Kapitel 19 - Angst

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Müde versuchte ich meine Augen zu öffnen, was mir kläglich misslang. Ich hatte höllische Kopfschmerzen, mein ganzer Körper tat weh, besonders aber mein Bauch. Deshalb blieb ich noch eine ganze Weile mit geschlossenen Augen liegen und versuchte zu erkennen, wo ich war.

Ich hörte verschiedene Geräusche. Ein Piepen. Schnelle Schritte. Gedämpfte Stimmen. Alles, wie von einer anderen Welt. Ich musste wissen wo ich war, doch dazu musste ich meine Augen öffnen. Nach etlichen Anläufen gelang es mir schließlich auch und ich starrte an eine weiße Decke.

Weiß, nicht grau.

Ich drehte meinen Kopf nach links und erblickte eine weiße Wand sowie einen ebenfalls weißen Schrank.

Weiß, nicht grau.

Nun wanderte mein Blick nach rechts, und was ich da sah, veranlasste mich dazu, meinen Atem anzuhalten.

Grün, nicht grau. Einfach grün.

Es war ein Fenster, durch das ich freien Blick nach draußen hatte. Auf die Wiese, die Bäume, andere Menschen und den Himmel. Den hellblauen Himmel mit der strahlenden Sonne.

Es war so wunderschön. Wie hatte ich diesen Ausblick vermisst. All die Jahre hatte ich immer nur Grau gesehen, Grau und das Grün meines Teppichs. Doch nun, nun sah ich die ganze Welt mit all ihrer schönen Farbenpracht. Ich konnte sogar leise ein paar Vögeln zwitschern hören.

Verträumt und glücklich, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, schloss ich wieder die Augen und fiel in einen traumlosen Schlaf.

Als ich das nächste Mal die Augen öffnete, wusste ich nicht, wo ich bin. Das helle Licht blendete mich und aus Angst, ich hätte all das nur geträumt, schnellte mein Kopf nach rechts. Erleichtert atmete ich auf, als ich all die schönen Farben sah, all die schöne Natur. Mein Blick ruhte noch eine Weile auf dem Fenster, bis ich mich letztendlich davon abwand, um meine Umgebung genauer zu mustern.

Der ganze Raum war in einem schlichten Weiß gehalten. Rechts in der Ecke erkannte ich zwei Stühle, welche um einen kleinen runden Tisch herum standen, wohingegen links nur ein Schrank stand. Außerdem konnte ich noch zwei Türen ausmachen. Links neben dem Bett, in dem ich lag, befand sich ein kleiner Nachttisch, auf dem ein Glas mit Wasser stand. Auf einmal merkte ich, wie trocken meine Kehle war, sodass ich vorsichtig meinen rechten Arm hob und ihn langsam auf das Wasserglas zubewegte. Achtsam nahm ich das Glas in meine Hand und führte es zu meinem Mund. Den Kopf leicht angehoben, trank ich ein paar Schlücke und stellte das Glas wieder ab. Mein Kopf ruhte nun wieder auf dem weichen weißen Kissen unter mir und nun wusste ich auch, wo ich war.

In einem Krankenhaus.

Ich war in einem Krankenhaus, was bedeutete, dass ich noch lebte und, dass die Polizisten mich rechtzeitig gefunden und hier her gebracht hatten. Ich war nicht tot. Ich lebte.

Bei diesem Gedanken musste ich Lächeln. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Ich hatte meine persönliche Hölle überlebt. Ich hatte ihn überlebt. Ich war frei, frei von ihm, für immer.

Ich atmete tief die Luft in dem Zimmer ein. Sie war so anders, nicht so feucht, roch nicht nach Nässe, nein, diese hier war total anders. Ich konnte nicht genau sagen, nach was sie roch oder wie ich sie empfand, aber es war eindeutig anders, frischer.

Genauer darüber nachdenken konnte ich nicht, denn ich vernahm schnelle Schritte und laute Stimmen, die aufgebracht durcheinander redeten. Einen kurzen Moment später wurde auch schon die Tür schwungvoll aufgerissen, sodass ich erschrocken zusammenzuckte und mich an meine weiße Bettdecke krallte. Mit großen Augen sah ich den Man vor mir an, der soeben in seinem weißen langen Kittel den Raum betreten hatte. Als er mich sah, blieb er stehen.

„Ah, du bist wach" sagte er und beim Klang seiner Stimme lief ein Schauer durch meinen ganzen Körper. Plötzlich setzte er sich wieder in Bewegung und kam mit einem breiten Grinsen, welches immer größer wurde, auf mich zu.

Ich bekam Angst. Nein, Angst war eine Untertreibung, ich bekam Panik. Grenzenlose Panik. Was würde er mit mir tun? Würde er mich verletzten, mich beschimpfen? Ich weitete meine Augen und sah ihn angsterfüllt an. Mein ganzer Körper begann zu zittern und ich hoffte einfach, dass, egal was er vorhatte, es schnell vorbeigehen würde. Je näher er mir kam, desto größer wurde meine Panik. Meine Atmung wurde unregelmäßig und ich konnte den Blick nicht von dem Mann abwenden, welcher soeben ein paar Meter von meinem Bett entfernt stehen geblieben war und mich verwundert musterte.

Was sollte das? Wollte er mich noch mehr einschüchtern, indem er sich Zeit lies? Wenn ja, dann musste ich leider zugeben, dass das perfekt funktioniert.

Als er vorsichtig einen weiteren Schritt auf mich zukam, hatte meine Panik ein neues Level erreicht. Ich dachte ich hätte es geschafft. Ich dachte echt, ich hätte meine Hölle überwunden, aber so wie es aussah, würde sie weitergehen. Wahrscheinlich solange, bis ich wirklich tot war.

Tränen stiegen mir in die Augen und ich begann, heftig meinen Kopf zu schütteln. Mein ganzer Körper spielte verrückt und wurde von der Angst gesteuert, welche mich lähmte. Der Mann im Kittel kam immer näher und plötzlich merkte ich, wie die ganze Geräte um mich herum verrücktspielten. Ich hörte ein Piepen, welches immer schneller wurde, genau wie meine Atmung.

„Hey, ganz ruhig. Ich tu dir doch nichts." Ertönte wieder die Stimme des Mannes vor mir. Jedoch verstand ich seine Worte nicht. Ich sah nur sein leichtes Lächeln und wie sich seine Lippen bewegten, was anderes konnte ich nicht wahrnehmen.

Nun hatte er mich fast vollständig erreicht. Hektisch sah ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Aber es war hoffnungslos. Ich war an verschiedenste Geräte angeschlossen und er hatte mich fast erreicht. Ich hatte nur eine Wahl, auch, wenn diese womöglich schlimme Folgen mit sich ziehen würde, ich musste es riskieren.

„Bitte", flüsterte ich, „bitte nicht". Immer noch ängstlich sah ich ihn an und wartete, was er tun würde. Zu meiner Verwunderung blieb er abrupt stehen und starrte mich nur noch verwirrter an.

„Ich, ich" setzte ich an, jedoch wurde mir auf einmal schrecklich übel und alles begann sich in meinem Kopf zu drehen. Ich presste meine Augen zusammen und meine Hände fanden wie von selbst ihren Weg zu meinem Kopf, um diesen festzuhalten. Jedoch wollte das drehen einfach nicht aufhören und auch die Übelkeit ließ nicht nach, weshalb ich heftig anfing, meinen Kopf zu schütteln, in der Hoffnung, das würde etwas bringen. Fehlanzeige. Es wurde eher noch schlimmer. Zudem fing jetzt auch noch mein Bauch an zu schmerzen und ich befürchtete, jeden Moment zusammenzubrechen.

Plötzlich spürte ich einen Schmerz an meinem linken Arm, weswegen ich ruckartig meine Augen öffnete und den Mann im Kittel vor mir sah, eine Spritze in seiner erhobenen Hand. Wieder sah ich ihn mit großen angsterfüllten Augen an. Ich konnte nur noch ein „Nein" flüstern, bevor sich das weiß vor mir in ein schwarz verwandelte und ich in einen unruhigen Schlaf fiel.

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