Kapitel 15

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Um 12 Uhr am nächsten Tag wurde ich auf die Intensivstation gebracht. Ein Krankentransport holte mich ab und samt Bett landete ich dann in einen Eingriffsraum. Ich sollte einen zentralen Venenkatheter bekommen. Obwohl mir der Arzt erklärte was es ist, checkte ich erst danach dass es ein Schlauch ist, der dir aus dem Hals hängt und an die Haut genäht wurde damit es nicht rutscht. Wo bin ich nur gelandet

„Du bekommst jetzt Dormicum intravenös durch die Braunüle verabreicht, es ist ein Medikament, damit du nichts spürst und einschläfst" erklärte mir eine Schwester bevor es anfing. Kurz darauf bekam ich nichts mehr mit

Als ich wieder aufwachte hatte ich Schmerzen beim schlucken, weswegen ich nichts mehr essen wollte und mir die Ärzte deswegen Morphium verabreichten, was das war wusste ich nicht..

„Um Mukositis vorzubeugen, musst du mehrmals täglich den Mund spülen" erklärte mir eine Schwester und verschwand bevor ich nachfragen konnte

Ich bin hier mitten in tausend Fremdwörtern und lass mit mir Dinge machen die ich nicht verstand. Ich tat einfach das was die Ärzte sagten ohne zu wissen für was das gut ist, welche Folgen es haben könnte oder was das ist. Ich hatte einfach Hoffnung möglichst schnell mein Krebs zu bekämpfen. Dass es nicht schnell geht wusste ich noch nicht

Jeden Abend zur selben Uhrzeit fing der Infusomat immer an zu piepsen, da die Chemo ja am Abend gestartet worden war und darum auch immer am späten Abend gewechselt werden musste

Am dritten Tag im Krankenhaus habe ich Fieber bekommen. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es eine leichte Lungenentzündung war, die aber mit Antibiotika rasch wieder verschwand. Ich habe sowieso so viele Medikamente nehmen müssen, dass ein zusätzliches Antibiotikum nicht aufgefallen ist.

Eine Krankenschwester kam rein und hatte was in der Hand.

„Ich hab eine Patienteninformation zu Leukopenie und Thrombopenie für dich, darin stehen Dinge die man während der nächsten Tage und Wochen beachten muss" sagte sie und gab es mir. Dann hing sie ein Kalender auf und strich ein paar Tage weg

„Das ist der Kalender bis du wieder raus kannst. Du kannst da jeden Tag den Tag durch streichen" lächelte sie mir zu und ging dann

Ich nahm die Patienteninformation und fing an zu lesen. Darin stehen tausend Dinge, die man während der nächsten Tage und Wochen unbedingt beachten muss. Während der Leukopenie dürfen keine Nüsse, Rosinen, Mayonnaise oder Rohkost (außer schälbarem Obst) gegessen werden. Besucher, Krankenschwestern und Ärzte dürfen nur noch mit Mundschutz ins Zimmer, da die Abwehrkräfte quasi nicht mehr vorhanden sind und die Gefahr einer Infektion sehr hoch ist. Das ist eh nicht so wichtig für mich. Wer krank oder auch nur leicht erkältet ist, darf nicht kommen und häufiges Desinfizieren der Hände ist Pflicht. Ich war etwas verunsichert, da wirklich viel schief gehen kann und alles schlimme Folgen haben könnte..

Ich legte es auf den Tisch und stand auf, um zu meinem Kalender zu laufen. Ich sah dass ich die ersten sechs Wochen auf der normalen onkologischen Station lag und die nächsten sechs Wochen auf der KMT-Station. KMT steht für Knochenmarktransplantation, stand in Sternchen am Ende der Seite.

Als ich weiter schaute wie lang ich bleiben musste bekam ich Tränen in den Augen. Selbst wenn ich es überleben würde, wäre eine viel zu lange Zeit vergangen um zu Amir zurück zu kehren, er wäre sauer auf mich und würde mich hassen, wenn er mich nicht jetzt schon hasst. Wie sieht es dann nach mehreren Monaten aus?

Unmotiviert ging es mir in den ersten sechs Wochen unter den gegebenen Umständen ziemlich gut. Ich habe viel gegessen, konnte Lesen, habe viel gezeichnet und Serien geschaut. Jeden Morgen strich ich den vorangegangenen Tag durch. Ohne den Kalender hätte ich mein Zeitgefühl verloren, jeder Tag sah für mich gleich aus.

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