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Ich riss meine Augen auf, bewegte meinen Blick nicht vom Fleck und war dennoch gleichzeitig dabei zum Haus zu sprinten. Mein Mund riss sich von alleine auf, entsetzt brüllte ich über den gesamten Hof.
"Jin!"

In weniger als fünf Minuten fand ich mich mit Jin in seinem kleinen Auto wieder, er am Steuer, mit dem Blick starr auf die Straße gerichtet, als wir zu schnell über den Asphalt bretterten.

Nervös zupfte ich am Saum meines verdreckten T-Shirts während ich beunruhigt aus dem Fenster schaute.
"Wo könnte sie hingefahren sein?",fragte ich ihn mit zittriger Stimme, woraufhin er nur den Kopf schüttelte.
"Ich weiß es nicht. So hat sie sich noch nie benommen", antwortete er mit erstaunlich fester Stimme und fuhr geradewegs durch den Ort und nahm den Fuß ein wenig vom Gas, als er an den Gehwegen entlang fuhr.
"Wir schauen zuerst beim See, vielleicht ist sie da", schlug er vor als ich bloß schwer schlucken konnte. Das alte Auto ratterte bei jedem Huckel den es unter die Räder bekam und machte mich durch das ständige Geschüttel nur nervöser. Gefesselt von der vorbeiziehenden Landschaft krallte ich mich mit beiden Händen an den ausgefransten Gurt und wurde von meinen kreisenden Gedanken aus der Realität gerissen.
Wo sie war, seit wann sie verschwunden war, wieso sie gefahren ist, wie sie es geschafft hatte uns aus dem Weg zu gehen.
War sie verletzt, hatte sie sich verfahren, war sie alleine?
Fragen um Fragen, und keine Antworten, die Licht ins Dunkle bringen konnten.
"Aussteigen", ordnete der Älteste an, als er seinen Gurt löste und in einerflüssigen Bewegung vom Sitz aufstand und nach draußen trat, während ich perplex dabei zu sah, wie er bereits den Pfad entlang eilte.

Nach mehreren Versuchen erwischte ich die Klinke und hetzte ihm hinterher, nicht mehr ganz benebelt von meinen Sorgen und Befürchtungen.
Doch als wir durch das Unterholz auf die Lichtung stolperten erstreckten sich bloß die Weiten des Sees vor uns. Seichte Wellen schwappten ruhig an den winzigen Sandstrand, weit und breit kein Roller in Sicht, geschweige denn das junge Mädchen, auf das wir gehofft hatten.
"Wo könnte sie sonst sein?", überlegte ich gestresst und nagte nachdenklich auf meinen Fingernägeln während ich enttäuscht auf den Boden blickte.
"Ich weiß nicht... wo anders bin ich mit ihr nie hingegangen", erwiderte er, kein Stück Besorgnis in der Stimme. Schien ihn ihr Verschwinden nicht zu jucken, oder bildete ich mir das nur ein?
"Wusstest du eigentlich, dass sie dich mag?", fragte ich ihn verächtlich und schaute ihm herausfordernd ins Gesicht, bevor er seinen Blick gesenkt hatte.
"Ja,ich konnte es mir denken", gestand er kleinlich und schien sich selbst dafür in den Hintern treten zu wollen.
"Ich meine, klar, sie ist ein tolles Mädchen! Sie ist keine typische Frau mit einer zu schmalen Taille und besteht nicht nur aus Knochen. Sie ist unabhängig, stark und weiß was sie wollte. Bis du kamst, jedenfalls.", versuchte er sich raus zu reden und spuckte Worte aus, die seine Entscheidung plötzlich unverständlich machten.
"Wenn du sie so großartig findest, wieso hast du sie dann bitte abgwiesen und, was weiß ich, Ge'daughter-zoned'?",stellte ich ihn zur Rede und konnte ihn einfach nicht verstehen. Ich wurde aus ihm nicht schlau, bis zu diesem Moment.
"Changkyun, ich bin schwul", stellte er klar während er mir toternst in die Augen blickte.
Ungläubig erwiederte ich starrend und wusste nicht, was man auf so etwas antworten sollte.
"Oh", war der einzige Laut der meine Lippen verließ als wir uns stumm gegenüberstanden, hinter uns die endlosen Weiten des Waldes und des Sees.
"Wir... wir sollten weiter suchen gehen", versuchte ich dieser unangenehmen Situation zu entkommen und begab mich geradewegs zurück zum Auto. Die seltsame Spannung zwischen uns verschwand selbst nicht, als ich durch den Wald zurück lief und ihn nur durch die tiefhängenden Äste erblickte, wie er schwer seufzend am See stand und irgendwelche Steine in das Wasser kickte. Ich ließ mich auf den Autositz fallen und wartete auf Jin. Alle Möglichkeiten wo das Mädchen sein könnte ließ ich mir durch den Kopf gehen als ich einen verstohlenen Blick auf die Uhr warf. Wir hatten nur noch ein paar Stunden bis die Sonne untergehen würde, und bis wir alle Plätze abgeklappert hätten, wäre schon das Doppelte rum.
Ich verbannte den Gedanken an Jins Outing aus meinem Kopf und konzentrierte mich auf das wesentliche.

«applepie» || im changkyunWo Geschichten leben. Entdecke jetzt