26.Kapitel

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Bella

“CAUSE YOU NEVER EVER EVER DID, BAAABYYY!”, schreie ich meine Haarbürste an, während ich haareschüttelnd und singend vorm Spiegel im Bad stehe. Als die letzten Takte des Bruno Mars Liedes ausklingen, fahre ich dann damit fort, oder besser gesagt: beginne ich erneut mein Haar zu kämmen. Hermine ist nach der letzten Stunde zu Draco gegangen und noch nicht zurück und als ich es dann nicht mehr ausgehalten habe, von Dean vollgetextet zu werden, bin ich einfach ins Bad geflüchtet. Eigentlich weiß ich gar nicht wirklich, warum Dean mit mir redet. Wir haben eine Tanzstunde mit einander verbracht und jetzt hängt er an mir wie das Stück Kaugummi in meinen Haaren, das mir Draco mal im Zoo an den Hinterkopf geworfen hatte, weil ich sein Eis versehentlich zum auf den Boden fallen gebracht hatte und meine Mutter dann den ganzen restlichen Tag damit verbracht hatte, es wieder heraus zu ziehen. Das ich mich strickt dagegen wehrte auch nur einen Zentimeter meines damals schon langen Haares fallen zu lassan erschwerte die Sache erheblich. Der Tag im Zoo war dann also gelaufen. Mh. Schon komisch. Nachdem sich unsere Eltern so stark gezofft hatten, dass wir nach Frankreich zogen, habe ich nichts mehr von Draco gehört. Wie lange war das her? Fünf, sechs Jahre? Auf jeden Fall war ich viel zu jung, um so eine Bezugsperson wie ihn zu verlieren und dies auch noch im Verdienst unserer Eltern. Den Grund des Streits durfte ich nie erfahren und weiß ihn bis heute immernoch nicht, warum auch immer. Jedenfalls brach für mich damals meine ganze kleine Prinzessinenwelt zusammen, als es hieß: “Wir müssen weg. Nach Frankreich.” Dafür, dass ich nie dahin wollte, lebte ich mich schnell ein. Vielleicht lag das auch daran, dass Maxims Familie, die seit meiner Geburt schon zu unseren Freunden zählten, mich mit offenen Armen begrüßten und leiteten, bis ich irgendwann einen eigenen Weg fand. Vor allem aber Maxim, weshalb er jetzt auch mein bester Freund ist. Er hat mir mit meinem Französisch geholfen, da das bisschen, was ich in der Schule gelernt hatte, nicht wirklich reichte. Wir machten uns auf Beauxbaton dieselben Freunde und Feinde. Wie zum Beispiel Fleur Delacour, die definitiv zu Letzteres gehört. Wir haben zusammen Sport getrieben, unsere Freizeit zusammen genossen, gelernt. Und für was ich ihm bis heute dankbar bin, ist, dass er mir damals die Sonne wiedergebracht hat, die bei Draco blieb, was tiefe Dunkelheit in meinem Inneren zur Folge hatte, als wir gingen. Mein gesamtes gerade fertig aufgebautes Leben zerfiel gleich wieder, als meine Eltern sich wieder mit denen Dracos vertrugen und wir nach England zurück kamen. Die ganze Fahrt lang schwieg ich. Erstens wollte ich nicht reden und zweitens hätte ich mich sonst an meinen Tränen verschluckt, die mir ununterbrochen über die Wangen liefen. Ich vermisste Maxim schon seit unserem Abschied, welcher sehr emotional war. Sogar er hatte geweint, obwohl er immer in allen erdenklichen Sachen, der war, der die Beherrschung nicht verlor, der, der bis zum Ende gekämpft hat, der, der mir überhaupt erst gezeigt hat, was Stärke und Zusammenhalt bedeutet. Und so etwas hat nicht einmal Draco geschafft.
Jetzt würde ich sicher über meinen eigenen Anblick lachen. Ein kleines dreizehnjähriges Mädchen auf der Rückbank und bockt, während sie “Nach Hause” fährt. Ein richtiges Zu Hause habe ich bei meinen Eltern nie gefunden. Etwas, das ich so nennen kann, habe ich hier gefunden. Nicht Hogwarts etwa, Nein. Hier ist zu viel Unterricht und kalte Füße, wegen der eiskalten Steinböden. Ein Zu Hause habe ich bei meinen Freunden gefunden. Hermine. Ron. Maxim, sowieso. Diese drei Personen sind die wichtigsten in meinem Leben. Ich weiß nicht, wie ich geworden wäre, wenn sie sich nicht in mein Abteil gesetzt hätten, Hermine und Ron. Wahrscheinlich wäre ich sogar nach Slytherin gekommen. Dann hätte ich möglicherweise den Draht zu Draco, den ich irgendwie verloren habe, wieder aufbauen können. Aber wer weiß, ob das geklappt hätte? Was, wenn wir uns, wie es so schön heißt ‘Auseinandergelebt haben’? Was, wenn wir nie wieder diese starke Bindung finden, die wir hatten, als wie Kinder waren? Wer weiß. Bis ich das herausfinde, habe ich die drei, denen ich mein Leben anvertrauen würde. Wahrscheinlich größtenteils, weil sie alles das haben, was Draco hatte, nur irgendwie.. Besser. Und Ron.. Tja, vielleicht war es ein Fehler, zu sagen, dass wir warten sollten. Vielleicht sollte ich nicht so verklemmt sein und neue Dinge “ausprobieren”. Vielleicht ist es das Richtige. Vielleicht ist er der Richtige. Vielleicht aber auch nicht. Allerdings kommt niemand mit “Vielleicht-Theorien” wirklich weit. Irgendwann muss man sich entscheiden. Und ich habe mich für das Falsche entschieden.
Als ich mich zwischen den ganzen Gedanken auf dem Fußboden des Schulklos wieder finde, bemerke ich, dass ich weine. Es sind nicht Tränen der Trauer, sondern ebenfalls aus Freude. Ich glaube, so ist das in meinem Alter, wenn man in die mystische Zeit der Pubertät kommt und die Hormone verrückt spielen. Aber es tut gut zu weinen. Es befreit, obwohl ich immernoch diese unerklärliche Enge in meiner Brust spüre. Vielleicht löst sie sich endlich, wenn ich mit Ron rede. Also raffe ich mich auf und blicke in den Spiegel. Okay, Planänderung. Ich rede so auf keinen Fall mit ihm. Meine Augen sind rot vom Weinen und mein stundenlanges Kämmen vorhin, hat nur dazu geführt, dass mein Haaransatz nun fettig ist. Am Besten, dusche ich einfach und tue es dann.

Einfach. Pff. Als ob es mit gewaschenen und geföhnten Haaren einfacher wäre. Ich stehe seit ungefähr zehn Minuten hinter einer Säule und beobachte Ron, wie er sich mit Harry am Springbrunnen unterhält. Ich spüre weder Füße noch irgendein anderes Körperteil. Alles ist eingefroren, doch nicht unbedingt nur wegen der Kälte. Ich zittere auch nicht nur deshalb so unglaublich stark, dass es sogar alles in mir drin durchschüttelt. Ich atme tief durch und wage einen Schritt hinter meiner Säule hervor. Ein Schritt zu viel, wie es sich wenige Augenblicke später heraus stellt. Ich rutsche auf dem Eis, das sich auf dem Boden gebildet hatte  und falle dann direkt auf mein Gesäß. Ich beiße die Zähne und meine Augen zusammen und hoffe, wenn ich niemanden sehen kann, kann auch niemand mich kleines Elend auf dem Po sitzend und frierend sehen. Doch, nein, natürlich bemerkt es die Person, von der ich am meisten das Gegenteil gehofft hatte. Warum bin ich Dummkopf eigentlich auch sitzen geblieben? Nachdem mir Ron lachend aufgeholfen hatte, schlage ich mir sofort gegen den Kopf. Toll, jetzt tut mein Kopf und mein Po weh.
“Alles gut?” Er lacht immernoch. Am liebsten würde ich ihn genau ins Gesicht boxen. Ich entscheide mich jedoch nur für den Oberarm.
“Hör auf zu lachen, Idiot.”
“Okay.” Er presst seine Lippen aufeinander.
“Hör auch auf, es zu unterdrücken.” Das Lachen platzt aus ihm heraus.
“Sorry.” Erst jetzt bemerke ich, dass er meine Unterarme nicht losgelassen hatte und sie immernoch mit seinen Händen umfasst. Anscheinend bemerkt er meinen Blick und lässt sofort von mir ab.
“Oh, tut mir leid.” Er kratzt sich verlegen am Hinterkopf und sieht nach unten.
“Ähm..” Plötzlich meldet sich meine innere kleine Stimme zu Wort: Bel-la, Bel-la! LOOOS! BELLAAAA!
“Ich.. Also..”
Sag es ihm, los! Mach schon! Wahrscheinlich sitzt dieses Ungeheuer in meinem Kopf auf einem Sofa und sieht meine Situation als Teeniefilm, während es Popcorn frisst oder gegen den Fernseher schmeißt, weil ich mich nicht traue, mit ihm zu reden.
“Weißt du, Ron, ich.. Nein.”
Was Nein!? Doch! DOCH!
“Hast du kurz Zeit zum Reden?”, sprudelt es auf einem Mal aus mir heraus und ich spüre kein aufgepoppten Mais mehr gegen mich fliegen.
“Klar.” Er lächelt. Das ist gut. Oder?
Natürlich ist das gut! Willst du, dass er dich wütend anschaut?
Nein, dass er ernst ist. Die Sache ist ernst.
Wenn er so schauen würde, würdest du nicht in hundert Jahren mit ihm dieses Gespräch führen!
Auch wieder wahr.
Stopp. Diskutiere ich da gerade mit mir selbst? Ich drehe langsam durch. Ich schüttel meinen Kopf und vertreibe die Stimme erfolgreich.
“Was doch nicht?”, lacht er.
“DOCH!”, schreie ich ihn an. Natürlich versehentlich. Shit. Ich bin ein Freak. Seine Augen werden groß und er hält seine Hände schützend vor sich.
“Okay okay.”
“Nein.. Sorry.”
“Alles gut. Schieß einfach los.” Bevor ich nicke, deute ich auf einen Platz, an dem uns Niemand hören kann. Er folgt mir. Ich lehne mich an die Schlosswand in der Hoffnung, nicht daran festzukleben.
“Okay, Ron. Also die Sache ist, die, dass ich ja der Meinung war, dass wir warten sollten, bevor wir irgendetwas überstürzen.” Bei dem Wort ‘war’, vernehme ich ein kurzes Leuchten in seinen Augen. “Und ich.. Habe nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass das völliger Schwachsinn ist, was ich da geredet habe.”
“Weißt du, Bella, ich habe mir deine Worte zu Herzen genommen und lange und ausgiebig darüber nachgedacht. Ich bin gleicher Meinung, wie du bist.. beziehungsweise warst.”
Entscheide dich doch mal, du Arsch!
Halt die Fresse, Stimme. Es ist meine Schuld.
“Oh, okay.”
“Bitte lass uns uns nicht aus dem Weg gehen, aber ich kann nicht mit dir zusammen sein. Noch nicht.” Ich nicke und blinzle, damit meine Tränen wieder dahin gehen, wo sie davor waren.
“Aber.. Ich.. Ich.. Ich kann nicht mit dir befreundet sein.” Ich erinnere mich nur noch an diese Worte. Vielleicht habe ich auch etwas Anderes gesagt. Keine Ahnung. Danach bin ich gerannt. Wohin weiß ich nicht mehr.
Jetzt liege ich in den Armen von Maxim, dessen sanfte Stimme mir einredet, dass alles gut werden würde. Sicher. Ich habe alles zerstört. Da kann nichts wieder gut werden.

Nächstes Kapitel kommt am 10.04.18

Ein Jahr voller GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt