Training

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Yuri wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete angestrengt. Sein Fuß pochte, doch er biss die Zähne zusammen und machte brav weiter seine Übungen. Zwei Monate. Verdammte zwei Monate machte er nun schon Krankengymnastik und er machte Fortschritte. Er konnte schon wieder ohne Krücken laufen, doch die Schmerzen waren noch lange nicht weg. Nachdem er einen Monat nur im Bett gelegen hatte, mussten sie ihn erneut brechen, um ihn richtig zu schienen. Er hatte davon nicht viel mitbekommen, lag aber dafür weitere zwei Wochen im Krankenhaus. Es war die Hölle gewesen.


Victor, Yuuri und JJ waren ihn oft besuchen gekommen.. Genau genommen jeden Tag. Bei Victor und dem Schweinchen wunderte es ihn nicht, aber JJ war auffallend freundlich und hilfsbereit. Yuri mochte ihn nicht, musste aber zugeben, dass JJ ihn bei allem unterstütze. Manchmal übertrieb es der 19-jährige und sie zickten sich wie gewöhnlich an. Als er endlich entlassen wurde, kämpfte er sich durch seine Übungen. Wenn er nicht gerade seinen Fuß trainierte, lernte der sonst so faule Junge für die Schule oder schaute sich Victors Videos an, wie er trainierte. Yurio wollte alles lernen, er würde alles lernen! Nur wenn er alleine war, überkam ihm die Trauer. Abends saß er oft auf seinem Bett und schaute in den wolkenklaren Himmel. Ob Otabek wohl an ihn dachte? Weiß er überhaupt noch, wer Yurio war? Oder hatte ihn der schwarzhaarige nur benutzt? Yuri seufzte und kuschelte sich neben seine Katze.


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Weitere drei Monate vergingen und Yuri schrie seinen Frust raus. Er stand in der Eishalle, an der Bande und schaute den anderen zu, wie sie übers Eis flogen. Er durfte weiterhin nicht aufs Eis, weil sein Fuß noch nicht stark genug war. Aber nicht mehr lange.. Nicht mehr lange und er würde wieder übers Eis laufen. Sein Herz schlug vor Aufregung direkt zwei Takte schneller. Die Versuchung war groß, doch er wollte es nicht riskieren, seine Karriere zu zerstören. Die Ärzte sagten ihm, er könnte nicht mehr Eiskunstlaufen, doch Yuri hatte es ihnen bewiesen! Jeden Tag hatte er seinen Fuß gebadet, ihn eingecremt, ihn geschont, nach seinen Übungen. Er hatte seinen Körper neu wahrgenommen. Victor und Yuuri sahen den blonden, jungen Mann jedes Mal liebevoll an, was dieser jedoch nicht bemerkte. Lilia und Jakow verwöhnten ihn und trieben ihn gleichzeitig an. Er bekam nur das beste Essen, blieb abends nicht zu lange wach und vermied alles, was seinem Körper schaden könnte. Es hatte lange gedauert, bis Yuri wieder normal Essen konnte. Zu Anfang war ihm immer noch übel geworden und nicht immer hatte er sein Essen behalten können, jedoch wurde es mit der Zeit besser. Er lernte mit dem ständigen Schmerz zu leben und konzentrierte sich nur noch darauf stärker zu werden. Als er seine erste richtige Mahlzeit eingenommen hatte und sogar drin behielt, hatte Lilia fast geweint, was ihn dermaßen verwirrt hatte, dass er sich schmollend von ihr abgewandt hatte.


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Drei weitere Wochen vergingen, bevor ihm die Ärzte schließlich das "Okay" gaben. Yuri schrie brüllte seinen Sieg hinaus und tänzelte aus dem Krankenhaus. Er konnte seinen Fuß wieder richtig belasten! Ab und an empfand er einen leichten Phantomschmerz, aber der war laut Ärzte normal und würde eventuell niemals vergehen. Wenn es das einzige war, was er an bei diesem schrecklichen Erlebnis behielt, war es ihm recht. Er konnte wieder Eislaufen! Yuri freute sich riesig und Lilia brachte ihn sofort in die Eishalle. Die anderen warteten schon und drückten ihm seine Skates in die Hand. In Windeseile waren sie angezogen, doch Yuri hielt in der Bande inne und betrachtete das glatte Eis. Ein mulmiges Gefühl überkam ihn und er sah auf. Die Eishalle erschien ihm auf einmal riesen groß. Sein Herz zersprang fast vor Aufregung. Schließlich setzte er einen Fuß aufs Eis, dann den nächsten. Es dauerte einige Zeit, bevor er die Bande losließ. Langsam glitt er in die Mitte der Eishalle. Noch einmal schaute er auf seine Füße, bevor er die Augen schloss und tief durchatmete


"Was macht er da?" JJ beugte sich zu Victor, der jedoch nur Augen für den blonden Engel hatte. "Er konzentriert sich, meine Diva," antwortete Lilia ihm schließlich. Alle sahen ihn an und warteten. Warteten darauf, dass dieser Engel loslegen würde. Sie erwarteten nicht zu viel nach der langen Pause und trotzdem konnten sie ihre Aufregung nicht unterdrücken. Yurios lange Haare hatten weichen müssen und um schmiegten seinen schmalen Hals. Sie verbagen seine grünen Seelenspiegel, bis er sie schließlich nach hinten warf und seine Arme und die Luft streckte. Dann glitt ein Engel übers Eis. Lilia sah ihm zu und lächelte unter Tränen. Die Pause hatte ihm anscheinend sogar gut getan. Er hatte viel gelernt und wandte dies auch sofort an. Victor, Jakow und Yuuri waren hin und weg. JJ starrte die russische Fee nur mit offenem Mund an. Yurio bekam davon gar nichts mehr mit. Sein Fuß schmerzte leicht, doch er genoss das Gefühl des Eises unter sich. Der kühle Wind umspielte sein Gesicht und er fühlte sich so leicht, wie schon lange nicht mehr. Das hatte er vermisst. Eislaufen war immer noch das Beste, was ihm passieren. Schließlich wagte er einen Sprung, doch der Schmerz war zu groß und er brach mit einem zischen zusammen. "Yurio!" - "Kätzchen"


Sofort waren alle bei ihm und JJ half ihm auf. Einen Arm legte er um die Hüfte des Blonden und Yuri stützte sich auf ihn. "Mir geht's gut, ich habe mich nur verschätzt. Muss wohl wieder reinkommen." Victor und Yuuri sahen die beiden sprachlos an, bevor Yurio sie giftig anschaute. "Was glotzt ihr so?!" Schließlich wurde er sich JJ's Nähe bewusst und machte sich von ihm los. Leise brummte r vor sich hin, bevor er weitervorsichtig seine Runden fuhr. Die anderen taten es ihm gleich und die vier trainierten zusammen. Das Schweinchen und Victor waren nach kurzer Zeit in ihrer eigenen Welt. Sie übten paarlaufen miteinander und trainierten zusätzlich jeder noch ihre eigene Kür. JJ blieb in Yurios Nähe und rückte ihm immer wieder auf die Pelle. Irgendwann blieb der Blonde stehen und fauchte ihn an. "Was willst du?! Kannst du nicht alleine trainieren? Ich mache kein Paarlauf." - "Das ist aber schade, wir würden so gut zusammenpassen, findest du nicht auch?"


JJ zog den Blonden an sich ran und drückte ihn mit einer Hand im Rücken gegen seinen Körper. Grinsend schaute er hinab in grüne Seelenspiegel, die ihn erst verwirrt und dann wütend entgegenschauten. "Lass mich los du perverser!" - "Vor einiger Zeit hat es dir noch gefallen, wenn ich dich herumgetragen hatte und jetzt stößt du mich fort?" JJ beugte sich vor und vergrub seine Nase in den Haaren des Blonden. Dieser riss sich fauchend los. Sein Herz raste. Was sollte der Unsinn?! Sofort waren Victor und das Schweinchen an seiner Seite und schauten den 19-kährigen musternd an. "Ich glaube kaum, dass Yurio das zur Zeit gebrauchen kann JJ. Vielleicht solltest du langsam mal wieder nach Hause." Victors Stimme war kalt, doch er legte besitzergreifend die Hände auf Yurios Schultern. Yuuris Blick war nicht anders. Wenn er schon so schaute, bekam JJ sofort Gänsehaut und erhob lächelnd die Hände. "Keine Sorge, es war nur Spaß, ich tue der kleinen Fee nichts. Ich muss morgen so oder so wieder abreisen. Langsam glitt er zu der Fee, nahm noch ein letztes Mal seine Hand und küsste diese. "Wir werden uns hoffentlich wiedersehen und dann stoße ich dich und Victor vom Thron." Lächelnd verließ JJ das Eis und schließlich die Halle. Victor und Yuuri atmeten erleichtert auf, doch Yurios Herz hämmerte gegen seine Brust. Er musste vorhin sofort an Tequila denken.


Die Gedanken an ihn und seine Gruppe hatte er weggeschlossen gehabt, doch dank JJ waren sie wieder an die Oberfläche geraten. "Yurio alles in Ordnung?" Das Schweinchen sah ihn besorgt an, doch Yurio nickte nur leicht, machte sich von Victor los und verließ das Eis. "Ich bin müde, können wir nach Hause?" Lilia nickte bedrückt, verabschiedete sich von den anderen und führte ihren Schützling aus der Halle. Zu Hause ging die kleine Katze sofort duschen und fiel K.O. ins Bett. Der Tag hatte in geschlaucht, Gedanken an schlimme Tage noch mehr und er wollte nur in das Reich des Vergessens eintauchen...

Liebe braucht ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt