Kapitel 10

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Merlania saß auf dem Bett ihrer Zelle. In den letzten Jahren hatte sich hier viel verändert. Die Zellen waren größer geworden, es gab ein Bad.
Mit Cermanus hatte sie das letzte mal vor ein paar Monaten gesprochen.
Früher war er öfters hinuntergekommen.
Trotz der vielen Jahre die sie hier verbracht hatte dachte sie regelmäßig an ihre Tochter.
Nichts sehnlicher wünschte sie es sich aus diesem Gefängnis herauszukommen und sich auf die Suche nach ihr zu begeben.
Plötzlich hörte sie das Krachen der schweren, weißen Eisentüren.
Sie schaute durch die Gitterstäbe ihrer Zelle hindurch.
Zwei Urven schleppten einen Jungen hinter sich her.
Dieser war mehr tot als lebendig. Seine Kleidung hing ihm in Fetzen vom Körper, die Augen waren müde, das Gesicht von Wunden übersäht.

Er hatte sehr dunkelbraune Haare, blaue Augen und war höchstwahrscheinlich Asiatischer Herkunft.
Sie schubsten ihn in die Zelle gegenüber von Merlania.
Die Wachen schlossen die Zelle ab und gingen. Das Eisentor fiel zu. Der Junge blieb reglos liegen.

Elena wachte auf. Sofort wusste sie, an welchem Ort sie war. Die Wunden schmerzten sehr und der Versuch sich zu befreien klappte nicht. Ihre Fesseln waren zu fest,  ihr Körper zu schwach.
Die Vogelstimmen hallten laut in der Lagerhalle nach.
Elena ließ ihren Blick umherschweifen. Durch den Türspalt drang Licht nach innen.
Die Decke konnte sie als bröckelig und alt erkennen. An den Wänden war buntes Graffiti mit den Sprüchen "FCK LL" oder "J+K".
Einige Tiere und sonstige Sachen konnte man ebenfalls erkennen.

Plötzlich hörte Elena Kies knirschen. Da kam jemand. Autotüren schlugen zu. Elena hoffte, dass es nicht die Urven waren.
Schritte und Stimmen übertönen die Vogelstimmen.
Einige entfernten sich, einige kamen jedoch auch näher.
Elena versuchte sich klein zu machen. Ein purer Reflex.
Sie konnte hören, dass die Stimmen nun direkt vor ihrer Tür waren.
Sie wurde tatsächlich aufgestoßen.
Fünf Jugendliche polterten in den Raum.
Als sie Elena sahen stockten sie.
Erschrockene, verwunderte und Misstrauische Blicke hatten alle drauf. Fraglich war dies nicht. Man trifft schließlich nicht jeden Tag eine fast zehnjährige, von Wunden übersäht, mehr tot als lebendig in vollkommen schwarzer Kleidung auf ein Rohr in einer alten Lagerhalle gefesselt.
Dann kamen sie näher.
Der wahrscheinliche Anführer der Truppe trat vor. Er sah Elena ins Gesicht.
"Was machst du denn hier?!", fragte er. Ohne eine Antwort abzuwarten zog er ein Messer aus der Tasche und machte sich an Elenas Fesseln zu schaffen. Erst die an den Füßen, dann die an den Händen.
Elena hatte eine Idee. Egal wer diese Leute waren. Erfnurbs waren sie nicht. Es würde ihr sehr viel ersparen, würde sie einfach hier wegkommen.
Sie würde fliehen.

Elena ließ sich vom Rohr gleiten. Sie sammelte ihre letzten Energiereserven, spannte ihre Muskeln an, wartete eine Sekunde, ging einen kleinen Schritt und dann boxte sie dem Anführer mit der Faust ins Gesicht.
Der schrie. Elena nutzte den Moment. Rannte. An den noch erstarrten anderen vier vorbei. Raus aus dem Raum. Sah den Ausgang. Sah noch viele andere Menschen. Rannte. Durch die Luft peitschte ein Schuss. Hatte man auf sie geschossen?!
Sie rannte schneller.
Nur noch fünfzig Meter bis zum Tor. Aus den Augenwinkeln sah sie jemand auf sich zurennen.
Noch dreißig Meter. Der Mensch hatte etwas schwarzes in der Hand.
noch zwanzig.
Der Mensch hob das schwarze Teil.
Zehn.
Es knallte und im selben Moment spürte Elena einen starken Schmerz im Bein. Sie geriet ins straucheln, fiel hin und die Leute kamen angerannt.
Dann wurde ihr schwarz vor Augen.

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