18.09.18

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Es ist alles gleich geblieben. Seit Jahren hat sich nichts verändert. Ich bin noch immer die Gleiche. Die Brille durch Kontaktlinsen ersetzt, die Haare eine Handbreite abgeschnitten, die Zahnspange herausbekommen, aber sonst ist bei mir alles wie Jahre zuvor. Es ist alles noch so wie du mich damals kennengelernt hast.

Meine Hosen sind immer noch ein Stück zu kurz, weil ich es nicht einsehe, neue zu kaufen. Die Narbe auf meiner Stirn habe ich immer noch nicht übergeschminkt, kein einziges Mal. Die Witze, die ich bei jeder Gelegenheit versuche zu machen, sind immer noch genauso unlustig wie damals, was sie wieder witzig werden lässt. Ich trage meine Jacken immer noch eine Nummer zu groß, um meinen Bauch zu verstecken. Ich erwische mich immer noch ab und zu, wie ich eine ganze Tüte Chips verdrücke, während ich meine Lieblingsserie schaue. Und jedes Mal, wenn ich auf der Geige unser Lied spiele, verspiele ich mich an der gleichen Stelle.

Während ich die ganze Zeit über gleich geblieben bin, hat sich mein Umfeld, meine Mitmenschen, die gesamte Welt verändert. Nie hatte ich ein Problem damit, ich habe mich angepasst, es hingenommen, mich daran gewöhnt. Bis zu dem Tag, als du dich ihnen angeschlossen hast.

Unser Lied langweilte dich plötzlich, du lachtest nicht mehr über meine Bemerkungen und die Narbe auf meiner Stirn gefiel dir nicht mehr. Genauso wie der Rest von mir. Und von dem einen Tag auf den anderen warst du weg. Gegegangen. Nicht mehr da. Alles was du mir da ließt war ein Loch in meinem Herzen und ein leerer Platz neben mir im Bett.

Jede Nacht, wenn ich mich schlafen legte, und jeden Morgen, wenn ich aufwachte, wurde mir auf's Neue bewusst, dass du nicht mehr da bist. Und dass du nicht wiederkommst.

Das Loch blieb, und der Schmerz mit ihm. Und ich blieb die Gleiche wie vor fünf Jahren, als du dich in mich verliebtest. In der Hoffnung du würdest sehen, dass es ein Fehler war, zu gehen.

Doch du warst blind. Du sahst mich an als wäre ich eine Fremde, jemand, der dir nichts bedeutet und auch niemals bedeutet hat. Der Schmerz wuchs, und das Loch mit ihm. Mein Bett wirkte noch leerer als zuvor und ich war nur noch eine Hülle meiner selbst.

Wenn Blicke töten könnten, wäre ich schon tausende Male gestorben.

Alles war wie zuvor, und doch war alles anders. Alles, außer ich. Bis zu dem einen Tag, als ich dich erneut sah, und du mir den gleichen Blick wie immer schenktest. Ich sah zurück, doch anders als sonst. Es war ein Blick ohne Schmerz, ohne Wut, nur an eine Person gerichtet, die mir einst etwas bedeutet hat, es nun aber nicht mehr tut.

Und als ich mich abends ins Bett legte, war da kein leerer Platz mehr neben mir. Es hatte die perfekte Größe für mich allein. Und plötzlich war nichts mehr wie zuvor, obwohl doch alles gleich geblieben war. Naja, nicht ganz. Alles, außer ich.

2018 (2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt