Kapitel 18

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Kate P.O.V

Luke und ich sassen uns stumm gegenüber, während wir einen Kaffee im Restaurant des Spitals tranken. Hier war überall diese Leere zu verspüren. Die weissen Wände, der Duft nach Desinfektionsmittel, die grauen Stühle mit den hellgrauen Tischen, die sich immer wiederholenden Situationen. Menschen, die gerade von einem Besuch rausliefen, Menschen, die selbst entlassen wurden, Ärzte, Patienten, die ohne irgendwelche Hoffnung auf eine Zukunft hier assen, da sie ihr Augenlicht, ihr Gehör, ihre Stimme, ein Körperteil, ihre Gehfähigkeit oder einen sehr wichtigen Menschen verloren haben.

Das monotone Ticken der Uhr, die krebskranken Leute, die vielleicht die Tage oder Wochen ihres Daseins an einer Hand abzählen konnten, die alten Leute, die zum Sterben hier waren, oder auch Leute, die einen Unfall hatten, deren Angehörige hier auf den Bescheid der Ärzte warteten und keine Ahnung über den aktuellen Stand dieser Person hatten, so wie Luke und ich.

Uns wurde lediglich gesagt, dass Jake im Koma lag, aber wie seine Überlebenschancen waren, was für Verletzungen er hat, ob er bleibende Schäden davonträgt, ob er überhaupt eines Tages aufwachen wird, davon hatten wir keine Ahnung. Jedes Mal wenn ein Arzt ins Restaurant kam, hofften wir, er würde zu uns kommen, aber bisher wurden wir nur enttäuscht. Vorgestern war der Unfall, gestern wurden Luke und ich entlassen, da unsere Verletzungen nicht so schlimm waren, aber trotzdem verbrachten wir jede Sekunde seither im Krankenhaus und warteten auf irgendeinen Bericht über Jakes Zustand.

Wie immer tranken wir beide einen Latte Macchiato und kauften uns Oreos dazu. Dadurch wurde unser Aufenthalt im Krankenhaus wenigstens ein bisschen versüsst.

Luke und ich waren beide in unsere Gedanken versunken. Es gab ja momentan auch sehr viel zum Nachdenken. Wir merkten gar nicht, dass ein Arzt vor uns stand. Erst als er sich sehr laut räusperte, fand ich aus meiner Gedankenwelt wieder in die reale Welt.

„Oh entschuldigen Sie mich, ich war in Gedanken versunken, haben Sie etwas gesagt?“ fragte ich höflich. „Ja“ sagte der Arzt „ich sagte, ihr beide könnt mit mir mitkommen, wir gehen in ein Besprechungszimmer wo ich euch über den Zustand von eurem Freund informiere.“ Also standen wir auf und folgten dem Arzt. Die Neugier frass uns fast auf, unsere Blicke und unsere plötzlich wiederkehrende Energie sagten alles. „Setzt euch bitte hierhin“ sagte der Arzt und wies auf zwei schwarze Lederstühle. Er selbst setzte sich auf die andere Seite des Tisches und stellte sich vor.

„So, lasst uns zum Thema kommen... euer Freund Jake liegt seit 2 Tagen im Koma. Das heisst er hat eine schwere Störung der Hirnfunktion, wodurch er nicht mehr selber atmen kann, deshalb ist er auch an einer Herzmaschine angeschlossen. Er reagiert nicht auf Schmerz, seine Schutzreflexe funktionieren nicht mehr und auch seine Pupillen bewegen sich nicht, er hat den schwersten Grad einer Hirnstammschädigung. Wir können nicht sagen ob er überleben wird oder nicht, die Chancen stehen aber momentan nicht sehr gut. Falls er überleben wird, kann es sehr lange gehen bis er aufwacht, man kann die Zeit nicht abschätzen. Auch unklar ist, ob er irgendwelche bleibenden Schäden davontragen wird. Bei einer Hirnstammschädigung sind auch das Rückenmark und das Mittelhirn betroffen, wodurch seine Gehfähigkeit, sein Wissen und sein Sehvermögen eingeschränkt werden könnten, was aber nicht sein muss. Wir tun hier unser Bestes, damit er möglichst schnell und schadenfrei aufwacht, aber versprechen kann ich euch leider nichts.“

Luke und ich sahen uns geschockt an. Damit hätten wir nun wirklich nicht gerechnet. Ich fragte den Arzt „und was sollen wir nun am besten machen?“. Darauf antwortete er „ihr geht jetzt nach Hause mit dem Zug und lebt weiter. Ich weiss es ist hart, aber es bringt nichts wenn ihr nur hier rumsitzt, denn ihr könnt daran gar nichts machen. Sobald es irgendeine Neuigkeit gibt, rufe ich euch an, versprochen! Aber ihr müsst mir versprechen, dass ihr euer Leben normal zu leben versucht, auch wenn es hart ist.“

DAS war ein Schock! War dieser Arzt nun völlig gestört? Wir sollten normal leben, obwohl Jake im Koma lag?! Wie stellte er sich das vor? Luke und ich sahen uns an. Beide hatten diesen Schock in die Augen geschrieben. Wir waren völlig verzweifelt was wir jetzt tun sollten. Irgendwie hat der Arzt ja schon Recht, wir konnten nicht für immer hier im Krankenhaus bleiben und warten, bis irgendein Wunder geschah, aber es war auch gegen unseren Willen, nun einfach nach Hause zu fahren. Schliesslich wussten wir ja auch nicht wo Lucy war, wie es ihr ging, ob sie überhaupt noch am Leben war. Nach dem was mit Jake geschah, war das gar nicht mehr so selbstverständlich. Ich hoffte einfach, dass es ihr, den Umständen entsprechend,  gut ging.

„Entschuldigen Sie mich bitte, ich habe jetzt meine nächste Sprechstunde, sagte der Arzt und stand auf. Wir standen ebenfalls auf und verabschiedeten uns. Danach gingen wir nach draussen in den Park. Erst sagte niemand von uns etwas, uns fehlten die richtigen Worte. Als wir eine Bank sahen, setzten wir uns darauf und ich kuschelte mich an Luke. Er legte seinen Arm um mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn.

Diese Geste von gemeinsamer Stärke, Geborgenheit und Liebe baute mich in dieser Situation wieder so auf, dass ich glaubte, Luke und ich konnten alles zusammen schaffen. Das ist in einer Beziehung fast wichtiger als körperliche Liebe. Klar gehört das auch zu einer guten Beziehung, aber Zusammenhalt, Stärke, Gefühle von Geborgenheit, gegenseitige Unterstützung, Toleranz und Verständnis waren genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger. Denn ohne diese Sachen kann keine Beziehung auf Dauer funktionieren. Gerade in so einer Situation, wenn es ohne den anderen nicht geht, ist das unheimlich wichtig. Alleine würde ich niemals mit so einer Situation klarkommen, aber zusammen mit Luke schien mir jede Situation lösbar. Das tönt jetzt vielleicht etwas komisch, schliesslich haben wir keine Lösung, wie wir Lucy finden sollen und Jakes Zustand konnten wir auch nicht beeinflussen, aber ich wusste einfach, wir schaffen das gemeinsam.

Wir beide hingen unseren Gedanken nach und ich wünschte in diesem Moment, ich wüsste, was Luke gerade so denkt. Nach längerem Schweigen schauten wir uns tief in die Augen, lächelten beide ein wenig, einfach glücklich darüber, dass wir einander hatten. Wir verstanden uns auch ohne Worte.

Auch wenn ich nicht jedes Detail wusste, was Luke dachte, wusste ich trotzdem, dass wir etwa dasselbe dachten, so was fühlt man einfach. Dann küssten wir uns ganz sanft. Dieser Kuss war mit viel mehr Gefühl als jeder Kuss zuvor, da uns diese ganze Sache einfach noch näher zusammen brachte und wir einander noch mehr vertrauten. Danach kuschelte ich mich wieder an ihn. Ich hörte seinen Herzschlag und roch sein Parfum. Es war einfach schön, so nah bei ihm zu sein.

Soooo endlich wieder mal ein neues Kapitel, ich hoffe es gefällt euch! Gebt mir doch eine Rückmeldung, wie es eurer Meinung nach weitergehen soll. Natürlich freue ich mich auch immer über ein Like!xx Michelle

All or nothing!!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt