Am nächsten Tag war ich für 15 Uhr mit Pattie verabredet. Sie hatte für mich einen Termin bei einem Psychologen vereinbart. Um ehrlich zu sein, hatte ich keinen Bock auf Psycho-Gerede und war noch immer enttäuscht von Pattie, weil sie mich so im Stich gelassen hatte. Aber sie versprach mir hoch und heilig, dass sie mir helfen wollte und um Stress zu vermeiden, ließ ich mich auf das Gespräch ein. Doch ich stelle klar, dass ich nicht mehr hingehen würde, wenn ich es nicht wollte.
Der Doktor wollte zuerst mit mir alleine sprechen, danach durfte auch Justins Mutter in das Ordinationszimmer kommen. Weshalb ich bei ihm war wusste er schon von Patties Erzählungen. Außerdem musste man mich nur ansehen, um zu erkennen, dass mein viel zu dünner Körper mit Narben bedeckt war. Ich schämte mich. Mittlerweile wog ich 54 Kilo. Bei einer Größe von 1.78 war das definitiv Untergewicht, doch nicht lebensgefährlich. Es war klar, dass ich nicht das typische Bulimie-Mädchen war, das ungesundes Zeug nach der Reihe in sich hineinstopfte um anschließend alles wieder auszukotzen. Ich aß in normalen Verhältnissen, allerdings fühlte es sich manchmal nicht richtig an, satt zu sein und dann steckte ich mir eben den Finger in den Hals. Ich war noch nicht richtig krank, doch der Arzt meinte, dass es bald soweit sein hätte können, wenn ich nicht zu ihm gekommen wäre.
Der Psychologe stellte Fragen und ich antwortete. Es war wie bei einem Verhör. Seltsamerweise fiel es mir in seiner Gegenwart um einiges leichter, über meine Sorgen zu sprechen, als sonst. Ich erzählte von meiner Mutter, meiner verstorbenen Großmutter, meinem Selbsthass und davon, dass ich mich seit dem Tod meiner Oma erst ein einziges Mal wieder zu meinem geliebten Klavier gesetzt und gespielt hatte.
Auf die Frage: „Was magst du an dir?“ wusste ich zuerst keine Antwort und schwieg.
„Jeder Mensch hat etwas an sich, dass er mag. Das hat nichts mit Arroganz oder Selbstsucht zu tun, sondern gehört zu einem gesunden Selbstbewusstsein. Überleg dir bis zum nächsten Mal ein einziges Merkmal an dir, das du gut findest. Ich bin sicher, du wirst eines finden.“, meinte der Mann.
„Ich glaube, es gibt doch etwas an mir, dass ich mag. Mögen ist untertrieben, eigentlich liebe ich es von ganzem Herzen.“, fiel mir schließlich auf.
Als der Arzt mir in die Augen sah, jedoch nichts weiter sagte, wusste ich, dass er auf mehr wartete.
„Meinen Freund. Justin. Seinetwegen bin ich noch hier, unter all den Menschen.“
„Nun, dein Freund ist zwar kein Merkmal von dir, aber ich verstehe was du meinst. Er ist ein Teil von dir. Der Teil, der dich am Leben hält, stimmt’s?“, fragte der Psychologe mit einem Lächeln.
Ich nickte unbeholfen. Irgendwie kam ich mir albern vor. Aber ich wollte ehrlich sein. Denn von Anfang an wurde mir klargemacht, dass ich in eine Klink käme, wenn ich nicht dazu bereit war, die Hilfe des Psychologen anzunehmen. Und ein Aufenthalt dort war der Albtraum schlechthin. Ich war kein Psycho, wie all die anderen dort. Mit ihnen wollte ich nichts zu tun haben. Ich gehörte nachhause, zu Justin und zu Sofi. Das half meiner Genesung, aber ganz bestimmt keine kranken Teenies, dessen Probleme mich zusätzlich zu meinen auch noch belasten würde.
Und auch, wenn es mich Überwindung kostete und ich überhaupt nicht begeistert davon war, vereinbarte ich weitere Einzelgespräche und versprach, auch zum nächsten Gruppentermin zu erscheinen.
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Lifesaver - A Justin Bieber Story
RomanceEine Geschichte, die über Selbsthass und Hilfslosigkeit, und auf der anderen Seite über die Liebe und den Zusammenhalt erzählt. Die handelnden Personen sind frei erfunden, namentlich kommen Justin Bieber und dessen Mutter Pattie Mallette vor, die al...