mal und auch dieses Mal bekomme ich nicht mehr als einen wütenden Blick zur Antwort. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir schon durch die immer gleich aussehenden Gassen von Aberdeen laufen, doch mich verlässt langsam die Lust hierauf und wenn sie nicht endlich mal zugibt, dass sie keine Ahnung hat was sie da eigentlich tut, dann werde ich vermutlich durchdrehen. »Ich meine, dein Orientierungssinn in allen Ehren, aber das sieht in der Tat nur wenig professionell aus.«
»Könntest du jetzt bitte einfach mal die Klappe halten, Malfoy? Ich bin mir sicher, dass das die richtige Gegend ist, ich muss nur noch die... HA!«, stößt sie einen triumphierenden Schrei aus und zeigt auf eine kleine Häuserreihe auf der anderen Straßenseite. »Das kenne ich, wir müssen nur noch die Straße runter, dann sind wir da!« Und ohne sich weiter darum zu kümmern ob ich hinterherkomme oder nicht, ist sie auch schon auf und davon. Ich hingegen lasse mir mehr Zeit, denn vermutlich stehen wir sowieso wieder nur einmal mehr vor einem Haus, das nur beinahe das richtige ist. Genau das hatten wir in der letzten halben Stunde schon etwa ein dutzend Mal und ich schwöre bei Slytherin, wenn sie jetzt schon wieder so gnadenlos danebenliegt, drehe ich auf dem Absatz um und gehe einfach in die entgegengesetzte Richtung davon. Doch schon von Weitem sehe ich, dass etwas anders ist. Granger steht auf dem Gehweg und sieht aus, als hätte sie einen Geist gesehen. In ihren Augen steht der pure Unglaube geschrieben und ich folge ihrem Blick, der auf einem kleinen Buchladen liegt, während ich nun hämisch grinsend neben sie trete und meine Arme vor der Brust verschränke. » Lass mich raten, das ist es nicht?«
»Doch! Also ich meine... nein. Aber hier sollte es sein. Da vorne ist der Bäcker, bei dem wir immer frühstücken, wenn wir zu Besuch sind und hier« sie zeigt auf das Haus nebenan »siehst du die himmelblaue Eingangstüre? Das ist ganz sicher das Nachbarhaus. Ich bin mir sicher, aber... aber...« Ihre Stimme hat einen verzweifelten Tonfall angenommen und sie sackt in sich zusammen und schlägt sich die Hände vor den Mund, während in ihre Augen ein verräterischer Glanz tritt. »Es ist nicht da, Malfoy.« Diese Tatsache trifft mich nicht ganz so unerwartet wie es bei ihr scheinbar der Fall ist und ich atme einmal tief durch.
»Dann wäre jetzt wohl Zeit für Plan B, oder?«, will ich wissen und habe gleichzeitig nicht die geringste Ahnung, wie Plan B aussehen könnte.
»Und wie soll der bitte aussehen?«, faucht sie mich nun an und wirbelt herum, um mich aufgebracht nieder zu starren. »Es gibt keinen verdammten Plan B! Wir sitzen hier fest und werden nie wieder nach Hause kommen! Wir... wir... SCHEISSE!«, ruft sie nun wütend aus und genau in diesem Moment kommt eine ältere Frau aus dem Buchladen und sieht missbilligend in unsere Richtung, während sie kopfschüttelnd an uns vorbeigeht.
„Granger, jetzt komm mal runter«, fahre ich sie in einer gemäßigten Lautstärke an. »Es war von vorne herein nicht sicher, dass hier irgendwer wohnt, den du kennst, also komm drüber weg und lass uns überlegen, was wir jetzt machen.« Ich habe nämlich keine Lust, mit einer hysterischen Gryffindor hier gestrandet zu sein. Die normale, nervige Granger reicht mir schon, da muss sie nicht auch noch durchdrehen.
Es dauert einen Moment, bis sie sich wieder gefasst hat und nun ihrerseits mehrmals tief durchatmet, ehe sie erschlagen den Kopf schüttelt.
»Ich habe keine Ahnung, was wir jetzt tun sollen. Ich habe so sehr gehofft, dass Mum's Schwester hier existiert. Es... tut mir leid.«
Ich versuche, nicht allzu genervt dreinzuschauen, was mir wahrscheinlich kein bisschen gelingt und zucke nur mit den Schultern. »Da vorne ist ja immerhin diese Bäckerei, lass uns etwas zu Essen holen und dann weiter sehn.«
Bewaffnet mit einigen Brötchen und einer Flasche Wasser kommen wir wieder aus der kleinen Bäckerei und gehen nun schweigend nebeneinander her. Es fühlt sich seltsam an, kein Ziel mehr vor Augen zu haben. Bisher waren wir damit beschäftigt, irgendwie nach Aberdeen zu kommen, doch jetzt, wo wir hier sind und wissen, dass womöglich niemand aus unserem richtigen Leben hier existiert, sind wir nur noch Gestrandete. Und das in einer Welt ohne Zauberei und in der ich lediglich Granger kenne, sonst niemanden. Dieser Gedanke ist auf höchst absurde Art und Weise erschreckend und tröstlich zugleich und das Gefühl, das sich dabei in mir ausbreitet, macht mir – zugegeben - ein wenig Angst.
Etwas außerhalb des Stadtzentrums, nahe dem Wohngebiet, in dem wir uns bis eben noch befunden haben, finden wir einen kleinen Park und lassen uns auf einer Bank nieder, die auch schon bessere Tage gesehen hat, denn der weiße Lack ist an vielen Stellen abgesplittert. Schweigsam beginnen wir, unsere Brötchen zu essen und Granger ist auffallend ruhig. Ich bin mir nicht sicher, ob sie noch in tiefer Trauer darüber ist, dass wir ihre Tante nicht angetroffen haben, oder ob sie – ganz Granger-typisch – vielleicht schon an einem Plan B arbeitet. Ich hoffe wirklich auf die zweite Option, denn ich selbst habe nicht die geringste Ahnung, was wir jetzt tun sollen.
»Wir müssen schauen, wo wir heute Nacht bleiben können«, fängt sie dann plötzlich völlig unvermittelt an. »Und morgen sollten wir uns Gedanken über Geld machen. Mit Glück finden wir nachher ein günstiges Bed and Breakfast, aber mein Muggelgeld reicht maximal noch für zwei Tage, befürchte ich.« Ich schlucke, nicke jedoch nur matt auf ihre Worte hin, während ich eine Gruppe Jugendliche beobachte, die gegenüber auf der Rasenfläche irgendein Ballspiel spielt. Mir ist klar, dass wir dringend Geld brauchen um zu überleben, doch wie zum Teufel sollen wir das bitte anstellen? Mein Blick fällt beinahe wie zufällig auf meine linke Hand und den Ring, der mich fast schön höhnisch anblitzt – ein Familienerbstück mit dem Wappen der Malfoys. Mir kommt eine Idee.
»Granger, meinst du, dass man Schmuck zu Geld machen kann in dieser Stadt?« Sie sieht mich an und blinzelt zweimal kurz, ehe sie nachdenklich ihre Stirn in Falten legt. Mit ihrer linken Hand greift sie geradezu mechanisch an das Armband an ihrem rechten Handgelenk und ich komme nicht umhin mich zu fragen, ob dieses Schmuckstück wohl eine tiefere Bedeutung für sie haben könnte.
»Vermutlich schon, doch ich bezweifle, dass wir für mein Armband und meine Halskette viel Geld bekommen würden. Das ist im besten Fall versilbert, also...«
Ich ziehe meinen Ring vom Finger und drücke ihr ihn in die Hand, während ich gleichzeitig ihren überraschten Blick ignoriere, den sie mir zuwirft. »Hier, der bringt uns sicher durch die nächsten zwei Wochen, vielleicht auch länger.« Ich wundere mich nicht mal darüber, dass es mir nicht das Geringste ausmacht, den Ring nun herzugeben. Was nützt er mir hier schon? Granger macht große Augen und starrt von mir zu dem Schmuckstück in ihrer Hand und wieder zurück.
»Das geht nicht, Malfoy. Ich meine...« Sie stockt und schüttelt den Kopf so, dass sich ein paar Ihrer Locken aus dem locker gebundenen Zopf lösen »das ist sicher ein Familienerbstück und hat emotionalen Wert!« Beinahe muss ich über ihre Reaktion lachen. Ich schnaube.
»Wert ja, emotional eher nicht. Ich denke...«, halte ich inne und wäge meine nächsten Worte vorsichtig ab »vielleicht ist es besser, nicht mehr an meine Vergangenheit erinnert zu werden«, zucke ich abschließend mit den Schultern und lehne mich auf der Bank zurück, während mein Blick wieder zu den Kids schweift, die lachend über die Wiese rennen und sich gegenseitig mit Rufen anfeuern und frage mich gleichzeitig, wann ich das letzte Mal etwas einfach nur zum Spaß getan habe und nicht, weil ich es musste. Quidditch vielleicht. Naja, zumindest zum Teil, denn Lucius hatte damals so ziemlich alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit ich ins Team von Slytherin komme, nur, weil Potter ebenfalls in seiner Hausmannschaft war. Ich seufze.
»Granger, wir sollten dringend ein wenig Spaß haben.« Ich spüre ihren Blick auf mir und bin mir sicher, dass dieser recht ungläubig sein muss, doch ich starre weiterhin stur geradeaus. Es dauert ein paar Augenblicke, bis sie offenbar ihre Sprache wiedergefunden hat.
»Aha«, sagt sie trocken und ich schmunzle. »Dir ist aber schon klar, dass wir ein echtes Problem haben, weil wir hier in einer verdammten Parallelwelt festhängen und all das?«, will sie pikiert wissen und ich rolle mit den Augen, weil sie nervt.
»Natürlich.«
»Gut, ich habe schon befürchtet, dass dein Hirn unterwegs verloren gegangen ist.« Ihr spöttischer Ton veranlasst mich nun doch dazu, sie anzusehen. Ihre Augen funkeln wütend und schießen kleine Giftpfeile in meine Richtung und ihre Lippen sind lediglich noch ein schmaler Strich, der ihr sonst eigentlich recht ebenmäßiges Gesicht in eine weniger schöne Grimasse entstellt, so sehr presst sie diese aufeinander.
»Umso wichtiger, dass wir uns nicht jeden Tag in Selbstmittleid baden, oder? Rumheulen bringt uns auch nicht weiter.« Scheinbar habe ich mal wieder das Falsche gesagt, denn sie springt nun ruckartig auf und starrt mich wütend nieder. Für einen kurzen Moment wundert es mich, dass sie so schnelle Reflexe hat, doch der Gedanke ist mit Ihren nächsten Worten bereits verflogen.
»Wenn dir mein Rumgeheule so auf die Nerven geht, dann hau doch einfach ab, Malfoy! Na los, verschwinde!« Ich ziehe eine Augenbraue in die Höhe und verkneife mir den Kommentar, dass ich das längst vorgehabt habe, sie selbst jedoch der Ansicht war, dass wir unbedingt und zwingend zusammenbleiben müssten. »Ach weißt du was? Vergiss es!«, faucht sie dann und wenn mich nicht alles täuscht, dann steht sie wieder kurz vor einem Nervenzusammenbruch, denn in Ihren Augen stehen schon wieder die Tränen und ich tu mir im Moment wirklich sehr leid. Was hab ich eigentlich verbrochen, dass ich damit gestraft werde? Doch bevor ich mir darüber weitere Gedanken machen kann, ist sie schon herumgewirbelt und etwas lauter als nötig davon gestapft. Ich bin für den Moment so überrumpelt, dass mir nichts weiter bleibt, als ihr mit leicht geöffnetem Mund hinterher zu starren, doch plötzlich durchfährt mich die Erkenntnis, dass sie mich hier eiskalt einfach sitzenlässt.
»Granger!«, rufe ich ihr hinterher und bemühe mich darum, jegliche Art von Überraschung oder Verzweiflung aus meiner Stimme zu verbannen, doch alles, was ich zur Antwort erhalte, ist ihr erhobener Mittelfinger, den sie mir mit einer fuchtelnden Bewegung über ihrem Kopf präsentiert und das, ohne sich nochmals umzudrehen. Wenige Sekunden später ist sie um die nächste Ecke zwischen den granitgrauen Wohnhäusern verschwunden. Resignierend fahre ich mir mit der Hand über mein Gesicht und lasse mich erschlagen zurück auf die Parkbank sinken. Ernsthaft, bei dieser Gryffindor und ihren Launen bekommt man geradezu ein Schleudertrauma. Müsste ich wetten, würde ich sagen, dass Madame schon in wenigen Augenblicken wieder hier steht und sich für ihren überdramatischen Abgang von gerade eben entschuldigt, doch die Wette gegen mich selbst hätte ich wohl haushoch verloren, denn Granger kommt nicht wieder. Nicht in den nächsten Minuten und auch nicht in der nächsten Stunde.
Ich sitze hier und beobachte, wie Mütter ihre Kinder zum Abendessen nach Hause rufen, stelle fest, dass die Sonne schon verdächtig tief steht und irgendwann hat meine Laune absolut ihren Tiefpunkt erreicht, denn dieses dumme Schlammblut wagt es, einfach abzuhauen und mich hier sitzen zu lassen wie einen Idioten. Wohlgemerkt ohne meinen Ring, denn den hat sie mitgenommen. Was zur Hölle soll ich jetzt machen? Ohne Geld, ohne eine Ahnung wo zum Teufel ich eigentlich bin und... ja, ich gebe es zu – ohne Granger?
»Fuck!«, fluche ich laut und stehe energisch auf, was mein Rücken mir mit einem stechenden Schmerz quittiert, der meine Wirbelsäule entlangfährt. Kein Wunder, nachdem ich gefühlt Stunden hier auf dieser dämlichen Bank gesessen habe und irgendwie – zugegeben – darauf gewartet habe, dass sie zurückkommt. »Zum Teufel mit dir, Granger«, murre ich, als ich mich abwende und beschließe, einfach loszulaufen. Wohin auch immer, Hauptsache weg von hier. Natürlich komme ich genau drei Meter.
»Malfoy!« Nur langsam drehe ich mich auf der Stelle und verfluche den Tag, an dem Hermine Granger meinen Weg gekreuzt hat. Dieses Mädchen ist wie eine Naturgewalt. Unvorhersehbar und genauso wenig zu kontrollieren wie ein verfluchter Hurricane. Ich bin stocksauer und verschränke abwehrend meine Arme vor dem Körper, als sie eilig zu mir aufschließt.
»Verpiss dich, Granger«, ist das erste was mir gerade einfällt und trotzdem, oder gerade deshalb, meine ich es genau wie ich es sage. Ich hasse sie im Moment auf jede erdenkliche Art und Weise und mit jeder Faser meines Körpers. Ihr überraschter Blick und ihre verdammten Rehaugen, die mich nun verschreckt anblicken, lassen mich eine Sekunde wanken, doch sofort habe ich mich wieder gefangen und setze den wütendsten Blick auf, den ich zustande bringe.
»Wie bitte?«, kommt es leise von ihr und ich kann nicht fassen, dass sie anscheinend keine Ahnung hat, wie sauer ich wirklich bin und vor allem warum.
»Du hast Nerven, hier wiederaufzutauchen, nachdem du mich den halben Tag wie einen Idioten hast sitzen lassen. Ich kann dich gerne daran erinnern, dass es deine verfluchte Idee war, zusammen zu bleiben! Aber weißt du was? Damit ist nun Schluss, ich verschwinde. Viel Glück und grüß Potter und Wiesel von mir, solltest du jemals wieder zurückkommen. Ich bin raus, ich hab keinen Bock mehr.« Mit diesen Worten will ich mich gerade wieder von ihr abwenden um meine Aussage zu untermauern, da besitzt sie doch tatsächlich die Dreistigkeit, mich am Arm zu fassen und aufzuhalten.
»Warte... bitte.«
Ich knurre unheilvoll. »Du machst mir echt Kopfschmerzen, weißt du das?« Doch noch während ich das sage, weiß ich, dass ich eigentlich, tief in meinem Inneren erleichtert darüber bin, dass sie wieder da ist. Irgendwie.
»Ich wollte nicht so lange fortbleiben, aber ich hab lange gebraucht, bis ich endlich einen Juwelier gefunden hatte, der tatsächlich Interesse an deinem Ring hatte und dann hab ich einen falschen Weg zurück genommen, was gut war, denn ich hab uns Klamotten besorgt und außerdem eine Unterkunft gefunden, gar nicht allzu weit von hier und...«
»Halt mal, warte. Stopp. Du hast was?« Ich vergesse durch ihre Worte sogar für einen kurzen Moment, dass ich eigentlich echt sauer auf sie bin, weil sie mich sitzen gelassen hat, denn jetzt bin ich noch viel wütender, als mir die Tasche auffällt, die sie in der Hand hat. Sie weicht einen kleinen Schritt zurück und zieht ihre Hand von meinem Oberarm und für einen winzigen Moment sieht sie aus, als hätte sie jemand getreten.
»Ich dachte es wäre okay für dich mit dem Ring, aber wir können ihn sicher zurückholen, wenn...«
»Nicht darum«, winke ich unwirsch ab und zeige anklagend auf die Tragetasche in ihrer Hand. »Was soll das heißen, du hast Klamotten?«, will ich unheilvoll wissen und Granger schluckt.
»Nun, wir brauchen welche und da die Läden schon beinahe zu hatten, bin ich schnell welche kaufen gegangen, ich... also...« Sie sucht nach Worten und ich fahre mir erschlagen mit der Hand übers Gesicht.
»Ich nehme alles zurück, du bist ein verfluchter Tornado.« Meine Worte sind lediglich ein Flüstern und ich glaube nicht, dass sie verstanden hat, was ich gesagt habe, aber scheinbar hat sie es doch, denn die Verwirrung, die ihr ins Gesicht geschrieben steht, spricht Bände. Ich winke ab. »Okay« ich atme tief ein und aus »bitte sag mir, dass du mir keine Unterwäsche gekauft hast.« Sie blinzelt, einmal, zweimal und ich ahne Schreckliches.
»Also um ehrlich zu sein...«
Ich kann nichts gegen das frustrierte und doch laute Lachen tun, dass sich tief aus meinem Inneren an die Oberfläche kämpft. Ehrlich, mir wäre gerade wirklich nach Alkohol. Oder danach, mich eigenhändig in der Nordsee zu ertränken. Das müsste sogar machbar sein, denn wir sind hier an der verdammten Küste.
»Es gibt Grenzen, Granger«, meine ich nach einem Moment der Fassungslosigkeit ernst und sehe sie eindringlich an. »Und meine Unterwäsche ist definitiv eine davon.« Einen langen, nicht enden wollenden Moment, legt sich eine seltsame Stille zwischen uns in der ich selbst erst langsam realisiere, was ich da gerade gesagt habe, und wie sich das im Nachhinein anhört. Das Prusten, das daraufhin aus Grangers Mund kommt, lässt mich kurz überrascht zusammenzucken und ich hätte es nicht für möglich gehalten, doch sie lacht schallend auf und schlägt sich in der nächsten Sekunde die Hand vor den Mund. Es dauert eine Weile bis sie unter unterdrücktem Lachen etwas antwortet.
»Hat sich das nur für mich vollkommen dämlich angehört?«, gluckst sie und das ist der Moment, der sämtliche Wut auf diese Gryffindor vor mir im Nirvana verpuffen lässt. Seit wir hier gelandet sind, hat Granger nicht ein einziges Mal auf diese Art und Weise gelacht und die Tatsache, dass ich mich darüber freue, anstatt der ständigen Tränen einmal ihr Lachen zu sehen, verwirrt mich, aber auf eine gute Art und Weise.
»Auf komm, zeig mir das doofe Hotel, für heute reicht es mir«, schnappe ich, um von meiner Verwirrung abzulenken und nicke auffordernd in ihre Richtung. Kopfschüttelnd schlägt sie den Weg ein, aus dem wir gekommen sind und kramt geschäftig in ihrer Jackentasche herum, ehe sie mir ein Bündel Geldscheine in die Hand drückt, als ich zu ihr aufgeschlossen habe.
»Hier, das ist alles, was ich für den Ring bekommen habe. Und es ist mehr als ich gedacht hätte im Übrigen.« Ich staune nicht schlecht, denn beim kurzen Überschlagen stelle ich fest, dass es tatsächlich eine Menge Geld ist. Ich kenne mich zugegebener Maßen nicht wirklich gut mit Muggelgeld aus, aber ich erkenne sehr wohl, dass es eine beträchtliche Summe sein muss.
»Wieviel ist das?«, will ich wissen und schiebe das Bündel schleunigst in die Innentasche meiner Jacke. Es muss ja nicht sein, dass irgendjemand sieht, dass wir hier mit einem Haufen Geld durch die Gegend laufen.
»2.128 Pfund. Das sind in etwa... 351 Galleonen«, beeilt sie sich zu sagen und ich bin vielleicht ein klein wenig beeindruckt, dass sie das so schnell im Kopf umgerechnet hat. Das ist um ehrlich zu sein eine nicht gerade kleine Summe und ich nicke anerkennend.
»Nicht schlecht. Hätte nicht gedacht, dass der Klunker so viel Wert ist.« Das hätte ich wirklich nicht.
»Er war aus Platin und der grüne Stein unter dem Wappen war ein Smaragd. Nicht, dass es mich wundern würde.« Sie macht eine seltsame Geste mit ihrer Hand, die mir wohl verdeutlichen soll, was sie von meiner Familie im Allgemeinen hält und ich schnaube. Einen Kommentar darauf verkneife ich mir allerdings. »Naja, immerhin hast du jetzt die Jackentasche voller Muggelgeld, so wie du es dir noch gestern gewünscht hast.« Sie stockt für einen kurzen Moment und es scheint, als würde sie sich ihre nächsten Worte sorgfältig zurechtlegen. »Tut mir aber wirklich leid um den Ring, Malfoy. Ich meine, auch wenn du sagst er bedeutet dir nichts...« Ich höre ihr jedoch schon gar nicht mehr zu, denn es fühlt sich gerade an, als hätte mir jemand einen Eimer Eiswasser über den Kopf geschüttet. Was hat sie gerade gesagt? Ihre Worte hallen in meinen Ohren nach.
Wie du es dir noch gestern gewünscht hast.
Nein, das kann nicht sein, oder? Meine Gedanken scheinen zu rotieren und mir wird schwindelig. Granger hat sich French Toast gewünscht – den sie später bekommen hat. Ich habe mir Muggelgeld gewünscht, welches ich jetzt in der Tasche habe. Grangers Theorie, dass wir noch immer im Raum der Wünsche festhängen... aber nein, das ist unmöglich. Viel eher könnten diese Dinge auch einfach nur dem Zufall geschuldet sein. Aber was, wenn nicht? Besteht nicht vielleicht doch die winzige Möglichkeit, dass... aber wenn es so ist, wieso dann zeitversetzt? Das macht überhaupt keinen Sinn. Ich schüttle energisch den Kopf um den Gedanken zu vertreiben, doch ganz loslassen möchte er mich nicht. Ich bin froh, dass Granger meine Abwesenheit wohl so deutet, dass ich einfach keine Lust habe, im Moment mit ihr zu sprechen, denn sie verstummt und sagt nichts mehr, bis wir endlich an dem Hotel angekommen sind, welches sie scheinbar vorher auf ihrer Erkundungstour schon entdeckt hat. Das Hotel an sich ist ein grauer Granitklotz, wie sämtliche Bauten in dieser verfluchten Stadt und ich habe nicht mal Zeit, den Namen dieses Gasthauses zu lesen, da hat Granger mich schon durch die verglaste Eingangstür geschoben. Von innen sieht unsere Unterkunft allerdings um Welten besser aus, als es äußerlich den Anschein macht und ich lasse meinen Blick über das schlichte aber geschmackvolle Inventar in der Lobby gleiten und denke, dass man es hier durchaus aushalten kann. Alles ist besser, als diese scheußliche Blumentapete.
»Mein Geld ist für die Klamotten draufgegangen«, unterbricht Granger meine Gedanken und sieht mich auffordernd an. Das ist dann wohl mein Stichwort und ich gehe zum Empfangstresen, wo ein gut gekleideter, junger Mann mit dunklen Haaren sitzt und uns breit angrinst.
»Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Wir brauchen zwei Einzelzimmer für eine Nacht«, antworte ich knapp und schicke gleichzeitig einen warnenden Blick zu Granger, die mittlerweile neben mir steht und gerade nach Luft schnappt, unter meinem Blick jedoch sofort verstummt. Der Typ hackt etwas in den komischen Kasten, den auch schon diese Fiona hatte und lächelt uns dann strahlend entgegen.
»Sie haben Glück, das sind die beiden letzten verfügbaren Einzelzimmer. Hier bitte«, schiebt er uns jeweils ein Formular entgegen und ich bekomme große Augen. »Die müssten Sie mir lediglich noch ausfüllen.« Vor uns liegt ein Fragebogen, in den wir unsere Personalien sowie Adresse eintragen müssen. Ich werfe einen schnellen Blick zu Granger, doch die füllt bereits die vorgezeichneten Felder aus.
»Granger«, raune ich und stoße ihr mit dem Ellenbogen in die Rippen.
»Was ist denn?«
»Ich habe keine Adresse«, flüstere ich zerknirscht und hoffe, dass der Typ das nicht hört, doch der hantiert gerade am Schlüsselkasten herum und beachtet uns im Moment nicht weiter.
»Nimm einfach deine richtige, das kontrolliert doch sowieso keiner und dient nur zur Sicherheit, falls man irgendwas vom Inventar kaputt macht.« Sie besitzt doch tatsächlich die Dreistigkeit und rollt mit den Augen.
»Du verstehst nicht...«, sage ich. »Das Manor hat keine Postadresse.«
»Oh.«
»Ja, oh!«
Sie scheint einen Moment nachzudenken und nimmt dann mein Formular an sich und ehe ich mich versehe, steht dort eine komplette Adresse inklusive einer... Telefonnummer, was auch immer das bedeuten soll. Gut, wenn sie meint. Ich zucke mit den Schultern, als ich meine Unterschrift auf den Wisch setze. Nur wenige Sekunden später haben wir zwei Schlüssel vor uns liegen, an denen jeweils ein Messingschild mit einer Nummer hängt.
»Möchten Sie bar oder mit Karte zahlen?« Die Frage überrumpelt mich schon wieder und nicht das erste Mal kotzt es mich an, dass ich Muggelkunde nicht weiterverfolgt habe. Karte? Welche Karte?
Ich hole daher das Geldbündel aus der Tasche und zähle den Betrag ab, den mir der Kerl nennt. Verwundert stelle ich fest, dass der jedoch große Augen bekommt, als sein Blick auf die Scheine in meiner Hand fällt und ein Grinsen legt sich auf mein Gesicht. Es fühlt sich gut an, die Dinge wieder unter Kontrolle zu haben. Scheinbar kontrolliert Geld nicht nur die Zauber- sondern auch die Muggelwelt.
»Sollten Sie sonst noch etwas benötigen, Mr Malfoy, lassen Sie es mich oder einen von meinen Kollegen wissen. Wir freuen uns sehr, Sie bei uns als Gast begrüßen zu dürfen.« Er reicht Granger und mir jeweils einen Schlüssel und nickt uns höflich zu.
»Danke«, erwidere ich, recke mein Kinn ein wenig in die Höhe und wende mich ohne weitere Worte ab. Granger schnaubt verächtlich, während wir in den nächsten Aufzug steigen und in den dritten Stock fahren. Dieses Ding sieht allerdings anders aus, als die Aufzüge im Ministerium. Viel weniger verschnörkelt und bei weitem rattert er nicht so sehr.
»Das muss dir ja einen enormen Ego-Schub verpasst haben, so wie der Rezeptionist dir gerade in den Hintern gekrochen ist.« Ihre trockenen Worte veranlassen mich dazu, sie fragend anzusehen.
»Geld regiert die Welt, Granger. Ich dachte das wüsstest du? Immerhin bist du jahrelang mit Potter und Weasley rumgehangen.« Mit meinen verächtlichen Worten wollte ich sie eigentlich ärgern. Nicht gerechnet hätte ich jedoch damit, dass sie mich jetzt höhnisch angrinst.
»Witzig, Malfoy. Wo du doch nun offiziell unter Harrys Adresse hier angemeldet bist.«
»Potters Adresse? Ist das dein verdammter Ernst?«
Sie zuckt lediglich mit den Schultern. »Meine eigene hatte ich bereits auf meinem Formular angegeben, also musste ich improvisieren.« Ihre freie Hand spielt mit einer Strähne ihrer Haare und den unschuldigen Blick, den sie aufgesetzt hat, kann ich ihr nicht so recht abnehmen. Aber im Grunde genommen ist es egal. Alles ist egal, denn es ist absoluter Schwachsinn, sich über solche Kleinigkeiten aufzuregen. Viel eher sollten wir uns Gedanken über die Zukunft machen und Pläne für die nächsten Tage schmieden, doch um ehrlich zu sein bin ich einfach nur ausgelaugt und sehne mich nach einer Dusche und ein wenig Ruhe. Vor allem vor Granger. »Übrigens ist es nicht besonders clever, zwei Zimmer zu nehmen, das ist dir hoffentlich klar? Ich meine, nur weil du jetzt zufälliger Weise eine Menge Geld hast, musst du das nicht zum Fenster rauswerfen, weißt du?« Ich weiß nicht wieso, aber im Moment ist mir sogar egal, dass ich ihr insgeheim Recht gebe, doch heute brauche ich wirklich sehr dringend etwas Zeit für mich und um die letzten Tage zu verarbeiten. Während wir aus dem Aufzug in den Flur des dritten Stockwerks treten, schiebe ich meine Hand in die Tasche, ziehe abermals die Geldscheine heraus, teile diese grob auf und halte Granger eines der Bündel vor die Nase, während ich das andere wieder einstecke.
»Hier.«
»Was?« Sie blickt verwirrt von dem Geld zu mir und wieder zurück.
»Schweigegeld. Du schweigst für heute und meinetwegen entscheidest du die nächsten Tage, wo wir nächtigen. Aber heute brauch ich wirklich und ganz ehrlich meine Ruhe, Granger.« Mein Ton lässt eigentlich keine weiteren Widerworte zu, doch selbstverständlich ist ihr das vollkommen schnuppe.
»Aber das ist dein Geld«, wehrt sie ab und ich schnaube.
»Wir ziehen diese Scheiße hier offensichtlich zusammen durch, also ist es genauso gut deine Kohle. Kannst du dich nicht einfach wie ein normaler Mensch benehmen und das verdammte Geld einstecken?« Ich unterdrücke den Drang, erleichtert aufzuseufzen, als sie kommentarlos nach den Scheinen greift.
Lange klappt das mit dem Unterdrücken meiner strapazierten Nerven jedoch nicht, denn Granger sieht aus, als würde sie jede Sekunde wieder in Tränen ausbrechen. Wie kann ein einzelner Mensch so viel heulen? Klar ist es echt hart für sie, dass sie im Ungewissen ist, was ihre Freunde angeht und all das, aber ein bisschen mehr zusammen reißen könnte sie sich schon, finde ich. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, atmet sie einmal tief durch.
»Okay. Danke Malfoy, ehrlich...«
»Passt schon«, murre ich und gehe weiter den Flur entlang bis vor Zimmer 310 – das sagt zumindest die Nummer auf meinem Schlüssel.
»Ich bin gegenüber«, sagt Granger in meinem Rücken und ich höre, wie sie den Schlüssel nun ebenfalls ins Schloss schiebt. »Oh, warte!«, ruft sie da plötzlich aus und ich bin kurz davor, meinen Kopf gegen den hölzernen Türrahmen zu schlagen. Ich will wirklich einfach nur meine Ruhe. »Hier«, sagt sie und drückt mir einen kleinen Stapel Klamotten in die Hand. »Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, deinen Ansprüchen gerecht zu werden aber naja, viel mehr ging auf die Schnelle nicht.« Ohne meine Antwort abzuwarten, verzieht sie sich hastig in ihr eigenes Zimmer und ich tue es ihr Kopfschüttelnd gleich.
Das Zimmer ist in der Tat annehmbar und ich freue mich ernsthaft darüber, zumindest für heute, meine eigenen vier Wände zu haben. Diese werden darüber hinaus nicht etwa von geschmacklosen Bildern entstellt, sondern sind minimalistisch mit moderner Kunst geschmückt. Der Raum in einem angenehmen Mix aus Grau und Weiß ist groß genug, um keine Beklemmungen hier drin zu bekommen und das Beste – er ist Granger-frei! Apropos... ich blicke auf den Wust Kleidung in meinen Armen und gebe mich geschlagen. Dann mal sehen, was sie da fabriziert hat. Vorsichtig, als könnte das Zeug explodieren, lege ich es auf dem – für ein Einzelzimmer sehr großen - Doppelbett in der Mitte des Raums ab und ziehe das erste Kleidungsstück heraus. Und schon dieses lässt mich verwundert die Stirn in Falten legen, denn das schlichte, schwarze buttondown Hemd ist tatsächlich ansehnlich und kein modischer Schlag in die Fresse, so wie ich eigentlich angenommen hatte. Ähnlich sieht es mit dem Pullover in einem dunklen Blau aus, der sich wirklich bequem anfühlt und ich bin sogar versucht, ihn mir direkt anzuziehen. Scheinbar hat Granger es sogar geschafft, meine Größe abzuschätzen. Die Jeans hingegen bringt mich zum Lachen, denn ich weiß nicht was sie sich dabei gedacht hat, aber scheinbar denkt sie, ich bin der Typ für den Punk-Look inklusive Löchern in der Jeans. Wobei... warum nicht? Schnell habe ich mich meiner schwarzen Stoffhose entledigt und bin in die neue Jeans gestiegen. Die passt wundersamer Weise wie angegossen und ein Blick in den Spiegel bestätigt mir, dass die Gryffindor gar nicht so verkehrt lag, denn das Ding ist zwar gewöhnungsbedürftig aber nicht ganz übel. Okay, was haben wir noch? Schwarze Socken, schwarzes Shirt und... schwarze Boxershorts. Ich fasse es einfach nicht, dass Granger mir Unterwäsche besorgt hat aber womöglich ist es Glück im Unglück, dass ausgerechnet sie tatsächlich so was Ähnliches wie Geschmack vorzuweisen hat. Vielleicht hätte sie besser mal Potter oder Weasley eine Modeberatung verpasst. Der Gedanke lässt mich schmunzeln und ich hätte es zwar nicht für möglich gehalten, doch mich überkommt ein Anflug von Dankbarkeit für Granger und ich weiß nicht genau wo das herkommt, aber ich beschließe in diesem Moment, ein wenig netter zu ihr zu sein. Ab morgen. Jetzt genieße ich erst Mal die Ruhe und mache mich auf den Weg ins Badezimmer. Es wird dringend Zeit für eine Dusche.
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Da und Fort - die geschenkte Zeit
FanfictionDie Schlacht um Hogwarts ist in vollem Gange und Draco trifft eine Entscheidung, die nicht nur sein Leben, sondern auch das von Hermine Granger völlig auf den Kopf stellt, denn plötzlich - ist Hogwarts verschwunden! Leseprobe: ... »Was meinst...