Ohne noch ein Wort zu verlieren sprinte ich zu meinem Fahrrad. Ich glaube, ich bin noch nie in meinem Leben so schnell gerannt.
Mir Laufen die Tränen über die Wangen, obwohl ich ja gar nicht weiß, was überhaupt passiert ist. Hätte ich ihn heute morgen lieber zu Hause lassen sollen? Aber er wollte unbedingt zur Schule.
° ° °
Ich bin völlig außer Atem und völlig aufgelöst, als ich am Krankenhaus ankomme. Sofort laufe ich zum Anmeldeschalter. Dort sitzt eine freundlich aussehende Frau.
"Entschuldigen Sie. Mir wurde gesagt, dass mein kleiner Bruder namens Liam Eliot gerade hier hingebracht wurde. Können Sie mir sagen wo er ist und ob ich zu ihm kann?" Ich Rede glaube ich viel zu schnell. Die arme Frau hat mich wahrscheinlich gar nicht verstanden.
"Ich gucke mal eben in meinem Computer nach. Ah, er ist noch unterwegs hier hin. Sie können am Eingang warten, bis er ankommt. Sie müssen schnell gefahren sein. Soll ich Ihnen etwas zu trinken bringen? Nicht das sie uns hier noch umkippen." Sie lächelt mich mitfühlend an. Die Frau ist mir auf Anhieb sympathisch.
"Nein, danke. Ich gehe dann mal zum Eingang. Und danke noch mal!" lächel ich sie an, obwohl mir danach gerade gar nicht zu Mute ist.
In diesem Moment höre ich die Sirenen des Krankenwagens. Sofort renne ich in die Richtung, aus der es kommt. Und ja, gerade heben Sie Liam aus dem Krankenwagen. Er ist auf jeden Fall wach. Seine Augen sind auf, doch er ist ganz blass.
"Liam!" Ich laufe an seine Seite. "Chloe." sagt er, wobei seine Stimme fast versagt. Ich wende mich an die Rettungsmänner. "Was ist überhaupt passiert?" Ein freundlich aussehender Mann antwortet mir "In der Schule hatte er einen Schwächeanfall. Da dies ja anscheinend schon gestern passiert ist, hielt es seine Lehrerin für besser, den Krankenwagen anzurufen."
"Das stimmt. Gestern wollte er nicht zum Arzt und heute wollte er auch unbedingt in die Schule. Ach, wäre ich doch nur mit ihm zu Hause geblieben. Jetzt fühle ich mich so schuldig." Wieder einmal laufen mir die Tränen über die Wange. "Sie können da überhaupt nichts für. Solche Anfälle kann man nicht voraus sehen. Wir bringen ihn jetzt auf die Kinderstation, dort wird ihm Blut abgenommen und dann sehen wir weiter. Vielleicht können sie heute Nachmittag schon wieder mit ihm nach Hause." Sagt der Mann von eben freundlich und lächelt mir aufmunternd zu.
Ich gehe mit den Männern und Liam auf die Kinderstation. Nun sitze ich alleine mit Liam in seinem Zimmer und warte auf den Arzt.
Ein paar Minuten später kommt eine Krankenschwester rein und erklärt uns, dass sie jetzt Liam Blut abnehmen wird und dann nachher der Arzt kommt, um die Ergebnisse mit uns zu besprechen.
Liam verzieht keine Miene beim Blut abnehmen. Ich bin stolz auf ihn, denn ich hasse Blut abnehmen. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich kein Blut sehen kann. Deshalb gucke ich auch nur in Liams Gesicht.
"In etwa zwei Stunden haben wir die Ergebnisse. Sie können so lange etwas essen und trinken. Was soll ich Ihnen bringen?" Fragt die Krankenschwester freundlich. "Schokolade und Cola!" Ruft Liam begeistert. Wir beiden anderen müssen schmunzeln. "Okay, dann nehme ich das gleiche." sage ich lächelnd.
° ° °
Zwei Stunden später wird die Tür geöffnet. Ein glatzköpfiger Mann mit Vollbart kommt herein.
Er reicht uns beiden die Hand. "Guten Tag, ich bin Doktor Sullivan. Du musst Liam sein und sie, oder darf ich auch du sagen? Die große Schwester." Ich reiche ihm die Hand "Guten Tag. Chloe und 'du' ist völlig okay."
"Wo sind denn eure Eltern?" Fragt er ein wenig verwirrt. Bevor Liam irgendetwas sagt, mache ich das lieber. "Unser Dad kann nicht, er muss arbeiten. Und unsere Mom ist, nun ja, sie wissen schon was ich meine. Aber die ganze Verantwortung haben sie auf mich übertragen."
Mitfühlend sieht er uns beide an. Ich hasse das.
Er lächelt Liam an. "Weißt du was, hier um die Ecke ist ein toller Spielraum. Magst du da mal hingehen und ich unterhalte mich solange mit deiner großen Schwester?" Liam guckt mich fragend an. Ich lächel im aufmunternd zu und er verlässt den Raum.
"Ich möchte zuerst nur mit dir sprechen, um Liam keine Angst zu machen, da die Diagnose nicht ganz sicher ist. Nun möchte ich dir ein paar Fragen stellen." Erklärt er mir. "Na gut, okay. Dann fangen Sie mal an."
"Zuerst einmal. Darf ich Fragen, woran eure Mutter gestorben ist?" Ich muss schlucken. "Sie hatte Krebs." krächse ich. "Das tut mir leid" sagt er mitfühlend "Aber nun weiter. Hatte Liam schon öfter Schwächeanfälle oder war besonders schläfrig?"
Ich muss überlegen. "Nun ja. Er ist generell irgendwie immer müde und diese Schwächanfälle hatte er jetzt schon glaub ich vier mal." Doktor Sullivan schreibt alles mit. "Okay, nun die letzte Frage. Hat er öfters blaue Flecken?"
Diese Frage verwirrt mich. Was hat das denn jetzt damit zu tun? "Also ich weiß ja nicht wie viele blaue Flecken Jungs in seinem Alter sonst haben, aber er hat schon viele blaue Flecken, besonders , weil er viel Hockey spielt. Da fällt man halt öfter mal hin."
Nun sieht Doktor Sullivan mich an. "Es tut mir sehr leid, dir das jetzt sagen zu müssen, aber alles was du jetzt gesagt hast und auch die Blutergebnisse deuten darauf hin, dass Liam Leukämie hat."
♡Danke fürs Lesen♡

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Bevor ich gehe...
Teen FictionSeit dem Tod ihrer Mutter ist Chloe eiskalt geworden. Ihr Vater verbringt nur noch Zeit in seiner Firma und ist kaum noch zu Hause. Der einzige, der auch Chloes warmherzige Seite zu Gesicht bekommt, ist ihr Bruder Liam. Er bedeutet ihr alles. Doch w...