Kapitel 6 - Verwirrung pur

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9 Jahre zuvor

Ich lag auf meinem Bett und weinte. Wie so oft in den letzten Tagen. Seit dem Tod meiner Mutter waren gerade mal zwei Tage vergangen, doch es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Heute war demzufolge Sonntag und mein Geburtstag. Eigentlich liebte ich Geburtstage, besonders wenn es mein eigener war. Jedoch empfand ich alles andere als Glück und Freude, weil die wichtigste Person in meinem Leben nicht mehr da war. Meine Mutter. Sie fehlte mir jetzt schon so unglaublich viel, dass ich mich fragte, wie ich wohl ohne sie weiterleben sollte. Ob ich das überhaupt schaffen würde?

Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und mein Vater kam in mein Zimmer. Ich drehte mich zu ihm um und schaute ihn mit weit geöffneten und fragenden Augen an. Seit seinem Zusammenbruch am Freitagabend hat er nicht mehr mit mir geredet oder war überhaupt einfach nur bei mir. Was wahrscheinlich auch daran lag, dass ich nur in meinem Zimmer war und weinte. Demzufolge habe ich auch nicht wirklich mitbekommen, was er in den letzten Tagen gemacht hatte. Ab und zu habe ich ihn schreien hören und manchmal klang es so, als würde er Möbel verrücken, aber wirklich interessiert hat mich das alles nicht. Ich interessierte ihn ja schließlich auch nicht.

Umso mehr war ich also überrascht, dass er jetzt plötzlich vor mir stand. „Komm mit" sagte er monoton und ich zuckte leicht zusammen. „Ich habe eine Überraschung für dich." Und damit verschwand er aus meinem Zimmer. Überraschung? Für mich? Hatte er also doch noch vor, meinen Geburtstag mit mir zu verbringen? Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht, stand auf und folgte meinem Dad nach draußen.

Wir gingen die Treppen nach unten und standen schließlich vor unserem Keller. Unschlüssig, was ich tun sollte, schaute ich ihn an. Daraufhin öffnete er die schwere Tür und bedeutete mir, einzutreten. In dem Raum schaute ich mich leicht verwirrt um. Alles, was sich hier drinnen befand, war eine Kommode und ein Teppich. Sollte das etwa meine Überraschung sein? Fragend schaute ich zu meinem Dad hoch, welcher zufrieden grinste und dabei seinen Blick durch den verschönerten Keller schweifen ließ.

Dabei bemerkte er meinen fragenden Gesichtsausdruck und fing an zu sprechen. „Das wird ab sofort dein neues Zimmer sein." Ich meinte, etwas Stolz aus seiner Stimme herauszuhören, jedoch schüttele ich leicht den Kopf, um diesen Gedanken schnell wieder los zu werden. Warum sollte er denn auch stolz darauf stolz sein, ein paar Möbel in den Keller gerückt zu haben? Als er erneut meinem fragenden Gesicht entgegenblickte, stöhnte er leicht genervt auf.

„Sag mal bist du eigentlich so blöd oder tust du nur so? Hier unten wirst du jetzt leben, in deinem eigenen kleinen Reich." Ich zuckte leicht zusammen, als er mich so anfuhr. Das hatte er noch nie gemacht. „Aber Daddy..." fing ich an, wurde aber sofort von ihm barsch unterbrochen. „Boar ey, hör doch endlich mal auf zu reden. Immer diese nervtötende Stimme! Das gibt's doch nicht! Du wirst ab heute für immer hier unten leben und damit basta. Ich will dich nicht mehr in meiner Nähe haben. Ich will dich nicht mehr sehen. Kapiert? Ich will SIE nicht mehr sehen!"

Tränen stiegen mir in die Augen. Er hatte mich noch nie so angeschrien, geschweige denn mir solche Wörter an den Kopf geschmissen. „Das ist nicht fair." Schrie ich ihn an. „Und außerdem muss ich doch in die Schule und meine Freunde!"

„Die denken doch alle du wärst tot! Alle ahnungslos. Die deppen" lachte er hönisch und ich zuckte wieder zusammen. „Für die bist du bei dem Autounfall deiner Mutter mit gestorben und für mich auch. Also verabschiede dich von deinem bisherigen Leben, denn es ist ab sofort vorbei und wird nie wieder kommen!" Ein breites und zufriedenes Grinsen hatte sich auf seinem Gesicht gebildet, mit diesem drehte er sich auch um und verließ den Raum. Ich konnte nur geschockt hinterherschauen. Selbst, als er die Tür ins Schloss fallen ließ und schon längst gegangen war, konnte ich mich noch immer nicht bewegen.

Tot. Alle denken ich wäre tot. Dank ihm. Und in diesem Moment wurde mir schlagartig bewusst, dass ich meinen Vater für alle Zeiten verloren hatte.

MiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt