𝟬𝟬 || 𝘿𝙚𝙧 𝘼𝙣𝙛𝙖𝙣𝙜 𝙭 𝙚𝙞𝙣𝙚𝙨 𝙭 𝘼𝙗𝙚𝙣𝙩𝙚𝙪𝙚𝙧𝙨

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Ich schlich auf Zehenspitzen die Treppe hinunter, hoffend, dass ich auf keinen der knartschenden Holzbalken treten würde. Früher am Tag hatte ich ausgetestet, welche Route ich am Besten nehmen sollte, um so leise wie nur möglich nach unten ins Erdgeschoss zu gelangen, um in der Nacht das Weite zu suchen. Da aber zusätzlich der starke Regen gegen die Fenster schlug, konnte ich mir wahrscheinlich ein paar Fehltritte erlauben, herausfordern wollte ich es aber nicht. Ab 21 Uhr war für gewöhnlich Nachtruhe und wenn man mich außerhalb des Zimmers erwischte, würde es mächtig Ärger geben. Wahrscheinlich würde ich das Tageslicht dann einige Tage nicht mehr sehen, aber so weit würde ich es nicht kommen lassen.

Die Träger meines zuvor gepackten Rucksacks fest umschlossen, huschte ich durch den breiten, vollgestellten Flur, als ich das erste große Hindernis gemeistert hatte. Jetzt kam aber erst der schwierige Teil. Da die Betreuer nämlich noch wach waren und in der Küche miteinander quatschten, musste ich mich irgendwie unbemerkt an ihnen vorbei schleichen, um letztendlich den Hinterausgang zu erreichen. Wenigstens waren sie mein einziges Problem, wären die anderen Kinder hier gewesen, hätte man mich schon längst verpetzt und in die Pfanne gehauen. Ich war nur froh, dass niemand damit rechnen würde, dass ausgerechnet ich von hier verschwinden wollen würde, so hatte auch niemand Verdacht geschöpft, dass ich schon seit einigen Wochen einen Plan dafür ausheckte. Ganz für mich allein.

Ich linste kurz um die Ecke, um festzumachen, wie viele Betreuer noch wach waren und ob es wirklich die einzigen waren, die noch wach waren, bevor ich versuchte, mich an der Tür vorbeizuschleichen. Doch das ging schneller schief, als mir lieb war. Ich wurde entdeckt und sofort ausgefragt, was ich um diese Zeit noch hier unten zu suchen hätte. Doch anstatt zu antworten, beschloss ich auf den letzten Metern einfach meine Beine in die Hand zu nehmen. Wahrscheinlich hätte ich es sowieso nicht unbemerkt an ihnen vorbei geschafft, da es keinen anderen Weg zur Hintertür gab, ohne dass man an der offenen Küchentür vorbei gemusst hätte.

Die Betreuer waren mir direkt auf den Fersen und riefen, dass ich gefälligst stehen bleiben sollte. Doch ich hatte einen anderen Plan. An der Hintertür angekommen, wollte ich diese gerade aufreißen und endlich abhauen, doch zu meinem Pech war die Tür abgeschlossen. Dabei war ich mir so sicher, dass sie erst abgeschlossen wurde, wenn auch die Erwachsenen langsam schlafen gingen. Die Betreuer kamen immer und immer näher und unter meiner Verzweiflung blieb mir nichts anderes übrig, als wie wild an der Tür zu rütteln, bis sie auf einmal wie von selbst den Weg nach draußen öffnete. Offenbar hatte die Tür nur geklemmt, worüber ich aber nicht länger nachdachte und stattdessen lieber so schnell rannte, wie ich es in meinem Leben bisher noch nie getan hatte, bis mich die alten Knacker nicht mehr einholen konnte.

Vermutlich würden sie mir nicht mehr hinterherrennen und stattdessen die Herrin des Hauses verständigen. Vermutlich würde sie anordnen, dass man einen Suchtrupp zusammenstellen und mich finden sollte. Oder sie ließ mich laufen, da sich diese Mühe für sie nicht lohnte, was mich allerdings auch nicht wundern würde. Und egal war es mir auch. Um sicher zu gehen hechtete ich rüber in den Wald, wo man mich nicht so schnell finden sollte und verschwand letztendlich in der Tiefe der Dunkelheit, um eine so weite Distanz aufzubauen, wie nur irgendwie möglich.

𝙃𝙪𝙣𝙩𝙚𝙧 𝙓 𝙃𝙪𝙣𝙩𝙚𝙧 || 𝙒𝙤𝙣𝙖𝙘𝙝 𝙨𝙞𝙚 𝙨𝙞𝙘𝙝 𝙨𝙚𝙝𝙣𝙩Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt