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Matteos Sicht

Lustlos saß sie auf der Couch, die Beine an den Bauch gezogen und starrte hinaus in den Regen. Seit Tagen hatte sie nicht mit mir gesprochen. Seit Tagen saß sie dort auf der Couch und schlief dort sogar. Ihr Gesicht zeigte keine Regung, keine Emotion spiegelte sich in ihren Augen wieder. Sie so zu sehen brach mir das Herz. Sie wirkte mehr tot als lebendig, seit wir erfahren hatten, dass unsere Kinder wahrscheinlich nicht überleben werden. Am Anfang hatte sie die ganze zeit geweint. Wir hatten uns gegenseitig beigestanden. Doch mittlerweile war sie fast nur noch ein Geist. Ihr Körper war praktisch nur eine Hülle ohne Inhalt. Auch wenn es mir mein Herz zerriss, sie weinen zu sehen, war mir das immer noch lieber, als diese leblose Gestalt, die dort auf dem Sofa hockte. Der Regen, welcher gegen die Scheiben klatschte, spiegelte die Stimmung, die eisige Kälte wieder, die sich in diesem Raum befand. Ich würde das nicht mehr lange ertragen. Luna aß nicht, sie weigerte sich zu trinken. Ich wusste echt nicht mehr weiter. Ich litt schließlich genauso stark wie sie, wenn nicht sogar noch mehr, da ich gerade auch sie verlor. Entschlossen trat ich einen Schritt nach vorne und setzte sich neben sie auf das Sofa. Vorsichtig legte ich einen Arm um sie und zog sie zu mir. Keine Regung aber immerhin wehrte sie sich nicht. „Luna, ich weiß das du mich hörst, also bitte hör mir zu. Ich weiß, wie schwer das alles für dich ist, aber hast du schon einmal daran gedacht, das ich genauso sehr leide wie du? Das es mir genauso das Herz bricht? Weißt du was mir noch das Herz bricht? Dich so zu sehen. Wie du dein Leben wegschmeißt. Du bist mehr tot als lebendig. Manchmal habe ich wirklich das Gefühl als wäre dies hier nur die Hülle einer Person, die längst von uns gegangen ist. Verdammt, Luna! Lebe dein Leben weiter! Egal was passiert, es ist noch nicht zu spät um weiter zu machen. Gib nicht einfach alles auf. Gib mich nicht auf. Das Leben hat noch so viel zu bieten. Bitte Luna. Ich brauche dich doch. Ich kann dich nicht auch noch verlieren. Ich liebe dich und werde dich immer lieben." Mittlerweile flossen mir schon Tränen die Wangen hinunter. Aber Luna regte sich nicht. Doch so schnell würde ich nicht aufgeben. Ich würde sie niemals aufgeben. Vorsichtig strich ich mit meiner Hand über ihren Bauch. Ich rutschte runter und legte meinen Kopf auf die Wölbung die man schon deutlich an ihrem Bauch erkennen konnte. Poch poch. Zwei gleichmäßige Herzschläge. „Luna, wenn du es schon nicht für mich tust, dann lebe für sie weiter. Den Babys geht es gut. Du musst weiter machen, wenn du nur daran glaubst, dann schaffst du alles. Das sagst du mir auch immer. Wo ist die Luna, die nie aufgibt? Wo ist das Mädchen, in das ich mich bei unserer ersten Begegnung verliebt habe. Kämpfe Luna, Kämpfe um dein Leben und um das unserer Kinder. Du kannst es schaffen. Es hängt an dir." Ich blickte zu ihr und plötzlich zeigte ihr Gesicht die erste Regung seit langem. Eine kleine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und kullerte ihre Wange hinab. Auch wenn es nur ein winziger Tropfen Flüssigkeit war, bedeutete er mir die Welt. Aus dieser einen Träne wurden 2, dann 3, 4, immer mehr Tränen flossen ihr die Wangen hinunter und plötzlich schluchzte sie auf. Ich nahm sie schnell in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Shhhh, ich bin ja bei dir, alles wird gut." Sie sah mich an und ich konnte ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen erkennen. „Matteo... ich liebe... euch.", flüsterte sie. Dann schloss sie die Augen und sackte einfach in meinen Armen zusammen. „Luna? Luna! Nein! Du darfst jetzt nicht sterben! Luna...", ich schrie mir die Seele aus dem Hals und schüttelte sie. Schnell stand ich auf und rief den Notarzt. Wieso hatte ich das nicht eher getan? Es war alles meine Schuld! Wenn sie sterben würde... Aber nein, sie würde es schaffen! Es war schließlich Luna von der ich hier sprach. Sie schaffte alles. Nichts konnte sich ihr in den Weg stellen! Schnell ging ich zu ihr und nahm ihr Handgelenk in meine Hand. Ihr Puls war schwach, aber er war noch vorhanden. Die Notärzte mussten sich beeilen. Wenn nicht, dann werde ich mir das nie verzeihen. Hätte Luna mich doch nie kennengelernt. Dann wäre das alles nicht passiert und ihr würde es gut gehen. Ich legte meinen Kopf auf ihre Brust und hörte auf ihren Herzschlag. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren die Notärzte endlich da und schlossen Luna an unzählige Geräte an.

Nervös ging ich auf dem Gang des Krankenhauses auf und ab. Wenn doch nur endlich einer der Ärzte herauskommen würde. Gefühlte 1000 Jahre später öffnete sich endlich die Tür und der Oberarzt trat heraus. „Herr Balsano? Soweit geht es ihrer Freundin gut. Wir haben sie für eine Weile erst einmal ins künstliche Koma versetzt. Den Babys geht es auch gut. Ihr Zustand hat sich seit der letzten Untersuchung nicht verschlechtert. Ganz im Gegenteil. Sie sind wohlauf und entwickeln sich beinahe normal. Es könnte sogar die Chance bestehen das sie es schaffen. Außerdem gibt es eine noch relativ unerforschte Methode, die daher auch entsprechend gefährlich ist, um die Babys zu retten. Wenn es zur Frühgeburt kommt, kann man sie in einer Art künstlichen Gebärmutter lassen, bis sie weit genug entwickelt sind...

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