Kapitel 14

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Alissa

Die ohnehin schon sehr helle Haut der Königin erschien mir noch blasser. Als sie sich gegen mich lehnte, bemerkte ich, dass sie unter hohem Fieber litt. Ich ließ sie behutsam nach hinten ins Bett sinken und schlafen. Ihre Atmung war noch nicht Besorgnis erregend, aber sie atmete schwer.

Mein Blick wanderte zu der Leiche und dem Kelch auf dem Holzboden. Ich stand auf und schloss die Augen des Beraters, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Daraufhin beäugte ich den Kelch ausgiebig und roch vorsichtig an dem restlichen Wein, der noch im Becher aufzufinden war. Ich konnte nur den Geruch des Weines ausmachen. Ich versicherte mich noch einmal, dass die Königin noch gleichmäßig atmete und eilte dann in die Küche. Maria, die Leiterin der Küche, begutachtete mich ausgiebig.

"Was suchst du hier Mädchen?"

"Könnt ihr mir Auskunft darüber geben, wo der Medicus [=akademisch ausgebildeter Arzt] aufzufinden ist? Ich ersuche eine Unterredung mit ihm, denn ich sorge mich um das Wohlergehen der Hoheit. "

Maria schien den Ernst der Lage begriffen zu haben.

"Der Medicus ist in dem Gemach, vier Gemächer rechts von dem der Königin, ansässig. "

"Ich danke Ihnen vielmals."

Ich rannte wieder zurück auf den Gang in dem das Gemach der Königin lag und verfluchte mich selbst für meine Vergesslichkeit. Sie hatte mir die Kammer des Medicus bereits auf der Führung durch das Schloss vorgeführt.

Als ich an der Kammer des Medicus angelangt war, klopfte ich völlig außer Atem gegen die robuste Tür.

"Herein"

Ich öffnete geschwind die Tür und betrat die Kammer.

"Herr Medicus, die Königin weißt Anzeichen einer starken Vergiftung auf. Der Berater namens Johann ist der Vergiftung bereits erlegen. "

Der Medicus richtete sich sofort auf, packte ein paar Instrumente in seine Tasche und eilte in das Gemach der Königin. Sie lag unverändert auf dem Bett und ihre Atmung war noch schwerer geworden. Der Medicus ließ sich neben dem Himmelbett der Königin auf einen Stuhl nieder sinken. 

"Eure Hoheit, bitte schenken Sie mir Eure Aufmerksamkeit. "

Sie reagierte nicht auf die Aufforderung des Hofartztes. Ich legte vorsichtig meine Hand auf ihren Arm und bemerkte, dass er förmlich glühte. Behutsam bewegte ich ihren Arm. Ihre Augenlider öffneten sich einen Spalt und es brauchte einen kleinen Augenblick bis die Königin vollkommen ansprechbar schien.
Sie sah zuerst etwas verwirrt zu mir und dann in das Antlitz des Medicus. Erst jetzt hatte ich Zeit ihn näher zu mustern. Er besaß viele Falten, sehr dünnes, weißes Haar und seine Gesichtszüge waren sehr schlaff und von Müdigkeit, durch viele schlaflose Nächte geprägt. An ihm hatte offensichtlich der Zahn der Zeit genagt. Doch bei seiner Berufung verwunderte mich das nicht. Aufgrund seines Aussehens wirkte er weise und erfahren. Der Medicus betrachtete Elisabeth, die in ihrem aktuellen Zustand sehr schwach wirkte. Er stellte ihr mehrere Fragen über den Giftkomplott und wie viel der Substanz bereits in ihren Mund gewesen war, bis sie bemerkt hatte, dass der Wein vergiftet sei. Sie gab an, dass sie leider bereits ein bisschen des Weines geschluckt hatte, bevor sie verstand was vor sich ging. Er legte ihr eine Hand auf die Stirn. Seine Mimik schien sehr besorgt. Er blickte wieder zu mir.

"Ihr Blut ist durch das Gift verunreinigt, die Säfte ihres Körpers müssen wieder ins Gleichgewicht* gebracht werden."

Er griff in seine Tasche und präsentierte ein kleines, leicht gebogenes Skalpell.

"Ein Aderlass sollte genügen."

Er setzte das Skalpell für einen kurzen Augenblick, dem Feuer der brennenden Kerze aus, die auf dem hölzernen Tisch neben dem Himmelbett vorzufinden war und wandte sich dann zur Königin.

"Eure Hoheit, der Aderlass wird Euer Fieber, sowie auch Eure Schmerzen lindern. Wenn sie gestatten."

Er deutete auf den linken Arm der Königin. Sie nickte zur Zustimmung und reichte ihm ihren - mittlerweile erschreckend blassen - Arm. Er zückte das Skalpell und schnitt in die Arterie kurz vor dem linken Handgelenk. Das Blut begann langsam aus ihrer Ader zu fließen und er reichte mir einen goldenen Lassbecher, mit welchem ich das Blut auffangen sollte.

"Ich darf nicht mit Blut in Berührung kommen, ich bin schließlich kein  Bader °. "

Ich hielt den Lassbecher unter die Wunde am Arm und sah zu wie sich der Lassbecher langsam mit dem roten, noch warmen Blut der Königin füllte. Die Königin erweckte den Eindruck, dass sich ihr Befinden besserte, denn ihr Gesicht war nicht mehr von Schmerz geplagt und es schien als könnte sie sich nun entspannen. Es dauerte eine Weile, bis der Lassbecher fast gefüllt war und der Medicus der Königin einen Druckverband anlegte. Die Königin wirkte immer noch schwach, wenn nicht sogar schwächer als zuvor. Ich war um ihr Wohlergehen besorgt, obgleich es schien als sei sie von den Schmerzen befreit.

"Fühlen Eure Hoheit sich wohler? "

"Die Schmerzen scheinen verschwunden, doch meine Sinne wirken benommen. Ich würde es vorziehen nun etwas zu ruhen. "

"Wie Ihr beliebt, Eure Hoheit. Ich werde mich später erneut nach Ihrem Wohlbefinden erkundigen. "

Der Medicus verlies mit seiner Tasche das Gemach.

"Auch ich sollte Eure Hoheit nicht weiterhin mit meiner Anwesenheit belästigen. "

Ich wollte gerade das königliche Gemach verlassen, als die Königin mein Handgelenk ergriff. Ihr Griff war ... überraschend stark. Deutlich stärker als der Griff einer normalen erwachsenen Frau. Ich war verwundert. Diese Kraft sollte sie in ihrem Zustand nicht besitzen...

"Bleib, bitte. Ich könnte etwas Gesellschaft vertragen... und in deiner Gegenwart fühle ich mich geborgen."

Ich war erstaunt über ihre Äußerung, doch bevor ich eine Erklärung ihrer Worte von ihr ersuchen konnte, war sie bereits eingeschlafen. Ich beobachtete sie und fühlte mich aufgrund ihrer Worte hochgestimmt. Doch wieso erfreute mich die Aussage der Königin so ungemein?







*Säfte des Körpers = Im Mittelalter ging man davon aus, dass die Gesundheit und Krankheit eines Menschen von dem Gleichgewicht der vier Säfte im Körper abhing. Dazu zählten: Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle. Sobald einer dieser Säfte die anderen überwog, oder unrein war, litt der Mensch an einer Krankheit.

°Bader= ein Bader hatte keine akademisches Studium genossen, doch er hatte oft mehr praktisches Wissen, als der Medicus, da er die Operationen vornahm. Ihm war es, ihm Gegensatz zu dem Medicus,
gestattet mit Blut in Berührung zu kommen. Trotzdem genoß der Medicus das höhere Ansehen und wurde meist zur Behandlung von Adligen beauftragt, während die Dienste des Baders auch für das normale Volk erschwinglich waren.

(Sorry, falls ich zu viele Zusatzinfos in dieses Kapitel eingebracht hab. Ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen. Falls irgendetwas über die Begriffe unklar ist, meldet euch.)

Verpflichtungen oder Liebe? (Girl X Girl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt