7 Jahre zuvor
Zwei Jahre waren mittlerweile vergangen. Zwei Jahre, in denen ich jeden Tag aufs Neue gehofft habe, dass er wieder zur Vernunft kommt und alles wieder so wird wie früher. Aber das war leider nicht der Fall. Ich lebte immer noch in diesem Keller und fragte mich, wann das alles wohl aufhören wird. Ob es überhaupt aufhören wird.
In der letzten Zeit ist es mit meinem Vater schlimmer geworden. Immer öfter schlägt er mich, manchmal verprügelt er mich sogar richtig. In diesen Momenten kann ich einfach nicht glauben, dass er mein Vater ist. Derjenige, der mich einmal so geliebt hatte, jeden Tag etwas mit mir unternahm und mit dem ich lachen konnte, bis mein Bauch schmerzte.
Aber das war leider vorbei. Ich seufzte, als ich an meine unbeschwerte Vergangenheit dachte. Damals, als Mama noch lebte, war also so einfach gewesen. So schön und glücklich. Immer öfter fragte ich mich, wie es wohl weitergehen wird. Würde ich mein ganzes Leben so verbringen? Das sagte er zumindest.
Immer wenn er mir einen Besuch abstattete, schrie er mich an und machte mir zur Genüge deutlich, dass ich nichts wert bin und ich für immer hier bleiben werde. In meinen schwachen Momenten glaubte ich ihm das sogar.
Ich lag auf meinem Teppich und schaute an die Decke. Das wurde mit der Zeit irgendwie zu so etwas wie meiner Lieblingsbeschäftigung. Ich meine, was sollte ich auch sonst groß tun? Hier unten gab es keine Fenster, keine Bücher. Nicht einmal Stifte und Papier. Wenn mir das Herumliegen zu langweilig wurde, ging ich entweder ins Bad, um neue Frisuren auszuprobieren oder ich machte etwas Sport. Genügend Platz hatte ich ja. Dann machte ich einfach ein paar Liegestütze oder Kniebeugen, halt einfach solche Übungen, wo man keine Geräte zu brauchte.
Ein Geräusch ließ mich auffahren. Es kam von der Tür, von der Treppe. Schnell stand ich auf und lauschte. Und da hörte ich sie. Die letzte Stufe, das Knarren, was von ihr ausging, sobald er einen Fuß auf sie setzte. Mein Herzschlag ging augenblicklich schneller. Ich hatte Angst, keine Frage. Angst davor, was er gleich mit mir anstellen würde.
Jedoch hatte ich keine weitere Sekunde Zeit, darüber nachzudenken, denn schon wurde die Tür aufgemacht und er betrat den Raum. Das Licht, welches durch die Tür fiel, blendete mich. Als ich mich daran gewöhnt hatte, schaute ich zu meinem Dad. Verwundert musterte ich ihn. Er trug eine normale Jeans, ein Polo-Shirt und hatte seine Haare leicht nach oben gegellt. Was daran so komisch war? Nun 1. Trug er immer irgendwelche zerschlissenen Sachen. 2. Stylte er sich nie. Und 3. Kam mir die ganze Situation so absurd vor, dass ich fast angefangen hätte zu lachen, wenn ich mich nicht eines besseren besinnt hätte. Zum Glück, denn ich denke nicht, dass er die ganze Schose auch mit Humor genommen hätte.
Gebannt starrte ich ihn an und wartete, was als nächstes wohl geschehen würde. Bereitete mich mental schon darauf vor. Doch auf das, was er dann sagte, konnte ich mich gar nicht vorbereiten, zu plötzlich wurde mir der Satz entgegengepfeffert. „Zieh dir etwas Ordentliches an und komm nach oben." War das Einzige was er sagte, bevor er sich umdrehte und verschwand. Konnte das wirklich sein? Hatte er mich gerade echt aufgefordert, ihm nach oben zu folgen? Das konnte doch alles nur ein Traum sein! Kurz kniff ich mir in den Arm, um mich zu vergewissern, dass ich doch nicht träumte, bevor ich mich zu meiner Kommode begab. Immer wieder huschte mein Blick zu der weit geöffneten Tür, da ich Angst hatte, dass sie sich, sobald ich sie zu lange aus dem Blick habe, wieder zugeht.
Deshalb griff ich schnell nach einer dunkelblauen Jeans und einem schwarzen Top, fuhr mir anschließend nochmal mit den Fingern durch die Harre und ging schließlich schnellen Schrittes auf die Tür zu. Vor ihr angekommen, blieb ich wie erstarrt stehen. Noch einen Schritt, dann würde ich dieses Zimmer nach zwei Jahren endlich wieder verlassen können. Ich hatte zwar keine Ahnung für wie lange, dennoch genoss ich einfach den Augenblick und wagte mit einem tiefen Atemzug den Schritt nach draußen.
Frei. Für den Moment fühlte ich mich einfach nur frei. Zu gerne hätte ich den Moment noch mehr genossen, jedoch erinnerte ich mich schnell wieder daran, dass mein Vater oben auf mich wartete und er ziemlich ungeduldig wurde, wenn man ihn zu lange warten ließ. Also ging ich schnellen Schrittes die Treppe nach oben Es war ein komisches Gefühl, nach so langer Zeit endlich etwas anderes zu sehen, als die vier kahlen Wände, die mich jeden Tag zu erdrücken schienen.
Wie in Trance ging ich nach links, durch den Flur und geradewegs auf das Wohnzimmer zu. Plötzlich hörte ich Stimmen. War etwa jemand hier? Hatten wir Besuch? Oder hatte endlich jemand gemerkt, dass ich nicht tot nicht und wollte mich jetzt hier heraus holen? Zu schön war der Gedanke, aber leider doch etwas realitätsfern. Warum sollte ich mich denn für so etwas schick anziehen? Das wäre doch der total falsche Ablauf! Ich schüttelte über meine Hoffnungsgedanken den Kopf, atmete noch einmal tief durch, bevor ich schließlich seufzend das Wohnzimmer betrat.

DU LIEST GERADE
Mia
Ficção Adolescente"Hoffnung. Ein Wort mit acht Buchstaben, aber enormer Bedeutung" Mia ist 17. Seit ihre Mutter bei einem Autounfall ums Leben kam, ist ihr Leben nicht mehr das gleiche. Sie lebt in einem Keller ohne Fenster und ohne Licht. Jeden Tag kommt ihr Vater...