32.Kapitel

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Bella

Ron beugt sich nach vorn und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht.
“Ich habe dich vermisst”, flüstert er. Ich nicke nur. Ich kann diesen Satz nicht erwidern. Ich kann nicht sagen, dass ich ihn vermisst habe.
Natürlich habe ich ihn vermisst.
Aber nicht das Gefühl, welches mit ihm kam. Dieses bedrückende Gefühl der Leere, wenn ich ihn gesehen habe.
Plötzlich wird er ernst. Er starrt mir mit durchdringendem Blick in die Augen und lässt seine Hand langsam sinken. In dem Moment, in dem er mich berührt, vergesse ich zu atmen. Bis er seine Hand auf seinen Schoß fallen lässt und aus dem Fenster sieht. Erst dann hole ich tief Luft. Ich richte meinen Blick auch nach draußen. Auf die schneeweißen Ländereien, die sich weit nach hinten bis zu dem dunklen Wald erstrecken.
Plötzlich erblicke ich etwas. Ich drücke meine Nase gegen die eiskalte Fensterscheibe und versuche es deutlicher zu erkennen. Doch ich kann nur einen weißen Fleck über dem Dunklen des Waldes sehen. Ich springe vom Fensterbrett hinunter und sprinte wortlos in die Große Halle zurück. Ron kommt mir hechelnd hinterher.
“Was!?”, schreit er mir ins Ohr um die laute Musik hier zu übertönen.
“Draco. Such!”, befahl ich ihm. Er nickte, anscheinend nicht verwundert über meine Aufforderung, die stark an ein Befehl an einen Hund erinnerte. Ich schob mich zwischen die tanzenden Leute hindurch und hoffte, Draco zu finden. Ich weiß nicht, woher plötzlich diese Paranoia kommt. Schließlich könnte es sich bei diesem weißen Punkt auch um eine Eule handeln und nicht um meinen Cousin. Durch das beschlagene Glas konnte ich es nicht deutlich sehen.
Doch irgendwie nistet sich dieses unangenehme Gefühl in mir ein und kreiert wahnsinnige Gedanken in meinem Kopf. Mein Herz pumpt schneller Blut in meine Adern und immer mehr Adrenalin entsteht. Ich renne durch die Menge, recke meinen Hals um über die großen Leute zu blicken. Als kleiner Mensch, wie ich, ist das nicht wirklich leicht.
“'Ey, Bella!”, ruft auf einem Mal jemand von hinten. Ich drehe mich entnervt um und blicke Maxim ins Gesicht. Ich atme tief durch. Wenn ich panisch werde, ist bei mir eine natürliche Nebenwirkung, dass ich genervt anderen Leuten gegenüber trete und es ihnen auch zu spüren gebe, ohne es wirklich zu wollen, natürlich. Ich sammle mich kurz und versuche ruhig zu bleiben.
“Oh hey, Maxim”, sage ich mit einem aufgesetzten Grinsen, das möglicherweise etwas zu aufgesetzt ist.
“Wie geht es dir? Alles wieder besser soweit?”
“Ja ja, es geht schon.” Plötzlich habe ich einen Einfall. Ich täusche ein Husten vor. “Ich bin nur noch ein bisschen erkältet. Eigentlich wollte ich gerade hoch gehen und mich ausruhen. Hast du Draco gesehen? Ich wollte ihm Bescheid geben, kann ihn aber nicht finden.” Er überlegt kurz.
“Ja. 'abe isch. Er ist 'ermine 'inter'er gelaufen, als sie ziemlisch aufgebracht die 'alle verlassen 'atte.. vor..” Er überlegt erneut. “Etwa einer 'alben Stunde.”
“Danke.” Ich fiel ihm zu meiner eigenen Überraschung um den Hals. “Viel Spaß euch noch!”, sage ich und renne weiter.
“Gute Besserung!”, ruft er mir noch hinterher doch ich bin jetzt zu beschäftigt damit, Ron ausfindig zu machen. Zuerst haste ich zurück zur Treppe und lehne mich an eine Säule. Übelkeit und Schwindel kommt in mir auf. Mir geht es wirklich noch nicht so gut. Ich lege den Kopf in den Nacken und beiße die Zähne aufeinander.
Reiß dich zusammen, Bella.
Doch warum mache ich eigentlich so eine Hektik? Die beiden werden sich vielleicht kurz in die Haare gekriegt haben und jetzt wieder irgendwo im Schloss zusammen sitzen und einfach ineinander verliebt sein.
Und was wenn nicht?
Was, wenn ich mich irre und nicht alles so super ist.
Angst breitet sich in meinem ganzen Körper aus. Ich spüre, wie sich mein kleines Frühstück heute Morgen den Weg nach oben bahnen will. Ich schlucke und kralle mich an die steinerne Säule, die gerade mein einziger Halt ist.
Was ist, wenn sie in auf ihrem Bett sitzt und weint?
“REIß DICH ZUSAMMEN, BELLA”, schreie ich plötzlich und werde von fast allen Seiten angegafft. Ich drehe mich langsam. Mein Puls und Atem verdoppelt sich. Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn. Ich presse meinen Rücken an die kalte Wand und schließe meine Augen. Gehe alle Möglichkeiten in meinem Kopf durch. Keine macht wirklich Sinn.
Gerade öffne ich meine Augen, als auch schon Ron auf mich zugestürzt kommt. Ich lasse mich in seine Arme fallen. Er streicht mir behutsam über den Rücken. Meine Säule.
“Was ist los? Alles gut?”
“Nein. Wir müssen in den Gemeinschaftsraum. Schnell.” Ich will mich losreißen und weiter hasten, doch er hält mein Handgelenk.
“Warte, Bella. Sag mir, was los ist. Bitte.” Ich versuche mich beieinander zu halten und nicht wild auf ihn einzuschreien, da wir uns gerade erst wieder angenähert haben.
“Draußen habe ich glaube ich Draco gesehen, wie er geflogen ist. Ich weiß weder, ob er es wirklich war, noch, wo er hin wollte. Aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Maxim hat mir erzählt, dass Hermine rausgerannt sei und Draco ihr darauf hin gefolgt ist. Weiter weiß ich auch nichts.” Er schüttelt den Kopf. Öffnet den Mund, um etwas zu sagen. Schließt ihn wieder.
“Dann komm”, sagt er plötzlich und rennt mit mir die Stufen nach oben bis zum Gemeinschaftsraum.

“Hier sind sie auch nicht”, erkläre ich Ron, als ich die Stufen der Mädchenschlafsäle herunter komme.
“Vielleicht im Slytherin Gemeinschaftsraum?”
“Da kommen wir nicht rein. Keine Ahnung.” Ich lasse mich hoffnungslos auf Sofa plumpsen, als mir plötzlich ein Zettel auf dem Tisch auffällt. Ich strecke mich nach vorne und schnappe ihn mir.
“Ron..”, sage ich vorsichtig. Er sieht mich an und setzt sich neben mich. Auf dem Zettel steht mein Name.
“Das ist-” Ich weiß, was er sagen will.
“Hermines Handschrift, ich weiß.” Ich falte das Stück Pergament auf und lese. Ron schaut mir über die Schulter.
“Was sucht sie mit Draco bei euren Großeltern?”
“Sie haben einen schönen Garten.” Erleichtert lasse ich mich in die weichen Kissen fallen. Mein Puls und mein Atem sinken wieder auf das Normale. Er zieht die Augenbrauen zusammen und sieht mich verwirrt an. Ich stöhne und rolle mit den Augen.
“So etwas nennt sich Date, Ronald.”
“Ich weiß, was ein Date ist. Aber warum jetzt?”
“Mh. Ich hatte auch keinen Bock auf den Ball heute.” Eine andere Erklärung fällt mir nicht ein. Doch er gibt sich damit nicht zufrieden und schüttelt etwas vor sich hin murmelnd seinen Kopf.
“Weiß du was”, durchbreche ich die unerträgliche Stille. “Ich für meinen Teil, ziehe mir jetzt erstmal was Bequemeres an. Ich hasse Kleider.” Er nickt schnell und verschwindet auch schon in seinem Schlafsaal.
In meinem Koffer finde ich noch eine Jogginghose und einen einfachen Hoodie. Ich ziehe beides an und schlendere dann wieder nach unten. Ron trägt Ähnliches. Wir setzen uns wieder aufs Sofa und beobachten das Feuer im Kamin lodern. Mit einem Räuspern legt er einen Arm um mich und sofort fühle ich mich sicher.
Diese Sicherheit und Wärme hat mir in letzten Monat gefehlt.
Ich war kalt. Müde. Antriebslos.
Jetzt kann ich mir zwar noch keine Veränderung vorstellen. Kann mir kein Leben ohne diese ständigen Wolken im Kopf, im Herzen vorstellen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wieder vollständig glücklich zu sein.
Doch ich kann mir vorstellen, dass es besser wird. Um einiges.

Ein Jahr voller GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt