Kapitel 15: "Willst du wirklich die Wahrheit wissen?"

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Kapitel 15: "Willst du wirklich die Wahrheit wissen?"

Manchmal wünsche ich mir, dass mich irgendwer zuerst auf einen Moment vorbereitet, bevor ich ihn erlebe, damit ich genau weiß was auf mich zukommt und vorallem nicht die Dinge tue, die ich später bereuen werde.

Zum Beispiel hätte ich Wesley nie sagen dürfen, dass ich ihn nicht hasse.

Gut, es mag ja stimmen, dass ich für ihn tatsächlich keinen Hass empfinde, aber das musste er ja nicht wissen. Denn nun glaubt er tatsächlich, dass ich ihn mag.

Lieber würde ich in meinem eigenen Urin ertrinken.

Jedenfalls war das einer der schlimmsten Entscheidungen, die ich treffen musste. Wäre da nur nicht die verdammte Nervösität oder was auch immer es war, das meine Redekünste zunichte gemacht hat und mich stattdessen wie eine dumme Kröte quaken ließ, als Wesley mir diese Frage gestellt hat, würde ich jetzt in meinem Bett liegen, meinen Plüschkoala umarmen und dabei in einen süßen Schlaf fallen.

Stattdessen sitze ich hier am Klo und ärgere mich darüber, dass Wesley, dieser Orang Utan, stattdessen in meinem Bett liegt und sich mit höchster Wahrscheinlichkeit an meinen Plüschkoala heranmacht.

Nachdem er bis spät in den Abend geblieben war, meinte meine überraschend gastfreundliche Mom plötzlich, er solle doch hier übernachten und ausgerechnet in meinem Bett schlafen.

In MEINEM.

Nicht dass ich für ein paar Tage oder so weg wäre wo sie sich das erlauben könnte jemandem mein Bett zu Verfügung zu stellen. Nein, ich stand direkt neben ihr!

Wäre da nicht die Tatsache, dass Mom seit Dad nicht mehr am Leben ist, nicht in ihrem Schlafzimmer schläft, hätte ich natürlich gleich protestiert und würde meinen, er solle doch im Gästezimmer schlafen oder sich gleich verpissen. Doch seit genau zwei Jahren ist das Gästezimmer eigentlich Moms Zimmer.

Ich bin mir recht sicher, dass Mom glaubt, mir wäre das nicht aufgefallen.

Manchmal habe ich echt das Gefühl, dass sie denkt, ich wäre ein Vollidiot...

Natürlich habe ich das bemerkt und auch, dass sie extra versucht keine Spuren zu hinterlassen, falls ich mal ins Gästezimmer gehen sollte! Und wenn sie zu müde ist um mir irgendetwas vorzuspielen, übernachtet sie sogar in ihrem Arbeitszimmer.

In der Grundschule haben mich viele Dora, the Explorer genannt...

Jedenfalls hat sie seit genau zwei Jahren kein einziges Mal in ihrem eigenen Bett geschlafen. Aus diesem Grund kann ich es leider nicht verhindern, dass Wesleys blöder Hintern in meinem Bett liegt. Und das Ganze wiederum nur, weil ich meine blöde Klappe aufgerissen habe und unbedingt sagen musste, dass ich ihn nicht mehr hasse, anders ich es ihm angeblich vor 3 Jahren mitgeteilt habe soll.

Ich weiß nicht was schlimmer ist, dass ich nicht den Mut hatte, Wesleys Gefühle - nehmen wir mal an, dass er welche hat- zu verletzen und zu sagen, dass ich ihn immernoch hasse, oder, die Tatsache, dass ich mich nicht mehr daran erinnere, das eigentlich schon mal gemacht zu haben.

Genervt betrachte ich mein bittertes Spiegelbild und lasse mir dabei Bilder durch den Kopf gehen, wie ich ihn aus meinem Zimmer verjagen könnte.
So bösartig wie er damals die ganzen Frösche auf mich gehetzt hat, könnte es niemals werden, das bin ich mir bewusst. Aber irgendetwas muss mir doch einfallen...

"Lollipop, geht's dir gut? Oder soll ich mir Sorgen machen, dass du ins Klo gefallen bist?"

Ich könnte ihn zu meinen Schrank locken, ihn reinstoßen und anschließend die Türen fest zuschließen. Danach kann ich behaupten, dass ich das gar nicht gewesen bin oder, dass es gar nicht absicht war.

He's got the PowerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt