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„Also falls du es magst, arme, kleine Tiere abzuschlachten, bist du hier genau richtig.“ Ich zeige aufs Bluthaus. Sofort schüttelt Tommy seinen Kopf. „Ganz sicher nicht.“ „Trotzdem musst du einen Probetag hier machen. Da musste jeder durch“, sage ich ganz ohne Mitleid. Dieser Tag zählte definitiv zu den Top 3 der schrecklichsten Tage meines Lebens. Tommy reißt seine Augen auf. „Aber ich weiß doch schon, was ich werden will! Warum muss ich diese ganzen Probetage denn noch machen?“, fragt er aufgebracht. „Echt? Du weißt es schon? Was willst du denn werden?“ „Ich werde Läufer!“, sagt er entschlossen. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.  Tommy will Läufer werden? Das geht nicht einfach so. Läufer müssen sich beweisen, so wie Minho damals. Außerdem werde ich nicht zulassen, dass Thomas jeden Tag sein Leben im Labyrinth aufs Spiel setzt. Bei Minho ist das etwas anderes. Er weiß, was er tut. Aber Tommy? Nein! Ich werde verhindern, dass er jemals einen Fuß außerhalb der Lichtung setzen muss. Ich will ihn nicht verlieren. Niemals.

„Erde an Newt? Hallo? Alles gut?“, fragt Tommy schon fast besorgt. Er lässt seine Hand sinken, mit der er vor meinem Gesicht herumgefuchtelt hat. „Du wirst kein Läufer! Das lasse ich nicht zu.“ Den letzten Teil nuschel ich so leise, dass ich mir eigentlich sicher bin, dass Thomas ihn nicht verstanden hat. „Warum nicht?“, fragt er bedrückt, allerdings funkeln seine Augen immer noch entschlossen und ich weiß, egal was ich mache, ich werde Tommy nicht von seiner Entscheidung abbringen können. „Du musst erst vor dem Hüterrat vorgeschlagen werden.“ Damit drehe ich mich um und gehe weiter.

Wir sind schon fast fertig mit unserer Runde, als ich plötzlich etwas Nasses ins Gesicht bekomme. Ich schaue nach oben in den Himmel. Dicke, dunkle Wolken sind zusehen. Es regnet! Das kommt nicht oft vor. Ist in den letzten Monaten eine richtige Seltenheit geworden. „Wir müssen uns unterstellen. Schnell.“ Tommy sieht mich verwirrt an. „Aber es nieselt doch nur.“ Ich renne los in Richtung Gehöft. Als ich über die Türschwelle trete, fängt es auch schon an, wie aus Eimern zuschütten. Ich sehe zu Thomas, der klitschnass ist, so dass seine Kleidung an seinem Körper klebt und zwinge mich dazu, ihm nur ins Gesicht zusehen. Sonst könnte das peinlich werden.

Plötzlich fällt mir etwas ein. „Komm mit! Da vorne sind die Krankenzimmer. Ich möchte nach dem Mädchen sehen.“ Ich merke, wie sich Tommy neben mir anspannt, aber ich versuche es zu ignorieren, weil ich selbst auch aufgeregt bin.

„Hallo Newt, lässte dich auch mal wieder blicken“, kommt es von Jeff. Wie ich ihn doch hasse! „Wo ist das Mädchen?“ „Im zweiten Zimmer links. Wieso?“, sagt Clint. Er ist nicht ganz so schlimm, wie unser ‚Kollege‘. „Ist egal. Danke“, erwidere ich stumpf. Ich gehe auf die Tür zu und drehe mich zu Tommy um. Er steht immer noch im Gang und schaut geistesabwesend auf den Boden. „Tommy?“ Er rührt sich nicht vom Fleck. Ich gehe auf ihn zu und nehme vorsichtig seine Hand, dann ziehe ich ihn an den anderen Sanis vorbei auf die Tür zu. Ihre Blicke ignore ich gekonnt. Ich lasse seine Hand los. Thomas scheint aus seiner ‚Trance‘ zu erwachen und sieht mich erwartungsvoll an. Ich öffne die Tür und wir treten beide in den Raum. Das Mädchen sieht aus, als ob es einfach nur schlafen würde. Friedlich liegt sie im Bett und hat die Decke bis zum Kinn nach oben gezogen. Das einzige, was dieses Bild stört, ist ihr Mund. Der bewegt sich die ganze Zeit, als ob sie etwas sagen würde. Doch kein einziges Wort kommt über ihre Lippen.

„Sie heißt Teresa“, flüstert Tommy plötzlich, „sie redet mit mir. Newt sie redet mit mir!“ Beim letzten Satz schaut Thomas mir mit Panik im Blick direkt in die Augen. „Hey Tommy, ganz ruhig. Sieh mich an. Alles ist in Ordnung“, versuche ich ihn zu beruhigen. Ich merke, wie er immer verzweifelter wird. Er darf jetzt nicht durchdrehen. Er sieht mich so krampfhaft an, als ob mein Gesicht das einzige ist, auf das er sich konzentrieren kann, um nicht wahnsinnig zu werden. „Newt, sie spricht mit mir! In meinem Kopf! Hilf mir!“ Ich gehe auf ihn zu und ziehe ihn in eine feste Umarmung. „He Tommy alles ist gut. Ich bin bei dir.“ Ich merke, wie meine Schulter nass wird. Tommy weint. Plötzlich sind Geräusche vom Bett des Mädchens zu hören. Ihre Augen sind offen. „Tom!“ Dann schließen sich ihre Augen wieder und ihr Mund hört auf sich zu bewegen. Das war zu viel für Tommy. Er hat sich aus meinem Griff befreit und liegt jetzt schluchzend vor mir auf dem Boden, hat die Augen zusammen gekniffen und hält sich die Ohren zu.

Einige Sekunden kann ich nur hilflos zusehen, doch dann fällt mir ein, dass ich ja immer noch ein Sani bin. Schnell drehe ich mich um und durchsuche den Schrank. Kurz darauf finde ich auch schon, was ich gesucht habe. Ein kleines Fläschchen mit Beruhigungsmittel. Ich fülle ein paar Tropfen in eine kleine Spritze, dann stürze ich mich auf Tommy. Da er sich nicht wirklich wehren kann, weil er das alles wahrscheinlich nicht mal richtig mitbekommt, sitze ich schon nach kurzer Zeit auf seiner Hüfte und spritze ihm das Mittel in den Arm. Sofort entspannt er sich und liegt bewegungslos auf dem Boden. Ich bin viel zu geschockt um irgendetwas zu machen.

Nach einiger Zeit öffnet Thomas langsam seine Augen, dann blinzelt er heftig und sieht mich fragend an. „Was war das?“ Jetzt bemerke ich, in was für einer Situation ich mich eigentlich befinde. Wenn jemand reinkommt und uns sieht, könnte er wirklich etwas anderes denken. Die Röte schießt mir ins Gesicht. Schnell stehe ich von ihm auf und strecke ihm meine Hand entgegen, die er auch gleich annimmt und sich von mir hochziehen lässt. „Alles in Ordnung?“, frage ich besorgt. „Ich habe ihre Stimme gehört! Sie hat mit mir geredet! Newt, ich glaube, ich bin verrückt. Was soll ich machen? Alle werden mich für gestört halten!“ Er hat immer noch Tränen im Gesicht. So kann ich ihn nicht sehen. Es bricht mir das Herz. Schnell trete ich einen Schritt auf ihn zu und wischt ihm vorsichtig die Tränen von seinen Wangen. Dann lächel ich ihn leicht an. „Ich halte dich nicht für gestört.“

Ich drehe mich um, wasche die Spritze ab und verstaue das Fläschchen wieder im Schrank. „Danke, dass du für mich da bist, Newt.“ Nach diesen Worten von Tommy macht sich eine angenehme Wärme in mir breit. „Irgendjemand muss ja auf dich aufpassen“, sage ich und grinse ihn an. Thomas muss schmunzeln. „Und jetzt lass uns draußen nach dem Rechten sehen.“ Damit gehe ich zügig zur Tür.

„Clint? Das Mädchen ist vorhin kurz aufgewacht und hat geredet“, gebe ich Bescheid. „Ja macht sie öfter“, er sieht kurz zu Tommy, „und sie sagt immer seinen Namen. Du siehst übrings ganz schön blass aus. Alles in Ordnung?“ Thomas nickt schnell, dann wenden wir uns beide ab.

Als wir wieder draußen auf dem Flur sind, frage ich Tommy noch mal, ob wirklich alles in Ordnung ist. Er nickt noch einmal. Dann sieht er mir plötzlich fest in die Augen. Er hält mich mit seinem Blick gefangen und dieses angenehme Kribbeln macht sich wieder in mir breit.

Wie hübsch Tommy doch ist.
Das habe ich gerade nicht gedacht, oder? Na obwohl hässlich ist er nicht. Nein, das Gegenteil; er ist wirklich schön. Als er mit seinen nassen Sachen vor mir stand, sah er sogar richtig heiß aus. Für diesen Gedanken könnte ich mir gerade echt eine Klatschen.
Als ich mich aus meinen Gedanken reiße, sind unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt. Mein gesamter Körper kribbelt immer noch. Dieses Gefühl will ich öfter spüren. Es macht so unglaublich süchtig. Liegt es an Tommys Anwesenheit? Plötzlich spüre ich seine Lippen auf meinen und werde so wieder aus meinen Gedanken gerissen. Das Kribbeln wird stärker und es fühlt sich so unglaublich gut an, als ob ein Feuerwerk in mir explodiert, doch ehe ich alles richtig realisieren kann, habe ich ihn auch schon von mir weg geschubst. Schockiert und …Traurig? sieht er mich an. Dann dreht er sich um und läuft schnell davon.

Bin nicht zufrieden °~°

Help. || Newtmas Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt