Alecia war grundsätzlich misstrauisch gegenüber anderen. Sie traute niemandem und das hatte ihr, mehr als einmal das Leben gerettet. Auch Lucas bot keine Ausnahme. Zwar hatte er ihr gesagt wo sie Lucis Ex-Lover und damit auch den Anführer der rebellischen Vampire finden könnte, doch sie hatte es nicht geglaubt. Warum sollte ausgerechnet Lucas ihr helfen? Er schien eine große Abneigung gegenüber ihr entwickelt zu haben, auch wenn sie den Grund dafür nicht verstehen konnte. Immerhin hatte sie ihn vor dem sicheren Tod bewahrt, ihn bei sich aufgenommen und ihm eine Aufgabe gegeben. Sie hatte nur Gutes für ihn getan. Trotzdem schien er alles andere als Dankbarkeit ihr gegenüber zu empfinden. Es war deshalb sehr unwahrscheinlich gewesen, dass er ihr helfen würde. Und sie hatte bis zuletzt daran gezweifelt. - Bis zu diesem einen Zeitpunkt.
Der Mann vor ihr hatte Panik in den Augen. Ihre Leute hatten seine Anhänger bereits überwältigt. Die rebellischen Vampire hatten keinerlei Chance gehabt. Alecias überraschender Angriff hatte sie überrumpelt. Nun blieb nur noch der Anführer. Der ehemalige Lover von Lucas Schwester. Und um ihn würde Alecia sich höchstpersönlich kümmern.
»Hat Luci mich verraten?«, fragte er und sein fieses Grinsen konnte den Schock darüber nicht verbergen.
»Ja, dass hat sie ohne auch nur zu zögern«, log Alecia. Dieser armselige Kerl hatte es nicht anders verdient. Sollte er ruhig glauben, dass Luci ihn verraten hatte, auch wenn in Wirklichkeit Lucas den entscheidenden Hinweis gegeben hatte. »Euer Treiben wird ab jetzt ein Ende haben«, informierte sie ihn, falls es ihm nicht ohnehin schon klar genug war.
Mit einem markerschütternden Schrei sprang er auf sie zu. Etwas blitzte in seiner Hand auf und Alecia war sich sicher, dass er ihr die Glasscherbe mit aller Wucht in die Brust gerammt hätte. Natürlich kam es nicht dazu, denn sie war schneller als er. Sie drehte sich blitzschnell zur Seite und griff nach seinem Arm. Die Scherbe fiel klirrend zu Boden und erst jetzt bemerkte sie, dass sie es vielleicht etwas übertrieben hatte. Sein merkwürdig deformierter Arm ließ darauf schließen, dass sie ihm diesen scheinbar mehrfach gebrochen hatte. Sein erbärmliches Winseln bestätigte ihre Theorie.
»Bringt ihn zum Schweigen«, befahl sie ihren Untergebenen und als einer von ihnen, Lucis Ex am Hals packte, winkte sie beschwichtigend ab. »Das habe ich nicht gemeint«, erklärte sie und am liebsten hätte sie ihre Hände über den Kopf zusammengeschlagen. Mussten sie denn immer alles so wörtlich nehmen. »Ihr sollt dafür sorgen, dass er endlich ruhig ist.« Als ein fragendes Augenpaar auf ihr ruhte, wurde sie noch deutlicher. »Lasst ihn aber am Leben. Renkt ihm den Arm wieder ein, oder macht irgendetwas, damit ich dieses Gejammer nicht mehr hören muss. Ich habe furchtbare Kopfschmerzen. Und dann... sperrt ihn weg. Ich kann nicht allein darüber entscheiden, was mit ihm geschehen soll.«
Die fragenden Augen schienen etwas klarer zu sehen und das darauf folgenden Nicken ließ sie hoffen, dass man ihre Befehle verstanden hatte. Sicher war sie sich nicht. Trotzdem ließ sie ihre Anhänger den Rest erledigen. Ihr Kopf drohte zu zerplatzen so stark schmerzte er. Sie brauchte dringend Ruhe. Außerdem war sie jemanden zu Dank verpflichtet. Denn dank Lucas hatte sie nun eine Sorge weniger.
***
Lucas rannte durch die leeren Straßen. Es war eine kühle Nacht und die frische Luft tat gut. Einfach abschalten an nichts denken. So war zumindest sein Vorhaben. Doch auch sein nächtlicher »Spaziergang« half nicht ihn auf anderen Gedanken zu bringen. Eine große Nervosität hatte sich über den Tag hin in ihm ausgebreitet. Hatte er einen Fehler begangen? War es richtig von ihm gewesen Alecia zu helfen? Er wusste es nicht. Was wenn er falsch lag? Wenn seine schwachen Erinnerungen ihm einen Streich gespielt hatten? Würde Alecia ihn dann noch verschonen? Er blieb abrupt stehen, als er sich zumindest in einer Sache ganz sicher war. Alecia würde ihm auch das verzeihen. Es war eine merkwürdige Erkenntnis und es war ihm erst jetzt in diesem Moment klar geworden, dass er zwar oft mit Alecia aneinander geraten war, aber bisher keine großen Konsequenzen davon getragen hatte. Sie war nachsichtig ihm gegenüber. Normalerweise wagte es niemand sich mehr als einmal ihrem Willen zu widersetzen. Entweder sie schüchterte einen so sehr ein, dass man es kein weiteres Mal wagte oder aber man war einfach nicht mehr in der Lage dazu. Doch bei ihm war das irgendwie anders. Natürlich hatte sie auch gegenüber ihm mehrmals den Beweis erbracht, dass sie ihn ohne große Mühe auslöschen konnte, doch vielleicht etwas weniger eindringlich als bei vielen anderen. Warum tat sie das? Es machte ihn fertig, dass er sich mittlerweile sicher war, dass ihm ein Großteil seiner Erinnerungen fehlten. Was war geschehen, das die starke Alecia dazu brachte Mitleid mit ihm zu haben? Denn was sollte es anderes sein? Welche Verbindung hatter er zu der hübschen Juliana und wer verdammt nochmal war dieser Jamie? Ergeben ließ er sich auf den Boden sacken. Hier war er nun. Im Dreck kniend und ohne Ziel im Leben. Was sollte er von nun an tun? Alecia weiterhin dienen, als ob nichts gewesen wäre? Jemand trat zwischen ihn und die Straßenlaterne. Er wusste wer es war. Natürlich musste sie ihn so finden. Verzweifelt und schwach.
»Was willst du, Alecia?« fragte er und als er aufsah, konnte er rein gar nichts in ihrem Gesicht lesen. Ihre Hand stahl sich in sein Sichtfeld und er zögerte einen Augenblick, bevor er sie ergriff und sich aufrichtete.
»Ich wollte dir danken. Wir haben den Anführer der rebellischen Vampire gefasst.«
Es überraschte ihn diese Worte aus dem Mund der starken Vampirin zu hören. Und er schaffte es nicht das Misstrauen gegenüber ihr auszublenden. Vielleicht führte sie etwas im Schilde?
Er beobachtete sie. Studierte ihre Gesichtszüge und war sich sicher, dass Alecias Gesicht wie immer frei von jeglicher Emotion sein würde. Doch wieder überraschte sie ihn. Als er ihr zartes Gesicht studierte, trat plötzlich Unsicherheit in ihre Augen. Sie schaffte es nicht seinem Blick stand zu halten und als er dann noch einen leichten Rotschimmer auf ihren Wangen erkannte, machte sich ein seltsames Gefühl in ihm breit. Er wollte Alecia beschützen. Sie wirkte für einen Bruchteil der Sekunde zerbrechlich und hilflos. Doch nur einen Wimpernschlag später versuchte sie die alte Alecia wieder zurückzuholen. Es gelang ihr nicht ganz.
»Was verschweigst du mir Alecia?«, flüsterte er, doch sie hatte ihn gehört.
Lucas wusste nicht, warum er nicht einfach aufgab. Er hatte nicht vorgehabt, weiter nachzuhaken. Doch das Gefühl, dass Alecia vielleicht etwas zugänglicher war als sonst, hatte ihn darin bestärkt, es ein letztes Mal zu versuchen.
Als ihre Augen wieder diese Kälte annahmen, resignierte er innerlich und drehte sich von ihr weg, »Vergiss es einfach.«
Er spürte, dass sie immer noch hinter ihm stand. Vielleicht hatte er sie wütend gemacht. Als sich ihre Hand auf seinen Rücken legte zuckte er kurz zusammen. Doch ihre Hand verschwand, so schnell wie sie gekommen war. Dann ertönte ihre Stimme. Leise und kaum hörbar. Trotzdem verstand er die Worte klar und deutlich.
»Ich werde dir deine Erinnerungen für einen Tag wiedergeben, wenn es das ist, was du willst.«
Seine Erinnerungen? Hatte er es doch geschafft Alecia zu überzeugen? Doch was genau meinte sie, dass sie ihm für einen Tag die Erinnerungen zurückgeben würde?
Er drehte sich hastig um, wollte sie fragen. Doch Alecia war verschwunden.
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Mondlicht Erinnerung
VampireAls Juliana sich zum ersten Mal mit dem attraktiven Jamie trifft, kommt es ihr vor als würden sie sich schon ewig kennen. Sie fühlt sich wohl in seiner Gegenwart und ihm scheint es ähnlich zu gehen. Trotzdem ist da auch noch ein anderes Gefühl, dass...