Kapitel 37

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Elisabeth

Ich begab mich zu meinem Gemach. Es war bereits später Nachmittag und die Sonne begann langsam zu sinken. Das Licht flutete die Gänge des Schlosses mit einer angenehmen Ausstrahlung, doch leider vermochte ich es nicht sie zu genießen.

Mich erfüllten zu viele Ereignisse mit Sorge und ich empfand erneut eine Last, die schwer auf meinen Schultern wog. So schwer, dass es mir schien, als läge das Schicksal der Welt in meinen Händen, doch ich war mir nicht gewiss, ob ich dieser Aufgabe gewachsen war.

Natürlich konnte ich diese Sorge mit niemandem teilen. Ich war die Königin Englands. Ich verkörperte Stärke, Entschlossenheit und das englische Volk. Es war mir nicht erlaubt meine Fähigkeiten in Frage zu stellen. Für mein Volk präsentierte ich mich also stets als unbeirrbare und standhafte Führerin, die sich ihrer Sache sicher war und aufgrund Gottes Legitimation das Vorrecht auf den englischen Thron besaß und dazu bestimmt war dem englischen Königreich zu unbekannter Größe zu verhelfen, doch lag die Gunst Gottes tatsächlich noch bei mir?

War Maria Stuart ein Mittel Gottes, um mich von dem englischen Thron zu stoßen? Hatte ich seinen Zorn auf mich gezogen? Hatte er sich von mir abgewandt? Und falls ja, wie konnte ich Sühne leisten?

Ich erreichte mein Gemach und trat ein. Es überraschte und verärgerte mich Sir Cecil, anstatt Alissa, in meinem Gemach vorzufinden.

"Sir Cecil, gebt mir Preis, weshalb Ihr es für angemessen hieltet, mein Gemach ohne meine Erlaubnis zu betreten! Wollt Ihr mich zum Narren halten?!"

"Verzeiht, Eure Majestät! Aber bitte seid Euch gewiss, dass der Grund meines ungewöhnlichen Erscheinens nicht der war, Euch zum Narren zu halten, denn ich strebe nicht danach Euer Wissen zu schmälern, wohl aber danach es zu erweitern."

"Nun, so sprechen Sie Ihr Anliegen aus und lassen mich entscheiden, ob ich es als einen angemessenen Vorwand für ein solches Benehmen erachte. "

"Eure Majestät sind fürwahr sehr ritterlich. "

Er wich der Antwort mit seinen Schmeicheleien nur aus und es erzürnte mich umso mehr.

"Ihr wolltet Euer Anliegen verkünden, wenn ich mich nicht irre."

"Gewiss doch! Eure Cousine, Maria Stuart, ließ Euch diesen Brief überbringen. Ich wollte sicherstellen, dass der Brief direkt in Eure Hände findet und auf keinen Umwegen zu Euch gelangt, falls Ihr versteht was ich andeute."

"Sehr wohl...Nun gut, ich weiß Ihren Einsatz und Ihre Loyalität sehr zu schätzen, jedoch würde ich es präferieren, falls Sie das nächste Mal die Güte besäßen, bis zu meiner Ankunft vor meinem Gemach zu verweilen, Sir Cecil. "

Er lächelte leicht und überreichte mir Marias Brief.

"Das könnte ich wohl für Eure Majestät verrichten. "

Nun erwiderte ich ein schmales Lachen, da dies das erste Mal war, dass Sir Cecil in einer etwas scherzhaften Weise das Wort an mich richtete.

"Dies zu vernehmen, erfreut mich ungemein, Sir Cecil. Ich danke Ihnen."

Ich wendete meine Aufmerksamkeit nun dem Brief meiner Cousine zu, das Siegel des Briefes war noch ungeöffnet. Ich zerbrach das Wachssiegel rasch und begann zu lesen:

Verehrte Cousine,

Ihr habt mich, Schutzsuchende, verstoßen vom eigenen Volk, bei Euch aufgenommen und ich stehe dafür tief in Eurer Schuld. Dennoch muss ich leider der Tatsache gewahr werden, dass Ihr mich als Bedrohung für Euer Königreich versteht.

Verpflichtungen oder Liebe? (Girl X Girl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt