1 Jahr zuvor
Zitternd und mit Schmerzen wachte ich auf. Mein Kopf dröhnte und mir war eiskalt. Scheiße. So ein verdammter Mistkerl! Bestimmt hatte ich eine Gehirnerschütterung und durch das Eiswasser würde ich mir bestimmt auch noch eine Erkältung einfangen. Na toll. Ich schnaubte.
Langsam öffnete ich meine Augen und schloss sie einen Moment später wieder, da sich sofort der ganze Raum begann zu drehen. Somit blieb ich noch eine ganze Weile, an der kalten Wand gelehnt, sitzen und wartete, bis sich mein Zustand wenigstens ein kleines bisschen verbessert hatte. Als ich nicht mehr so sehr zitterte und der Schwindel nachgelassen hatte, versuchte ich vorsichtig aufzustehen. Bedacht stemmte ich mich an der Wand hoch, gegen welche ich mich sofort anlehnte als ich stand, um nicht gleich wieder hinzufallen.
Warum nur immer ich? Warum kann ich nicht einmal an meinem Geburtstag etwas Glück haben? Fragen über Fragen, welche wirr in meinem Kopf durcheinander schwirrten, auf der Suche nach einer Antwort. Vergebens, so wie immer. „Komm schon Mia, jetzt bloß nicht schwach werden, sonst schaffst du das hier nicht. Also los, reiß dich zusammen" sprach ich mir in Gedanken selber Mut zu und setzte mühselig meinen Weg ins Badezimmer fort. Immer wieder musste ich anhalten, da mir entweder so schwindelig wurde, dass ich dachte mich jeden Moment übergeben zu müssen, oder, weil ich das Gefühl hatte, dass meine Beine jeden Moment unter mir nachgaben, sodass ich wieder hinfallen würde.
Als ich nach gefühlten Stunden endlich die Türschwelle zum Bad erreicht hatte, atmete ich erleichtert auf. Fast geschafft. Schnell machte ich die letzten zwei Schritte, welche mich noch von dem Waschbecken trennten, und stützte mich sogleich auf diesem ab. Schwer atmend ließ ich den Kopf nach vorne hängen und wartete, bis sich meine Atmung wenigstens annähernd normalisiert hatte. Als ich mir sicher war, dass es nicht besser werden würde, hob ich vorsichtig meinen Kopf und sah in den Spiegel direkt vor mir. Entgegen blickte mir ein gebrochenes Mädchen, dessen Augen nur so von Trauer überwältigt wurden, ihr narbenübersätes Gesicht und braune zerzauste Haare, welche ihr bis knapp oberhalb der Schultern gingen.
Bei diesem Anblick musste ich laut aufschluchzen und hielt mir sofort eine Hand vor den Mund, damit nicht noch mehr Schluchzer diesen verlassen konnten. Ich sah scheiße aus. Das war nichts Neues. Das einzig Neue waren meine kurzen Haare, welche sonst immer so lang waren, wie die von meiner Mutter früher, was mich auch mehr wie sie aussehen lassen hat.
Jetzt verstand ich meinen Vater. Mit den langen Haaren sah ich wirklich so aus wie sie. Aber jetzt, jetzt sah ich ihr keineswegs mehr ähnlich. Ihre blauen Augen strahlten nur so vor Glück – meine nicht. Ihr Gesicht war makellos und ihre Haut rein – meine nicht. Und ihr braunes Haar war lang – meins nicht. Nicht mehr. Jetzt war ich einfach nur ein verwahrlostes Mädchen, welches keine Eltern mehr hatte, gebrochen war und sich nichts lieber, als den Tod wünschte. Doch dieser musste warten. Anders ging es nicht.
Ich hatte gar nicht bemerkt, wie die Tränen begannen über mein Gesicht zu fließen. Wie Sturzbäche rannen sie über meine Haut und hinterließen eine nasse Spur von endloser Traurigkeit. Ich war ein Wrack, körperlich sowie seelisch. Ich sah keinen Sinn mehr in meinem Leben und wünschte mir so sehr, dass ich es beenden könnte, aber ich konnte es nicht. Ich wollte es, aber ich konnte nicht. Ich konnte und durfte mich meiner Strafe nicht entziehen, denn es war meine Schuld. Meine Schuld, dass sie tot war, meine Schuld, dass ich so aussah wie sie und meine Schuld, dass er mich hasste. Alles meine Schuld. Daher war auch alles, was er mit mir anstellte, eine gerechte Strafe. Ich verdiente diese Schmerzen, dieses Elend, dieses Leid. Nur das und nichts anderes.
Plötzlich wurde mir total schlecht. Erschrocken riss ich meine Augen weit auf und stürzte zu der Toilette, kniete mich davor und hob in letzter Sekunden den Deckel hoch, bevor ich mich übergab. Ich hasste dieses Gefühl, und wie ich es hasste. Dieses Gefühl von Schwäche und Hilfslosigkeit. Als es nichts mehr zu erbrechen gab, ließ ich mich noch kraftloser, als ich ohnehin schon war, an der Wand neben der Toilette nieder und legte meinen Kopf in den Nacken. Wieder liefen die Tränen unaufhaltsam über mein Gesicht und zeigten, wie schwach ich doch war. Und wieder schoss mir nur eine Frage durch den Kopf: Warum? Warum? War ich wirklich so ein schlechter Mensch? War ich das? Ja, das war ich. Ich war schuld, und zwar nur ich.
Ich schüttelte meinen Kopf, um mich meiner Gedankenwelt zu entziehen, und stützte mich auf der Toilette ab, um mich nach oben zu stemmen. Nun stand ich wieder vor dem Spiegel, der über dem Waschbecken hing, mit einer Schere in der Hand. Die Tränen waren verebbt und so betrachtete ich mit ausdruckslosem Blick den Gegenstand in meiner Hand. Die silberne Farbe, welche an manchen Stellen schon zu bröckeln begann. Die scharfen Klingen, zwei Stück an der Zahl. Zwei. Ich könnte es beenden, jetzt gleich. Hier und jetzt. Sollte ich? So oft hab ich mir diese Frage heute schon gestellt. Zu oft. Aber warum nicht? Alles wäre leichter, hoffte ich jedenfalls.
Langsam hob ich meine Hand, welche den metallischen Gegenstand festhielt, zu meinem Gesicht, während ich weiterhin das Mädchen im Spiegel betrachtete. Dieses Mädchen hob nun auch die andere Hand und strich damit sanft über ihr zerzaustes Haar, umfasste fest ein paar Strähnen, bewegte anschließend die Hand mit der Schere zu dieser Stelle und Schnitt im nächsten Moment ohne zu zögern ein paar Zentimeter von den braunen Haaren ab. So stand sie da. In der einen Hand das Werkzeug, in der anderen die Haare. Sie war zu schwach, zu gebrochen, zu einsam. Ein lauter Schrei ertönte und die Schere flog mit voller Kraft auf das Mädchen. Eine Sekunde später hörte man das Zerspringen von Glas und anschließend das Aufkommen dessen im Waschbecken sowie auf den Fließen des Badezimmers.
Das gebrochene verzweifelte Mädchen war weg. Nicht mehr zu sehen. Jedoch war es immer noch da. Ich war immer noch da. Und so würde es auch bleiben. Ich würde für immer hier bleiben, eingeschlossen und allein. Verzweifelt. Gebrochen. Und nichts konnte diesen Zustand ändern. Nichts konnte mich ändern. Mich, das Wrack. Es war einfach hoffnungslos. Ich war hoffnungslos. Ein hoffnungsloses gebrochenes Mädchen, welches keinen Sinn mehr darin sah weiterzuleben, jedoch zu feige war, ihr erbärmliches Leben zu beenden.
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Suuuu, jetzt muss ich hier Mal was hinschreiben :P Ich bin grad echt mega Happy, denn endlich haben über 100 Leser diese Geschichte schon gelesen!!*Applaus* *Freude* *quick*
Ich weiß, eigentlich nicht sonderlich viel, aber trotzdem erfüllt es mich mit Stolz, dass es ein paar verrückte Menschen gibt, die meine Geschichte lesen ^^
Auch vielen Dank an diejenigen, die kommentieren und Voten, das gibt einem als Schreiber sehr viel Motivation weiter zu machen.
Deshalb hier der Aufruf: bitte fleißig weiter kommentieren und Voten, denn nur so weiß ich, wie die Geschichte bei euch ankommt und ob ich etwas verändern soll/muss.
Lange Rede kurzer Sinn: vielen Dank nochmal und viel Spaß mit der weiteren Geschichte^^
Au revoir
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Mia
Teen Fiction"Hoffnung. Ein Wort mit acht Buchstaben, aber enormer Bedeutung" Mia ist 17. Seit ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben kam, ist ihr Leben nicht mehr das gleiche. Sie lebt in einem Keller ohne Fenster und ohne Licht. Jeden Tag kommt ihr Vater...