Lucas atmete schwer. Es war ungewohnt für ihn, dass er sich tatsächlich verausgabte. Normalerweise war seine Ausdauer grenzenlos. Einer der wenigen Vorteile des Vampirdaseins. Doch da sein Gegner, den er bis hier hin verfolgt hatte, ebenfalls einer von ihnen war, hatte er mehr Kraft aufbringen müssen, um den von ihm Gejagten nicht aus den Augen zu verlieren. Was für ihn auch etwas Ungewöhnliches war, immerhin war seine Sichtweite der eines gewöhnlichen Menschen weit überlegen.
Der Verfolgte war jedoch noch schneller als die meisten von ihnen. Vielleicht war Lucas aber auch nur etwas eingerostet und war langsamer geworden. Was es auch war, es war der Grund, warum er sich nun keuchend auf seinen Knien abstütze. Einmal durchatmen, dann würde er nach dem Vampir suchen, der sich hier irgendwo auf dem verlassenen Gelände versteckt haben musste.
Lucas hatte, wie von Alecia gefordert, in der Innenstadt seine Augen offen gehalten. Tatsächlich hatte wieder ein Vampir versucht, eine junge Frau anzugreifen. Doch diesmal war Lucas zur Stelle gewesen. Als der Vampir erkannt hatte, dass er es mit einem Gleichgesinnten zu tun hatte, war er davon gerannt. Kurz hatte Lucas gezögert, sollte er sich darum kümmern, dass Gedächtnis der Frau zu löschen, wie es seine Aufgabe war, oder aber die Verfolgung aufnehmen? Er hatte sich für die zweite Möglichkeit entschieden und damit gegen das, was Alecia bevorzugt hätte.
Seine Atmung beruhigte sich und er begann das Gelände abzusuchen. Irgendwo musste sich der Vampir verstecken. Er konzentrierte sich und versuchte sich auf sein einzigartiges Gehör zu verlassen. Von irgendwo war ein Geräusch zu vernehmen. Ein dumpfer Laut, so als wäre der Vampir gegen etwas geprallt. Lucas hatte sofort erkannt, aus welcher Richtung der Laut kam und ging zielstrebig auf ein brüchiges Gebäude zu. Das Dach fehlte und die Fenster waren zersprungen. Er ging um das Gebäude herum und erkannte, dass die hintere Mauer eingestürzt war. Sein Blick glitt über die Trümmer und er war froh, dass die Dunkelheit seine Fähigkeit zu sehen keinesfalls beeinträchtigte. Dem anderen Vampir ging es da wahrscheinlich ähnlich und Lucas wusste, dass er ihn bereits erkannt hatte. Es war nämlich nicht zu überhören, wie die Atmung des, sich hinter der eingestürzten Mauer versteckendem, Vampirs für einen Moment aussetzte. Scheinbar ahnte der Vampir, dass es kein entkommen gab, denn schon nach wenigen Minuten kroch er, ohne das Lucas auch nur irgendetwas gesagt hatte, aus seinem Versteck hervor.
»Wirst du mich jetzt töten?«, fragte er mit einem Grinsen auf dem Gesicht, so als würde es ihn wenig interessieren, was Lucas nun mit ihm vorhatte. Lucas grinste ebenfalls. Der Vampir schien sich vor ihm nicht zu fürchten, doch er wusste, wie er das ändern konnte.
»Nein«, sagte Lucas deshalb, »Ich bringe dich zu Alecia.«
Wenn es eine Person gab, mit der man sich nicht anlegen sollte, dann war es Alecia.
Die Augen seines Gegenübers weiteten sich und er versuchte trotz der ausweglosen Situation, noch einmal zu fliehen. Diesmal war es jedoch ein Kinderspiel für Lucas ihn festzuhalten und er war überrascht, warum der Vampir plötzlich so kraftlos wirkte.
»Es wird dir noch leid tun, dass du Alecia hilfst«, drohte der Vampir und aus irgendeinem Grund, zweifelte Lucas für einen Moment daran, ob er wirklich gerade das Richtige tat.
* * *
Alecia war zufrieden und unzufrieden zugleich. Und es bestätigte sich, dass man es ihr nur schwer recht machen konnte. Sie war sichtlich erfreut, dass Lucas ihr einen Gefangenen brachte, den sie quälen konnte. Trotzdem war sie sehr erzürnt darüber, dass Lucas es versäumt hatte, das Gedächtnis der jungen Frau zu löschen, die von dem Vampir angegriffen wurde. Ihre Existenz sollte geheim bleiben, so wie es schon seit einer Ewigkeit der Fall war.
»Hätte ich ihn entkommen lassen sollen?«, fragte Lucas und Alecia schien keine Antwort darauf zu haben.
Minutenlang sah sie ihn schweigend an, doch ihr Blick war stark und zeigte nichts von ihrer Ratlosigkeit.
»Du solltest die Frau finden und deinen Auftrag zu Ende bringen«, sagte sie dann und Lucas erkannte, das es Alecias Art war, ihm seinen Fehler zu verzeihen. Lucas nickte. Er würde sich gleich morgen darum kümmern. Er spürte Alecias Blick immer noch auf sich ruhen.
»Sofort«, fügte sie hinzu und Lucas verbat es sich noch einmal nachzufragen. Also würde er nicht mehr erfahren, was der Gefangene der zu Alecias Füßen hockte zu sagen hatte.
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Mondlicht Erinnerung
VampireAls Juliana sich zum ersten Mal mit dem attraktiven Jamie trifft, kommt es ihr vor als würden sie sich schon ewig kennen. Sie fühlt sich wohl in seiner Gegenwart und ihm scheint es ähnlich zu gehen. Trotzdem ist da auch noch ein anderes Gefühl, dass...