Kapitel 3: Seit wann interessierst du dich denn für mich?

10.9K 671 62
                                    

Kapitel 3: Seit wann interessierst du dich denn für mich?

Ich blicke genervt zwischen Mom und Wesley hin und her. Sie reden schon seit gefühlten Stunden von früher und holen die Ereignisse nach, die Wesley in den drei Jahren verpasst hat.

Wieso ist Er überhaupt hier?

Und was hat er davon, wenn er Mom schmeichelt?

Glaubt er, er kann mich so besser foltern?

Neben mir mag er ja ein arroganter Idiot sein, aber neben älteren Leuten ist er ein charmanter, ausgesprochen netter Typ, der sofort alle Herzen für sich gewinnt. Somit verschafft er sich immer ein Vorteil bei den Erwachsenen.

Lucky Bastard.

Mom hat ihn schon immer gemocht, obwohl ich mich so oft bei ihr über ihn beschwert habe. Sie scheint gegen seine Missetaten imun zu sein. Außerdem träumen sie und Mrs. P. davon, dass Wesley und ich eines Tages ein Paar werden.

Davon können sie ja auch nur träumen!

In die Gespräche habe ich mich nicht wirklich beteiligt, denn ich wollte nicht, dass Mom sich von meiner schlechten Launen anstecken lässt. Außerdem war sie dabei, viele meiner peinlichen Momente auszuplaudern, also habe ich mich lieber zurückgehalten. Sie hat vieles erwähnt, wo ich mir gewünscht habe, dass ich tot umfalle. Die Tatsache, dass mir vor einem Jahr ein Backenzahn gezogen werden musste und ich ganze drei Tage lang mit geschwollen Wangen und Lippen kaum etwas gescheit essen konnte, hat Mom natürlich auch nicht ausgelassen.

Wesley, dieser Idiot, hat sich dabei natürlich richtig amüsiert. Nach jeder Geschichte hat er sich zu mir gedreht und mir förmlich ins Gesicht gelacht. (Er mag sich neben Mom zurückgehalten haben, aber ich weiß genau, dass er sich am liebsten totgelacht hätte.)

Das einzige, was mich davon abgehalten hat, ihm mit der Faust ins Gesicht zu schlagen, war die Tatsache, dass ich die Laune meiner Mom nicht verderben wollte.

Sie nach solanger Zeit wieder lachen zu hören, hat mich mehr erfreut, als alles andere seitdem Dad von uns gegangen ist. Mom hat sich in den letzten zwei Jahren verändert und sich auch mir gegenüber abgeschirmt. Ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern, als wir von Polizisten erfahren haben, dass Dad bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Während ich mir die Augen ausgeheult habe, hat sie keine einzige Träne vergossen! Sie war wie ein Roboter, hat sich noch am selben Tag um Dads Angelegenheiten gekümmert, wie sein Begräbnis und seine Arbeit, und hat kaum geschlafen.

Seit dem Tag habe ich mir versprochen, dass ich nicht mehr neben ihr weinen werde, weil ich genauso stark bleiben möchte, wie sie. Die Sache ist nur, ich bin es nicht. Ich bin schwach und auch zu schwach, um damit klarzukommen. Seit genau zwei Jahren heule ich mich fast jeden einzelnen Tag in den Schlaf. Es gibt auch Tage, wo ich einfach viel zu müde bin und gleich einschlafen kann, aber normalerweise spielt sich das so ab.

Erbärmlich...ich weiß.

Ich vermisse Dad so sehr und meine Mom, so wie sie vor dem Unfall war. Manchmal möchte ich nach dem Schlafen gehen nicht mehr wieder aufwachen.

Ich weiß, der Gedanke ist falsch, aber manchmal wird einfach alles zu viel.

Ok, ich glaube für den heutigen Tag haben wir jetzt genug von dem ganzen Gejammere.

Jedenfalls, steht Wesley nun neben mir und wir machen gemeinsam den Abwasch.

Wir sind beide still, aber ich habe schon seit einigen Minuten das Gefühl, dass er etwas sagen will.

"Wenn es nicht soetwas wie "Ich kenne nun all deine peinlichen Geheimnisse und werde mich jetzt Tage lang darüber lustig machen" ist, dann spuck es aus!", sage ich, während ich ihm den nächsten abgewaschenen Teller in die Hand drücke.

He's got the PowerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt