14. F*cking Curiosity (Teil 1)

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Eilig gehe ich durch die Gassen von New York. Langsam wird die Abendsonne durch das Dunkel der Nacht abgelöst. Fröstelnd ziehe ich meine Jacke enger und schaue mich alle paar Schritte um, ob mir jemand folgt, doch es ist alles still. Trotz meiner Absicherung, dass ich alleine bin, werden meine Schritte immer schneller und ich bete bald zu Hause anzukommen. Ich hasse es so spät von der Bibliothek heimzugehen, aber es ist immer dasselbe. Ich bitte meinen herzallerliebsten Bruder sich für zwei Stunden still zu verhalten, damit ich lernen kann, und was macht er, er lädt alle seine Freude ein, nur damit sie laut sind und ich gehen muss. Pubertät hin oder her ich hasse diese eingebildete Kreatur, die sich alles leisten kann, da unsere Eltern ihrem Jüngsten alles durchgehen lassen. Wobei es liegt nicht an seinem Alter, denn meiner älteren Schwester erlauben sie auch alles. Ich war schon immer das schwarze Schaf in der Familie, obwohl ich als Einzige die Schule angeschlossen und in zwei Wochen meine Ausbildung zur Krankenschwester beendet habe. Wenigstens kann ich in einem knappen Monat endlich ausziehen, wenn ich meinen neuen Job im Krankenhaus angetreten habe. Immer weiter drifte ich in meine Gedanken ab, bis ich plötzlich durch einen Knall herausgerissen werde, dem das Geräusch von zerbrechenden Glasscheiben folgen. Abrupt bleibe ich stehen und versuche herauszufinden von wo das Geräusch kam, was sich gar nicht als so einfach erweist, jedoch höre ich plötzlich hektische Stimmen aus einer Seitenstraße. Meine Vernunft sagt mir, dass ich einfach weitergehen soll. Das lernt einem schon das Fernsehen, dass man nicht in der Nacht in eine dunkle, scheinbar verlassene Seitenstraße geht, aus der ein Geräusch kam, was vielleicht ein Schuss hätte sein können. Außerdem wohne ich schon mein Leben lang in New York, hier lernt man, wenn man in einem nicht so etablierten Viertel wohnt, schon ziemlich schnell, wo man seine Nase besser nicht hineinstecken sollte. Jedoch sagt meine Neugierde, dass ich unbedingt nachsehen gehen sollte. Wie Engelchen und Teufelchen, die sich auf meinen Schultern niedergelassen haben... Verstand sagt 'Nein', Neugierde schreit 'JA'.

Ratet mal wer gewonnen hat. Ich gebe euch einen Tipp, vor mir liegt eine Leiche, zwei Pistolen sind auf mich gerichtet und ich habe keine Ahnung, wie ich hier lebend wieder rauskomme. Was soll ich bloß machen... weinen, betteln, sie dazu zwingen mir meine Menschenwürde anzuerkennen? Wobei wenn ich mir das hier so anschaue, denke ich nicht, dass die so viel von Würde verstehen. Schweigend starren wir uns gegenseitig an. Jeder wartet was der andere zuerst macht. Als ich nach ein paar Minuten, zwar immer noch von zwei Typen mit Waffen bedroht werde, aber noch am Leben bin, entschließe ich mich mal vorsichtig die Grenzen auszuloten. Mehr als draufgehen kann ich nicht. Langsam lege ich meine Handtasche auf den Boden, denn falls ich irgendwie die Möglichkeit haben sollte hier abzuhauen, wird mich das Ding nur blockieren. Klar, dann haben sie meinen Ausweis und wissen wer ich bin, aber wenn ich das hier  überleben sollte, bin ich heute Abend so und so am Weg nach Irgendwohin. So intelligent mir meine Idee im ersten Moment vorkam, war sie anscheinend nicht, denn die zwei menschlichen Schränke kommen auf mich zu. So schnell kann ich gar nicht reagieren, hat mir einer von ihnen eine Spritze in den Hals gestochen und ich merke, dass die Lichter vor meinen Augen zu flattern beginnen, bis ich vollkommen bewusstlos bin.

Leises Gemurmel dringt zu mir durch und der Drang meine Augen zu öffnen wird immer größer, bis ich ihm nachgebe. Das Erste was ich sehe ist ein Mann. Ein Mann in weiß, strahlend weiß. „Bin ich tot?" Genervt zieht der Man vor mir eine Augenbraue in die Höhe. „Weißt du wie viele Dollar ich schon hätte, wenn ich, jedes Mal wenn jemand hier aufwacht und diesen Satz sagt, einen bekommen würde?" „Einen?" Überrascht, beinahe beeindruckt, nickt er mir kurz zu: „Du bist eine der Ersten, die wenn sie hier her kommt noch Humor hat." „Was heißen mag?" Nichtssagen zuckt er mit seinen Schultern. Was läuft hier? Vorsichtig hebt er meinen Arm an und legt seine Finger um mein Handgelenk. Ich war schon kurz davor mich zu beschweren, als ich durchschaue, dass er meinen Puls kontrolliert. „Sind Sie Arzt?" „Ja." „Wo bin ich." „In New York." Nach meinem Puls sind noch etliche andere Sachen dran, die er durchcheckt. „Geht das auch genauer?" Demonstrativ steckt er seinen Stift unter die Klammer an seinem Klemmbrett. „Ja, natürlich würde es genau gehen, aber ich werde es dir nicht sagen." Ohne ein weiteres Wort erhebt er sich. „Anziehen! Du wirst erwartet." Mit einem Nicken deutet er auf den Stuhl neben sich, wo ich meine Sachen entdecke. Das ist das erste Mal, dass ich an mir runterschaue. Ich habe eines dieser weißen, gespensterartigen Krankenhausnachthemden an. Erleichtert stelle ich fest, dass ich wenigstens noch meine Unterwäsche anhabe, aber sein wir mal ehrlich, wirklich was verdecken tut die auch nicht. Schnell greife ich nach meiner Hose. „Wenn ich frage wer mich erwartet, bekomme ich dann wieder eine blöde Antwort?" „Ja." Kurz und knackig, damit kann ich umgehen, auch wenn es nicht sehr befriedigend ist. Eilig ziehe ich mir mein Shirt über und schlüpfe in meine Chucks.

„Und wohin jetzt?" Ohne seinen Blick zu mir zu wenden, klopft er an die Tür, die sich kurze Zeit darauf öffnet und die zwei Herrn mit denen ich heute schon mal das Vergnügen hatte, treten ein. „Die beiden bringen dich hin." Missmutig stapfe ich den beiden nach. Mal linksherum, mal rechtsherum und immer so weiter und das minutenlang. Selbst wenn ich versucht hätte mir den Weg zu merken, wäre das unmöglich gewesen. Endlich kommen wir bei anscheinend der richtigen Tür an, als einer der beiden anklopft. Von drinnen ertönt ein zustimmender Laut und wir treten. Das Bild, das sich vor mir erstreckt, ist einfach nur grotesk. Ein halb nackter Mann liegt auf dem Bett und eine nackte Frau, die nur zu einem kleinen Teil mit einer Decke bedeckt ist, liegt neben ihm. Grob gesagt, verwendet er ihren Hintern als Kaffeetisch. Genauso abschätzend wie er mich beobachtet beobachte ich ihn. Ohne seinen Blick von mir abzuwenden, nimmt er die Tasse hoch: „Geh!" „Ernsthaft, jetzt?!" Erzürnt sieht die Grazie ihn an. „Klang das wie eine Frage für dich... du sollst gehen."

Seine Augen taxieren mich und ich steige nervös auf der Stelle herum. „Wie heißt du?" Seine Stimme ist scheidend und doch fängt es sofort an in meinem Körper zu kribbeln. „Abbi." „Nein, keinen Spitznamen. Wie heißt du?" Elegant schwingt er seine Beine aus dem Bett und setzt sich auf den Bettrand. „Abigail." „Ok, dann belassen wir es mal bei Abigail. Deinen Nachnamen finden wir auch so raus. Also was wolltest du in der Gasse?" Bemüht ihn nicht zu sehr anzustarren, schaue ich auf die Wand gegenüber. „Neugier." Ich habe mittlerweile eingesehen, dass es nichts bringt zu lügen. „Bist du in dieser Gegend geboren?" Meinen Blick auf sein Gesicht richtend nicke ich. „Und trotzdem gehst du nachsehen, wenn du einen Schuss hörst. Ich weiß nicht, ob ich das mutig oder dumm finden soll." Gelangweilt zucke ich mit den Schultern. Ich habe keine Angst vor meinem Gegenüber. Ich weiß zwar auch nicht genau wieso, aber ich bin mir sicher, dass er mir nichts antut. „Und wer bist du?" „Einfach nur Jimmy." Genervt verdrehe ich die Augen: „Soll ich jetzt auch sagen, dass ich den Rest schon alleine rausfinden werde?" „Naja, da kannst es ja versuchen, aber ich bin mir sicher, dass du nichts finden wirst." „Ich habe auch nicht erwartet heute einer Hinrichtung beizuwohnen, aber sieh an, was durch Zufall alles ans Licht kommen kann." „Wenn du so viel Glück hast, herzufinden wer ich bin, gönne ich es dir."

Langsam steht er auf und kommt auf mich zu. Vorsichtig greift er nach meiner Hand. Sachte hält er mein Handgelenk umschlossen. Skeptisch betrachte ich ihn. Mein Blick wandert zwischen seinem Gesicht und unserer Hände hin und her. Der Umstand, dass er immer noch oben ohne ist, wird mir bei jedem Atemzug, bei dem meine Brust seine streift, klarer. Unverwandt starrt er mich an. „Mach ich dich nervös?" Neckisch grinst er mich an und da beginne ich zu begreifen. Er fühlt meinen Puls. „Ich wurde von fremden Menschen entführt, nachdem ich gesehen habe, wie sie jemanden erschossen haben." „Ja und dazu würde das Gefühl Angst passen, aber du hast keine Angst." Gedankenverloren nicke ich. „Und trotzdem rast dein Puls..." Immer noch hält er meine Hand in seiner und kratzt leicht mit seinen Nägeln über meine Haut.

„Du solltest jetzt besser gehen." „Einfach so?" „Ja, ich denke ich kann nichts sagen was dir Angst macht und falls du uns Ärger machen sollten, finden wir dich sowieso." „Wir?" „Ja, wir." „Wieso habt ihr mich überhaupt hergebracht, wenn ich sofort wieder gehen darf?" Herablassend und doch so unsagbar sexy grinst er mich an. „Spaß an der Freude." Enerviert ziehe ich meine Hand aus seiner und drehe mich um, um zu gehen. „Wir sehen uns Abigail." „Ich hoffe nicht, Jimmy."

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