Leere

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JJ legte die blonde Fee sanft in sein Bett. Lilia Baranovskaya hatte ihn hereingelassen, als sie den bewusstlosen Yuri in seinen Armen gesehen hatte. JJ hatte sie beruhigt und ihr nur erklärt, dass er sich überanstrengt hätte. Yuri bekam davon kaum etwas mit. Er war zwischendurch zwar wach geworden, blieb jedoch stumm und tat so, als würde er weiterhin schlafen. Lilia und JJ sprachen über ihn und Lilia rief Victor und Jakow an. Yuri seufzte nur, als er sich in seinem Bett herumdrehte und die Wand anstarrte. Warum tat es nur so weh verlassen zu werden? Es hatte geendet bevor es überhaupt begonnen hatte.


※ ※ ※


Einige Tage verstrichen und Yuri versuchte ein weiteres Mal zur Schule zu gehen Was er jedoch dort erfuhr, brachte die kleine Wildkatze um den Verstand. Otabek hatte die Schule verlassen und keinen Ort genannt, wo er hin war. Yuri brülle die Klasse zusammen, griff den Lehrer an, als dieser versuchte ihn zu beruhigen und schmiss seine Krücken durch die Gegend. Schließlich wussten sich die Lehrkräfte nicht anders zu helfen, als Victor und Yuuri anzurufen, die Yuri schließlich mitnahmen. Yuri wurde für zwei Wochen von der Schule suspendiert, doch das störte die Fee nicht. Er war wütend. Wütend und verletzt. Zu Hause schrie und wütetete die Katze weiter. Selbst Portya hielt sich von ihm fern. Schließlich schrie er nur noch. Schrie und schrie und schrie, bis sein Hals vor Schmerzen staub war, dann weinte er, bis die Tränen versieht waren und dann war da .. nichts. Leere. Leere und dumpfer schmerz, der niemals versiegt..


※ ※ ※



Fast einen Monat später saß Yuuri an seinem Bett und stricht sanft durch die langen, blonden und verfilzten Haare des 16-jährigen. "Yurio, willst du nicht langsam mal aufstehen? Wann hast du zuletzt was gegessen? Du siehst schlimm aus." Yuri rührte sich nicht und sah mit leeren Augen weiter die Wand vor ihm an. Viele hatten versucht den 16-jährigen aus dem Bett zu ziehen, doch dieser war wie eine Puppe und reagierte auf nichts. Nachts stand er ab und an auf und holte sich eine Kleinigkeit zu essen, die er kurze Zeit später wieder erbrach.


Es ging soweit, dass man ihm eine Infusion legen musste. Allerdings dauerte es nicht lange und der Blonde riss sie sich mit Gewalt aus dem Arm, sodass eine kleine Wunde entstannt. Schließlich hielten sie ihn mit fünf Mann fest, bis er am Tag zumindest zwei Infusionen intus hatte. Die kleine Katze schrie dabei und wehrte sich mit allen Mitteln, schon die einzige Gefühlsregung, wozu er imstande war. Sonst war da nur diese Leere. Lilia betrachte ihren Schützling jeden Tag und vergoss stumme Tränen. Nachts saß sie oft bei ihm. Selbst sein Opa konnte ihn nicht aus dem Bett holen. Das Herz der kleinen Fee war gebrochen, seine Seele und sein Körper zerschmettert und es gab kein Ventil, kein Halt in der Abwärtsspirale. Victor hatte versucht ihn mit Gewalt aus dem Bett zu holen, aber ohne Erfolg.



In der Eishalle herrschte Lustlosigkeit. Niemand hatte ohne das Kätzchen Lust sich wirklich anzustrengen. Yuri hatte Leben und Heiterkeit in die Halle gebracht.
Schließlich verabschiedete Yuuri sich von der kleinen Fee, die nicht antwortete und schüttelte nur betrübt den Kopf in Lilias Richtung.

Sanft stellte sie sich in die Tür und beobachtete das dürre Bünden, welches sich schließlich zusammenrollte. Lilia trat leise auf ihn zu und nahm Yuuris Platz ein, aber anstatt ihm nur durch die Haare zu streichen, hob die seinen Oberkörper an und drückte ihn an ihr Brust.


"Ich weiß wie du dich fühlst mein Schatz," sagte sie leise. "Liebe tut weh und besonders, wenn man sie gerade erst gefunden und dann wieder verloren hat." Yuri erwiederte nichts und lehnte nur leicht an der älteren Frau, die ihm fast wie eine Mutter geworden war. "Mein Junge, du hast mir deine Seele verkauft, damit ich dir Eiskunstlaufen beibringe. Wo ist er? Wo ist der junge Mann, der kämpft um etwas zu erreichen? Der niemals aufgibt? Wo ist die russische Fee, die alle verzaubert?" Schließlich sah Yuri sie an, seine Augen so leer, zeigten eine leichte Gefühlsregung des Wiedererkennens, bevor sie verschwand. "Tot.." hauchte er. Lilia schüttelte ihn sanft, bevor sie ihn wieder an sich zog. "Nein, er ist nicht tot. Er hat Kummer, aber langsam muss er wieder auf die Beine kommen. Soll Otabek etwa einen krüppeligen kleinen jungen vorfinden, wenn er dich wiedersieht?" - "Otabek kommt nicht zurück.."


Yuris Stimme war schwach, gebrochen, aber es waren die ersten Worte seit Wochen und Lilia freute sich riesig, dass er überhaupt sprach. "Selbst wenn, meine kleine Fee," Lilia hielt ich eine Armlänge auf Abstand und strich ihm seinen stränigen Haare auf dem Gesicht. Yuri schaute sie müde an. "Er wird dich sehen. Er kann dich nicht übersehen, wenn du auf dem Eis läufst. Du bist der beste Eiskunstläufer in ganz Russland. Zeig Otabek was ihm entgeht! Zeig ihm, dass du kämpfst und dich nichts erschüttert, auch kein Liebeskummer!" - "O..Otabek zeigen.. Was ihm entgeht?" - "Ja! Er wird sich wünschen, er hätte dich nicht alleine gelassen! Er wird sich wünschen, eine russische Fee nicht gehen gelassen zu haben! Zeig es ihm meine Diva! Zeig ihm, wie du dich zurück aufs Eis schwingst und die Welt verzauberst!"


"A..aber.. Mein Knöchel?" - "Du wirst Krankengymnastik machen, du wirst lernen müssen, neu zu laufen! Aber du wirst es schaffen! Du bist ein Kämpfer Yuri und du wirst das schaffen!" Yuri nickte leicht und langsam konnte Lilia wieder Leben in diesen grünen Seelenspiegeln entdecken, welches wuchs und wuchs. Von Leere zu Trauer, von Trauer zu Wut, von Wut zu Entschlossenheit! "Ja, genau das will ich bei dir sehen! Zeig es der Welt!" Lilia stand auf und hielt ihrem blonden, kleinen Schützling die Hand hin. Nach kurzem Zögern ergriff er diese und Lilia half ihm, sich aus dem Bett zu schwingen. Noch etwas wackelig stand er auf seinem schmerzenden Fuß, doch schließlich fand er den Halt und richtete sich auf. "Ich werde es ihm und der Welt zeigen! Niemand stößt mich vom Thron!" Lilia lächelte unter Tränen, bevor die schließlich die Nase rümpfte. "Als erstes musst du in die Dusche und wir schneiden dir deine Haare, dann musst du essen und wir kümmern uns um deinen Fuß. Du wirst sehen. Du wirst der Beste werden." Yuri nickte schlossen und folgte Lilia ins Badezimmer.

Liebe braucht ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt