Jamies Kopf schmerzte, während sich immer mehr Bruchstücke von Erinnerungen in seinem Kopf zusammenfügten. Doch es war alles so schleierhaft. Er kannte die Frau vor sich. Er wusste, dass sie Alecia hieß und er wusste, dass er ihr nicht trauen sollte. Jedoch wollte ihm einfach nicht einfallen, woher er sie kannte. Ein seltsames Gefühl machte sich schleichend in ihm breit. Etwas sagte ihm, er sollte fliehen, doch seine Neugier brachte ihn zum Bleiben. Er studierte das Gesicht der merkwürdigen Frau. Ihr wissendes Grinsen hatte ihr Gesicht für keine Sekunde verlassen und das machte ihn wütend. So wütend, dass er hastig von der Couch, auf der sie beide saßen, aufsprang. Ein Fehler, den er sofort bereute, denn der Schwindel, der ihn überkam, zwang ihn auf die Knie. Es musste ein erbärmlicher Anblick sein und er hasste sich dafür, seine Schwäche vor den Augen von Alecia zu zeigen.
»Du solltest lieber sitzen bleiben. Deine wiederkehrenden Erinnerungen könnten deinen Körper ein wenig schwächen«, sagte sie, doch es klang weder mitfühlend, noch verächtlich.
Er befolgte ihren Rat kommentarlos, auch wenn es ihn an Überwindung kostete. Falscher Stolz würde ihn gewiss nicht weiterbringen, denn Alecia sollte ihm einige seiner tausend Fragen beantworten.
»Wovon sprichst du? Ich... Ich weiß, dass ich dich kenne, doch ich habe keinen Schimmer, was das hier alles zu bedeuten hat. Wo ist Juliana?«
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich und seine Wut verschwand etwas, als sie endlich aufhörte zu grinsen.
»Um zu erfahren, was gerade passiert, musst du zuallererst wissen, was damals passiert ist«, sagte Alecia, was seine Kopfschmerzen wieder verstärkte. Musste sie denn in Rätseln sprechen?
»Was ist denn damals passiert? Ich... Es ist alles so verschleiert. Ich spüre, dass ich mich an etwas sehr wichtiges nicht erinnern kann, aber ich weiß nicht an was und warum und ...«
Sie legte ihre schmale Hand auf seinen Arm, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»Ich dachte, dass etwas mehr Erinnerungen bei dir zurückkehren würden, doch du bist vermutlich zu weit von Lucas und Juliana entfernt. Vielleicht hilft es dir, dich zu erinnern, wenn ich dir erzähle was du nicht mehr weißt.«
Seine Augen weiteten sich und sein Herz raste. Was hatte Alecia gerade gesagt, Lucas und Juliana? Waren die beiden etwa zusammen? Er vergaß jeden guten Rat und jede Vernunft, als er erneut aufsprang, doch das Adrenalin in seinem Körper verhinderte, dass er erneut zu Boden sackte.
»Sag mir auf der Stelle wo die beiden sind!«, forderte er und sah auf Alecia hinab.
Doch sie ließ sich scheinbar von nichts aus der Ruhe bringen.
»Das geht nicht«, sagte sie dann und er meinte ein wenig Traurigkeit in ihrem Blick erkannt zu haben. Doch er musste sich getäuscht haben.
Als der Name Lucas Alecias Lippen verlassen hatte, hatte sich der Schleier weiter gelöst. Er konnte die kurzen Szenen die durch seinen Kopf rasten, zwar immer noch nicht richtig einordnen. Doch er erinnerte sich daran, dass er Juliana schon vor ihrem »ersten« Treffen kannte und starke Gefühle für sie hatte. Doch aus irgendeinem Grund war Lucas, den er noch von früher kannte, ihm in die Quere gekommen. Er wusste allerdings nicht mehr, für wen Juliana sich damals entschieden hatte. Er erinnerte sich daran, wie Juliana zitternd auf seiner Couch saß. Geschockt und verängstigt. Auch jetzt verspürte er wieder den Drang, sie in seine Arme zu nehmen und zu beschützen. Doch vor was? Wieder durchfuhr ein stechender Schmerz seinen Kopf.
»Verdammt!«, entkam es ihm und er hielt sich den Kopf. Seine Sicht verschwamm schon wieder.
Eine kalte Hand legte sich auf seine Stirn und plötzlich ließ der Schmerz nach. Alecias Augen trafen auf seine und diesmal glaubte er einen winzigen Hauch von Mitleid in ihnen zu erkennen. Doch er sollte seiner Wahrnehmung nicht trauen.
»Was hast du gemacht?«, fragte er sie.
»Ich versuche deine zurückkehrenden Erinnerungen zu unterbinden«, sagte Alecia und zog langsam ihre Hand zurück. Sie bewegte sich jedoch nicht von der Stelle.
Also rückte Jamie etwas von ihr weg. »Aber ich will mich erinnern.«
»Ich werde dir erzählen, was du wissen solltest. Ihr werdet euch ohnehin, schon Morgen, nicht mehr an all dies erinnern können.«
»Aber was ist der Sinn von alledem?«
»Ich habe Lucas ein Versprechen gegeben«, sagte sie und ihre Wangen röteten sich etwas.
Jamie schaffte es nicht ein verächtliches Lachen zu unterdrücken.
»Du hast ihm ein Versprechen gegeben? Als ob... Du bist eine skrupellose, kaltherzige Frau. Es interessiert dich doch gar nicht, was mit anderen Menschen ist.«
Mit einem Mal änderte sich die Aura des Raumes. Es kam Jamie vor, als hätte sich ein dunkler Schatten über sie gelegt. Eine erdrückende Kraft die eindeutig von Alecia ausging. Er hätte sie vielleicht nicht verärgern sollen.
Sie rückte auf ihn zu, stützte ihre Hände auf seinen Schultern ab und sah ihn direkt an. Jamie konnte sich nicht bewegen. Er spürte wie sein Herz gegen seine Brust hämmerte und das Atmen ihm immer schwerer fiel. Alecias Gesicht war nun direkt vor seinem und ihre Augen schienen plötzlich schwarz und bedrohlich.
»Du sagst, mich interessiert nicht, was mit anderen Menschen ist«, fauchte sie, »Aber Lucas ist kein Mensch ... Und ich bin es auch nicht.«
Ihr feines Gesicht verformte sich plötzlich in eine groteske Maske und spitze Fangzähne drangen aus ihrem Mund. Ein Ruck ging durch Jamies Körper, dann kehrten die Schmerzen zurück, breiteten sich von seinem Kopf über seinen gesamten Körper aus. Es war unerträglich und er konnte seinen kehligen Schrei nicht länger unterdrücken. Dann brach er zusammen, landete hart auf dem Boden. Alecia stand über ihm, sah aus ihren schwarzen Augen auf ihn herab und plötzlich wusste er wieder ganz genau, wer sie war. Vielmehr, was sie war. Eine skrupellose Vampirin, die Julianas und seinen Tod gefordert hatte.
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Mondlicht Erinnerung
VampireAls Juliana sich zum ersten Mal mit dem attraktiven Jamie trifft, kommt es ihr vor als würden sie sich schon ewig kennen. Sie fühlt sich wohl in seiner Gegenwart und ihm scheint es ähnlich zu gehen. Trotzdem ist da auch noch ein anderes Gefühl, dass...