»Um es einfach zu machen: Nen meint die Fähigkeit, seine Aura kontrollieren zu können«, erklärte der Meister, als ich ihm meine volle Aufmerksamkeit schenkte und bereit war, zu lernen. Gon, Killua und Zushi, die diesbezüglich schon alles wussten, was mir der Meister nun erklären würde, setzten sich jeweils in einen anderen Teil des Raumes und nutzten die Zeit, weiter ihr Hatsu zu trainieren. Ab und zu versuchte einer von ihnen den Fortschritt des anderen zu erhaschen, was dann in einem kleinen Wettkampf ausartete, wer es zuerst schaffen würde. Doch darauf versuchte ich mich eher weniger zu konzentrieren.
»Statt Aura, könnte man aber auch Lebensenergie sagen.« Meister Wing wandte sich ganz allein an mich und zog somit wieder die Aufmerksamkeit auf sich. »Diese Energie ist jedem lebendigen Geschöpf eigen. Aber normalerweise erströmt sie dem Körper unkontrolliert. Es gibt insgesamt vier Prinzipien. Die Fähigkeit, sich mit dieser Lebensenergie zu umhüllen, nennen wir Ten. Damit kann man seinen Körper härten und auch den Alterungsprozess verlangsamen. Wenn man diese Fähigkeit also nutzt, kannst man sich in einem Kampf besser schützen. Dann das Zetsu. Damit löscht man seine Aura komplett aus. So kann man seine Präsenz verbergen und es ist hilfreich, um sich von Erschöpfung zu erholen. Und schließlich das Ren. Damit erzeugt man eine besonders starke Aura, die zumeist für Angriffe genutzt wird. Das Hatsu ist natürlich auch nicht zu vergessen, dazu kommen wir aber, wenn du die anderen Prinzipien gelernt hast.«
Meister Wing schrieb alle wichtigen Begriffe mit einem nicht permanenten Edding an eine große Tafel, vor der er stand. Dann wandte er sich wieder an mich. Er blickte mich konzentriert an und schien auf eine Reaktion zu warten. Ich dachte erst, dass er mich etwas gefragt und ich es überhört hatte, doch dann fühlte ich es. Es war, als wenn Meister Wing seine Präsenz ausweiten würde und somit den ganzen Raum einnahm, obwohl er nur regungslos vor mir stand. War dies etwa seine Aura?
»Spürst du sie?«, fragte er.
»Ja, ich spüre einen Druck. Aber es fühlt sich nicht gefährlich an«, sagte ich äußerst beeindruckt und war wirklich interessiert, wie er dies anstellte. Bei Gon ist die Aura ähnlich gewesen, doch auch wenn sich diese genauso ungefährlich anfühlte, fühlte ich mich ziemlich unbehaglich. Bei Wing war dies nicht anders.
»Weil ich keine feindseligen Absichten hege. Aura ist eine Energie, die aus dem Inneren des Menschen kommt. Deshalb wirkt sie auch besonders stark auf menschliche Körper. Zum Guten oder zum Schlechten. Wenn sie in feindseliger Absicht auf einen wehrlosen Menschen trifft, wird die Aura ihn töten«, erklärte der Mann, während er ein wenig im Zimmer umher ging. »Und nur eins hilft gegen jemanden, der Nen verwendet. Und zwar selbst Nen zu erlernen. Du musst das Ten zur Verteidigung einsetzen. Wehr die Aura des Gegners mit deiner eigenen ab. Ansonsten...« Meister Wing kam vor der Zimmerwand zum Stehen und legte seine Hand auf diese, ehe er einen enormen Druck ausübte. Bevor ich mich versah, war die Wand in sekundenschnelle zerstört. Dort war nun ein Einschlag von etwas, was überhaupt nicht eingeschlagen war. Das war also Nen. Wahrscheinlich würde man diese Kräfte als Superkräfte einstufen können, so unwirklich kam sie mir vor. »Wird sie deinen Körper zerfetzen«, fuhr er fort. »Nen als Lebensenergie ist zwar in jedem Menschen vorhanden, aber derzeit sind nur wenige in der Lage, diese Kraft zu nutzen. Deshalb nennt man sie schnell für Genies, Führungspersonen, Wissenschaftler, Gurus oder anderweitig herausragende Menschen.«
Ich grübelte ein wenig über seine Worte. »Jeder Mensch hat also diese Kraft?«
»Ja. Und es gibt zwei Wege, diese Kraft zu erwecken. Es ruhig anzugehen oder es zu erzwingen. Zushi ist den ersten Weg gegangen. Er lernt schnell und hat hart trainiert. Deshalb konnte er das Ten in sehr kurzer Zeit erlernen, in gerade mal sechs Monaten. Gon und Killua sind den zweiten Weg gegangen. Um das Ten zu lernen, haben sie auch nur einige Stunden benötigt.«
Ich sah die beiden Jungs, die sich gerade auf der Couch zofften, anstatt zu trainieren, erstaunt an und konnte diesen Unterschied kaum fassen. Nur um eine der vier Prinzipien braucht der eine ein halbes Jahr, die anderen nicht mal einen halben Tag. Wie konnte das möglich sein? Ob ich das wohl auch schaffen würde? Wahrscheinlich eher weniger. Aber ich schwor mir dennoch große Mühe zu geben. »Was muss man denn tun, wenn man den schnelleren Weg gehen will?«, fragte ich dann, als ich zu Meister Wing aufsah.
»Ich wusste, dass du fragen würdest. Wenn du die schnellere Variante wählst, müssen wir es erzwingen.«
»Wie lange wird es dann dauern, bis ich Ten gelernt habe?«
»Das liegt allein an dir. Du musst zuerst lernen, deine Aura an dich zu binden. Ich werde nun meine Aura an dich senden. Mit demselben Hatsu, das ich dir gerade demonstriert habe. Natürlich werde ich mich zurückhalten, da es nicht meine Absicht ist, deinen Körper, wie die Wand hinter mir, zu zerstören. Aber das Risiko besteht dennoch. Ich versuche damit dein Erwachen zu erzwingen. Ich gebe deinen schlafenden Körper einen Stoß, damit du das Ten leichter erlernen kannst. Ich nenne es Schlafen, da die Poren des Energiestroms noch verschlossen sind und so der Fluss deiner Aura blockiert ist. Deshalb werde ich meine Aura in dich schicken und deine Auraporen öffnen. Normalerweise würde man durch Gebet und Meditation ein Gefühl für seine Aura entwickeln. Und sobald man die Aura in seinem Körper fühlt, wird sich eine Pore nach der anderen öffnen. Deshalb dauert es so lange. Selbst Zushi, ein echtes Naturtalent, hat dafür drei Monate gebraucht. Du hättest es vielleicht noch etwas schneller schaffen können. Deshalb finde ich es überaus bedauerlich, dass wir nicht einmal diese kurze Zeit dafür haben.«
Das stimmte. Wir konnten nicht sonderlich lange bleiben. Killua erklärte mir, dass sie am ersten September in Yorkshin sein wollten, was Gon auch schon erwähnt hatte, um sich mit alten Freunden zu treffen. »Irgendwie verstehe ich es nicht ganz. Ich finde, je schneller es geht, desto besser.«
Ich hörte plötzlich ein lautes Lachen, welches von Gon ausging, der soeben eines der Kissen in Killuas Gesicht drückte. »Dasselbe hat Killua auch gesagt.«
»Diese Methode nennt sich Gehou und wird zurecht missbilligt«, meinte der Meister dann und erklärte es mir näher, während er seine Brille zurecht rückte. »Sie übergeht den eigentlichen Ablauf des Lernens. Und du könntest sterben, wenn die ausführende Person unbedacht ist oder unlautere Absichten verfolgt.«
Es war, als wenn ich eine neue Welt entdeckt hätte. Kräfte, von denen ich zuvor nie gehört hatte und lauter Gefahren, denen ich mich so urplötzlich stellen musste. Es war kaum vorstellbar, aber ich hätte mit Sicherheit einiges verpasst, wenn ich in meinem Dorf geblieben wäre. Ich hätte die wahre Welt verpasst.
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𝙃𝙪𝙣𝙩𝙚𝙧 𝙓 𝙃𝙪𝙣𝙩𝙚𝙧 || 𝙒𝙤𝙣𝙖𝙘𝙝 𝙨𝙞𝙚 𝙨𝙞𝙘𝙝 𝙨𝙚𝙝𝙣𝙩
Fiksi PenggemarWarnung: Gewalt Killua x Oc Schon lange fasziniert Nia Imakuro das, was sich außerhalb ihres armen Dorfes befindet, von dem sie bislang nur in sämtlichen Büchern gelesen hat. Aber auch unzählige Geschichten über Freundschaft, Liebe und Vertrauen hab...