Okay, gut.
In diesem Jahr ist mir immer öfter aufgefallen, wie ich meine Welt anders wahrnehme.
Denn das ist bei Autisten so.
Und ich weiß nicht, ob ich darüber glücklich sein soll oder ob ich es verfluchen soll.
Um es vielleicht ein bisschen besser zu verstehen, wie in etwa ich die Welt anders wahrnehme, habe ich eine Erklärung, von der mir meine Mutter letztens erzählt hatte, weil ich es erklären wollte. Denn normale Menschen können es nicht ganz verstehen, aber das braucht man auch gar nicht.
Stellt euch vor, normale Menschen würden mit schwarzen Gardinen vor den Augen durch ihr Leben laufen und deswegen sehen sie Eindrücke meistens nicht ganz. Doch bei Autisten existieren die Gardinen nicht. Uns wird die Welt in voller Lautstärke präsentiert. Mit allen Menschen. Mit allen Farben.
Ich für meinen Teil höre, wenn ich im Klassenzimmer sitze, fast jedes Gespräch. Und das durcheinander. Und am besten schreit Eden noch rum. Und meine Freunde lachen.
Und ich sitze zwischen all dem Lärm und habe das Gefühl meine Nerven platzen gleich.
Es gibt wirklich Momente, in denen ich so ausgereizt bin, dass ich wie ein kleines Kind anfangen könnte zu heulen.
Und genau das erklärt immer diese „aus dem Nichts“ Ausraster. Es gibt immer Gründe dafür, verdammt und hauptsächlich ist es die Umwelt. Durch so viel Lautstärke, Berührungen, Wahrnehmung können wir am Ende sein. Besonders wenn Leute sich über uns lustig machen. Und dann wundern sich die Menschen, warum die meisten heulen.
Wir sind keine Krüppel. Wir kriegen alles mit, ihr Dreckspenner. Schämt euch. Wirklich.
Okay, weiter im Text. Das Thema werde ich nochmal wann anders ansprechen.
Wenn ich nach Hause komme, bin ich froh, wenn ich meine Kopfhörer aufsetzen kann und einfach verschwinden kann. Für ein paar Minuten. In einem Klang. Und nicht in vierzig.
Die meisten Menschen würden Autisten für Weicheier halten, aber das sind wir nicht. Wir können nichts dafür, dass wir Dinge anders wahrnehmen, es ist nun mal so. Und ich weiß nicht, wie normale Menschen alles wahrnehmen, aber die können sich auch kein Stück vorstellen, wie sehr ich geschafft bin, wenn ich von der Schule zurückkomme.
Und ich denke über alles und jeden nach. Über jeden Menschen in meiner Klasse, über Menschen, die ich sogar nur an meiner Bushaltestelle sehe und gar nicht kenne. Ich mache mir sogar über Menschen Gedanken, die ich vielleicht später mal kennenlernen könnte. Und das tut jeder, ja. Aber sobald eine Person von sich anfängt zu erzählen, geht es los. Die Räder rattern.
Und die Probleme der Person bereiten mir Sorgen.
Und plötzlich kann ich nicht mehr in Ruhe schlafen und meine Fingernägel sind fast nicht mehr existent.Das heißt nicht, ich hasse alles.
Das kann auch Vorteile haben, so ist es nicht.
Ich höre mir auch gerne die Sorgen der anderen an, aber irgendwann ist das alles zu viel.Das alles ist sehr schwierig zu erklären und ich kann es mir noch nicht mal selbst erklären, aber es ist so.
Und wahrscheinlich gibt es ganz viele normale Leute die sagen: „Das ist doch normal.“
Nein, ist es nicht. Jeder Laut reizt uns. Wenn jemand nur seine Stimme erhebt, ist für mich so, als würde ich gerade angeschrien werden.
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Igelkind
General FictionWillkommen in meinem autistischen Kopf. Ich beschreibe hier mich selbst, um Dinge zu verarbeiten. Einfache Situationen oder Gedankengänge. Autismus. Das ist schwierig zu erklären, doch wenn ich sage, ich bin wie Sheldon Cooper, tue bloß so, als wär...