Kapitel 4

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Nach ihrem Treffen im Café war Juliana sich sicher, dass es etwas Besonderes zwischen ihr und Jamie gab. Als er ihr zur Verabschiedung einen leichten Kuss auf die Lippen gehaucht hatte, hatte sich ein wohliges Kribbeln in ihrem Körper ausgebreitet. Sie konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so gut in jemandes Gegenwart gefühlt zu haben. Ihr Herz schlug ihr noch immer bis zu Halse, wenn sie an den, viel zu kurzen, Kuss dachte.

Sie drehte ihren Kopf zur Seite, um Jamie zu betrachten. Sein Blick war auf den Kinofilm gerichtet, den sie zusammen ansahen, doch seine Gedanken schienen woanders zu sein. Als sie vorsichtig seine große Hand ertastete, schreckt er regelrecht aus seinen Gedanken heraus. Kurz sah er sie an und lächelte, dann richtete er seinen Blick wieder auf den Film. Ihre Hand ließ er dabei nicht los, was Juliana sehr begrüßte, hatte sie doch schon seit Beginn des Filmes gehofft, Jamie würde endlich ihre Hand in seine nehmen. Ihr Verhalten, wenn sie in seiner Gegenwart war, kam ihr selbst unglaublich dämlich und kindisch vor, doch sobald sie sein strahlendes Lächeln sah, konnte sie nicht anders. Ihre Gedanken überschlugen sich jedes Mal und schafften es einfach nicht geordnet zu bleiben. Doch auch Jamies Gedanken schienen diesmal nicht vollkommen bei ihr zu sein. Schon als er sie mit dem Auto abholte, hatte sie das Gefühl, dass er über etwas nachgrübelte. Sie war sich sicher, dass ihn irgendetwas beschäftige, doch sie traute sich nicht danach zu fragen.

Der Film war so lala, doch das machte nichts. Juliana genoss einfach Jamies Gegenwart, auch wenn sie während des Films natürlich kaum gesprochen hatten. Da sie etwas außerhalb parken musste, hatten sie noch ein Stück zu Fuß vor sich. Jamie hielt ihre Hand immer noch und sie hoffte, er würde sie nicht so schnell loslassen. Das tat er auch nicht, als sie sich in Bewegung setzten.

»Wie hat dir der Film gefallen?«, wollte er wissen.

Juliana überlegte kurz, ob sie einfach sagen sollte, dass sie die Liebeskomödie wirklich toll fand, doch sie entschied dafür einfach die Wahrheit zu sagen.

»Also wenn ihr ehrlich bin, dann fand ich den Film nicht so berauschend.«

Jamie lachte leise.

»Ich mochte den Film auch nicht wirklich«, ließ er verlauten und sah sie entschuldigend an. »Da hab ich wohl keine gute Wahl getroffen.«

»Die Auswahl war auch nicht sehr vielversprechend«, begann sie und sah ihn dabei an, »aber der Abend war trotzdem sehr schön.«

Jamie umschloss ihre Hand noch etwas fester. »Das finde ich auch.«

Seine grün-braunen Augen trafen auf ihre und er beugte sich zu ihr hinunter. Seine Lippen bewegten sich auf ihre zu und sie hielt aufgeregt die Luft an.

Doch der Moment wurde jäh zerstört, als lautes Geschrei ertönte. Schritte kamen auf sie zu und einen Augenblick später, kam eine junge Frau auf sie zu gerannt. Panisch, völlig verstört und keuchend blieb sie vor Jamie stehen.

»Helfen Sie mir!«, flehte sie und krallte sich in Jamies T-Shirt fest, was Juliana trotz ihres Mitleides für die Frau, ein wenig missfiel.

Jamie löste den Griff der Frau und brachte sie dazu etwas Abstand zu halten.

»Beruhigen Sie sich bitte. Ich werde Ihnen helfen, aber sie müssen mir sagen, was passiert ist.«

Die Frau atmete schwer, immer wieder fuhr sie sich mit ihrer Hand durch ihr kinnlanges Haar, bis sie es schließlich schaffte, einen verständlichen Satz zu formen.

»Ich wurde angegriffen von... von einem Monster!«

Sie schien sich selbst nur schwer zu glauben und versuchte auch sofort, sich zu rechtfertigen. »Ich bin mir sicher, dass es kein Mensch war. Dieses seltsame Wesen war viel größer und stärker und... Ich bin einfach davon gerannt... Ich dachte, es wird mich einholen, doch plötzlich war es einfach verschwunden. Ich habe solche Angst.«

Jamie stellte der Frau noch ein paar Fragen, doch Juliana hörte den beiden schon nicht mehr zu. Die Erzählung der Frau hatte etwas in ihr ausgelöst. Ein Monster? Ein unmenschliches Wesen? Sie spürte, wie die Panik der Frau auf sie überging, so als hätte sie selbst dieses Wesen gesehen, so als wäre sie verfolgt worden. Ihre Kehle schnürte sich zu und ihre Sicht verschwamm. Seltsame Bilder rauschten durch ihren Kopf. Eine verzerrte Fratze, riesige Pranken...

»Juliana?«

Jamies besorgte Stimme ertönte und plötzlich war sie wieder bei Sinnen. Sie sah in sein fragendes Gesicht.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte er und sie war sich sicher, dass er die Angst in ihren Augen erkannt haben musste.

»Ja«, sagte sie jedoch, »Klar. Bei mir ist alles in Ordnung.«

Jamies Stirn legte sich kurz in Falten, doch er sagte nichts.

»Ich werde gleich abgeholt und fahre dann zur Polizeiwache«, erklärte die Frau, die immer noch neben ihnen stand. Sie versuchte ruhig zu wirken, doch ihre Hände zitterten immer noch, als sie ihr Smartphone zurück in ihre Jackentaschen fallen ließ.

»Wir werden hier so lange mit Ihnen warten«, versprach Jamie und die Frau wirkte erleichtert.

Erst jetzt bemerkte Juliana, dass Jamie ihre Hand losgelassen hatte. Sie ergriff seine Hand und er ließ es widerstandslos geschehen. Hoffentlich bemerkte er nicht, dass auch ihre Hände zitterten.

Mondlicht ErinnerungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt