3. Du kannst, wenn du willst (Teil 3)

10.3K 119 30
                                    

Bis zur Hauptspeise necken Nick und ich uns gegenseitig. Mal verirrte sich seine Hand unter mein Kleid, mal wandert meine Hand langsam seinen Oberschenkel hinauf. Wenn ich mir sicher war, dass er zu mir sieht, schob ich meine Gabel elendslangsam in meinen Mund und zog sie in der selben Geschwindigkeit wieder hinaus, um ihm zum Schluss einen koketten Blick zuzuwerfen und einmal meine Zunge darüber wandern zu lassen. Schluckend verfolgt er jede meine Bewegungen. Es ist fast so als wären wir in einer Blase gefangen, aus der wir durch Annas Stimme herausgerissen werden: „Nella, erzähl uns was von Seattle. Wie ist es da so?" Schnell räuspere ich mich, bevor ich nach meinem Glas Wein greife, einen Schluck trinke und zu erzählen beginne. Gebannt hören sie meinen Ausführungen zu, welche eigentlich nur die Aussage, dass ich nichts mache außer zu arbeiten, schön verpacken. Ich dachte, dass mein Leben hier trist ist, aber dass das noch schlimmer geht hätte ich nicht erwartet. Mir ist klar, dass ich nicht unbedingt zu den geselligsten Menschen gehöre, aber in Seattle habe ich nicht mal Anna, die ab und zu sicher geht, dass ich das Haus verlasse. Zugegeben mein Boss verlangt mir einiges ab und ich habe nicht wirklich viel Freizeit, aber sogar am Wochenende sitze ich zu Hause und vergrabe mich in irgendwelchen Akten. Der einzige Lichtblick der sich mir hin und wieder bietet, ist der Kontakt zu Nick, aber das werde ich ihm sicher nicht unter die Nase reiben. Dieses lockere Miteinander, diese Witze, von denen manche schon zu Insidern wurden, ich möchte es nicht mehr missen müssen. Vielleicht ist das auch einer Gründe, weshalb ich nicht mit ihm schlafen möchte, denn sobald diese Grenze überschritten ist, hat er keinen Grund mehr den Kontakt mit mir aufrecht zu halten. Er ist es der diese Zeit in Seattle für mich erträglich macht. Soweit habe ich selbst noch nie gedacht. Schockiert starre ich Nick an, der mir einen verwirrten Blick zuwirft. Langsam erwache ich wieder aus meiner Starre und bin heilfroh, dass das Essen in diesem Augenblick gebracht wurde.

Das Essen, das so neckisch begonnen hat, zieht sich immer mehr in die Länge und irgendwann sind Anna und Luke zur Gänze in ihre romantischen Pärchen-Klischees vertieft - sie teilen sich eine Spaghetti, füttern sich gegenseitig, um den andern kosten zu lassen, und so weiter. Genervt wende ich meinen Blick ab und weiß, dass Nick und ich genau in der selben Situation sind, wie in der Nacht, in der wir uns kennengelernt haben, da wir uns gezwungenermaßen unterhalten sollten. Etwa fünf Mal räuspert sich Nick bevor zu mir sieht und wir uns über so belanglose Sachen, wie das Wetter unterhalten. Keine einzige Doppeldeutigkeit mehr und nichts Provozierendes. Ich bin immer noch geschockt von meiner Erkenntnis, aber weshalb er sich innerhalb der letzten halben Stunde so distanziert hat, verstehe ich nicht. Während unseren gesamten Gespräch zermartere ich mir mein Gehirn, ob ich ihn irgendwie beleidigt habe oder etwas getan habe, das ihn so abschreckt, dass er kein Interesse mehr an mir hat, auch wenn es nur um eine Wette geht.

Erleichtert atme ich auf. als Anna und Luke schon vor dem Dessert aufbrechen wollen, da sie beide morgen arbeiten müssen. Jetzt muss ich nur noch eine Autofahrt mit Nick überstehen und kann mich endlich wieder aufs Wesentliche konzentrieren. Am Weg nach draußen lege ich mir in meinem Kopf etliche Begründungen zurecht, damit ich hinten neben Anna im Wagen sitzen kann, welche aber von besagter Person mit einem einzigen Satz zerstört werden: „Nella, würde es dir was ausmachen mit dem Taxi nach Hause zu fahren, da ich eigentlich bei Luke schlafen möchte, denn von dort brauche ich nur zehn Minuten zur Arbeit? Du und Nick könnt euch ja eines teilen." Wütend sehe ich sie an und stelle erleichtert fest, dass sie wenigstens den Anstand besitzt zerknirscht dreinzuschauen. Ich möchte ihr schon mit der Aber-wir-haben-uns-ja-schon-solange-nicht-mehr-gesehen-Masche komme, als ich auf einmal ein gebrummtes ‚Ja ist schon ok, einen schönen Abend euch beiden noch' höre und Nick mich mit einer Hand auf meinem Rücken zu einem Taxistand schiebt. Eigentlich möchte ich mich noch von Luke und Anna noch verabschieden, jedoch löst seine Hand so ein Kribbeln in meinem Bauch aus, dass ich meiner eigenen Stimme nicht wirklich traue.

My little BoudoirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt