Kapitel 23

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Hier ist nun endlich das letzte Kapitel von Mondlicht Erinnerung für euch ...

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Jamie war ohne ein Wort aus dem abrissfälligen Gebäude gestürmt. Er wusste nicht, was er damit erreichen wollte, als er sich wild in alle Richtungen umsah. Doch Alecias Stimme riss ihn aus seiner Trance. »Sie sind weg. Du hoffst vergebens, dass sie hier irgendwo auf dich wartet.« Die monotone Stimme der Vampirin machte ihn wütend. Es fehlte ihr jede Emotion. Doch sie sah ihn erschrocken an, als er herumfuhr und sie gegen die brüchige Steinmauer presste. Es war doch alles ihre Schuld. »Juliana ist nicht die einzige die verschwunden ist. Du wirst Lucas wahrscheinlich auch niemals wieder sehen«, fauchte er, in der Hoffnung sie so zu verletzen, wie er es war. Es schien Wirkung zu zeigen, denn ihr Blick verfinsterte sich. Doch nur Sekunden später wurde Jamie wieder bewusst, warum es keine gute Idee war Alecia zu reizen. Er prallte hart auf das kalte Pflaster und der Schmerz hallte durch seinen ganzen Körper. Als er aufsah erkannte er Alecia, sie stand über ihn gebeugt und ihr Blick war mörderisch. Ihre Vampirseite drohte hervorzukommen und Jamie zuckte zusammen als sie einen Schritt auf ihn zu machte. Sein Atem beschleunigte sich und er spürte, wie Panik in ihm aufkam. Er kniff abwartend die Augen zusammen und rechnete mit allem. Einem Tritt, einem Schlag, seinem Ende. Doch nichts von alledem passierte und als er die Augen öffnete war Alecia verschwunden.

Er rappelte sich mühsam auf und klopfte sich den Schmutz von der Kleidung. Er hätte sich unter Kontrolle haben sollen. Dann hätte er Alecia vielleicht darum bitten können, ihm seine Erinnerungen wieder zu nehmen. Denn der Schmerz der ihn plötzlich überkam, rührte nicht von seinem Aufprall auf dem Steinboden, her. Es war der Verlust seiner großen Liebe, der ihn lähmte und unfähig machte sich zu bewegen. Juliana hatte ihn verlassen. Sie hatte ihn zurückgelassen und er würde sie wahrscheinlich niemals wiedersehen. Es wäre besser, wenn er sich an nichts erinnerte. Wenn er sich an sie nicht erinnerte. Er wollte schreien oder auch nicht. Er wollte davon rennen oder einfach nur dastehen. Er wusste es nicht. Doch als es - wie in einem schlechten Film, passend zu seiner Stimmung - zu regnen anfing, machte er sich auf den Weg zu seinem Auto. Er wollte einfach nur nach Hause. Vielleicht würde eine heiße Dusche seine Gedanken klären. Vielleicht würde er dann wissen, wie er die Tatsache, dass Juliana fort war, verkraften sollte.

***

Die wundersamen Blicke die man ihr zuwarf waren berechtigt. Alecia schaffte es nicht, wie sonst, die Emotionen aus ihrem Gesicht fern zu halten. Sie war verwirrt, verletzt, wütend und verzweifelt. Ihre Position und die Aufgabe alles im Gleichgewicht zu halten, hatten dafür gesorgt, dass sie stets Gefühle und Emotionen ausgeblendet hatte. Sie durfte sich nicht von irgendetwas oder irgendjemandem beeinflussen lassen. Doch jetzt prallten all diese Emotionen auf einmal auf sie nieder, mit so einer Wucht, dass sie es nicht schaffte die emotionslose, perfekte Maske, die man von ihr gewohnt war, aufrecht zu erhalten.

Was hatte sie sich nur gedacht? Wie hatte sie nur denken können, dass es okay war die Regeln zu missachten und eine Ausnahme zu machen, indem sie Lucas und Juliana ihre Erinnerungen zurückgab. Und nun konnte sie es nicht mehr rückgängig machen, denn sie waren verschwunden. Lucas hatte sie hintergangen und ihre einmalige Gutmütigkeit schamlos ausgenutzt, um mit Juliana zu verschwinden. Sie hätte ihm niemals vertrauen dürfen. Was sie jedoch völlig aus der Fassung brachte war, dass Hass nicht das vorherrschende Gefühl war, wenn sie an Lucas dachte. Es war etwas, dass sie nicht beschreiben konnte. Eine so große Enttäuschung und Trauer, dass sie ein stechenden Schmerz in ihrer Brust spürte. Hatte sie vielleicht doch ein Herz? Fühlte sich so Herzschmerz an?

Eine mutige Vampirin hatte sich überwunden, sich ihr in den Weg zu stellen und nach ihrem Befinden zu fragen, während Alecia ihre Gemächer anstrebte und versuchte die rätselnden Blicke zu ignorieren. Mut wurde nicht immer belohnt. Das musste die Frau feststellen, als Alecia sie gegen die nächste Wand prallen ließ. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie ihrer unterdrückten Wut Luft machen würde. Es hatte sie gewundert, dass sie Jamie verschont hatte. Doch als sie ihn so verzweifelt am Boden liegen sah, hatte sie ein seltsames Gefühl beschlichen, dass nur so etwas wie Mitleid sein konnte. Sie fühlte eine seltsame Verbundenheit, denn sie saßen im selben Boot. Sie beide waren von den Menschen hintergangen worden, den sie vertraut hatten.

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