25 (Luna)

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"Sie werden dir nichts tun.", hat er gesagt. Und ich glaube ihm.

Aber dennoch sind sie da, obwohl sie nicht hierher gehören.

Erst gestern hat er mich allein auf der Wiese zurückgelassen. Erst gestern habe ich von den Seelen erfahren.

Wenige Augenblicke nachdem er gegangen ist, bin auch ich zurück gekehrt.

Zuhause habe ich dann angefangen zu überlegen, was ich tun soll.

Ich habe keine Angst mehr vor den Seelen. Und ich weiß, dass sie echt sind, dass sie nicht nur eingebildet sind. Aber ich muss etwas tun, ihnen helfen. Sie kommen von einem fremden Ort und gehören nicht in diese Welt. Es muss einen Weg geben, sie zurückzubringen.

Immer mehr von ihnen strömen zu mir und versammeln sich um mich. Noch immer halten sie Abstand zu mir, als würden sie darauf warten, dass ich den ersten Schritt mache. Aber wie soll ich das tun?

Und schließlich stelle ich mich einfach hin und strecke meine rechte Hand mit der Handfläche nach oben aus. "Komm.", sage ich wahllos zu einer Seele die vor mir schwebt. Und genau das tut sie. Langsam, zögerlich kommt sie auf mich zu und setzt sich auf meiner Hand ab.

Für einen Moment passiert nichts. Lediglich meine Haut beginnt ein wenig zu prickeln. Aber dann kommt alles auf einmal. Ihr Leben strömt an mir vorbei. Viel zu schnell, als dass ich es wirklich erfassen könnte. Als es vorbei ist, erhebt sie sich wieder und erst durch die Erleichterung des scharfen Schmerzes, fällt mir auf, wie qualvoll es war, ihre Erinnerungen zu sehen. Sie hat mir von ihrem Leben erzählt. Von schönen Momenten und traurigen. Und obwohl ich keine Einzelheiten verstanden habe, habe ich dennoch einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie es dort war, wie es sich angefühlt hat dort zu leben. Sie war ... glücklich.

"Ich werde dich nach hause bringen.", flüstere ich ihr zu, bevor ich mich der übrigen Masse an Seelen zuwende. Innerlich wappne ich mich gegen den Schmerz, den ich in Kauf nehmen muss. Dann bitte ich sie alle: "Kommt." Und sie alle gehorchen.

Gefühlte Unendlichkeiten später liege ich auf dem Boden und versuche, meine Gedanken zu ordnen. Die Schmerzen haben mich in die Knie gezwungen. Ich dachte, ich würde innerlich verbrennen. Müde versuche ich aufzustehen, komme jedoch nicht weit, da meine Beine mich nicht tragen wollen. Also falle ich zurück.

Was ich erfahren habe war zu viel, um es in einfache Worte zu fassen. Sie haben mir alle von ihrer Welt und ihrem Leben erzählt, ohne Worte zu benutzen. Stattdessen haben sie es mich einfach erleben lassen und ihre inneren Gefühle gezeigt. Und gleichzeitig konnte ich spüren, wie Leid es ihnen tut, mir Schmerzen zuzufügen.

Während ich atemlos auf dem Boden liege und versuche meinen verkrampften Körper zu richten, kommt mir die Erkenntnis was ich tun kann, tun muss. Ich weiß nur nich nicht wie.

Schließlich schaffe ich es doch, mich aufzuraffen, schlurfe ins Badezimmer und spritze mir etwas kühles Wasser ins Gesicht. Als ich schließlich in den Spiegel sehe, stutze ich zunächst. Blinzelnd versuche ich dann das Bild, welches ich sehe zu verändern. Denn das Gesicht im Spiegel gehört nicht mir.

Trotzdem kommt mir das Gesicht bekannt vor. Ich kenne es! Und dann fällt mir der Name ein. "Lavandula.", sage ich einen Namen, den ich niemals gehört habe und der mir dennoch so bekannt vorkommt, als wäre es meiner. Bei diesem Gedanken stockt mir der Atem.

Denn es ist meiner. Ich bin Lava!

Eine Lawine an Gedanken und Erinnerungen überrolt mich. Diesmal sehe ich sie. Ich erinnere mich daran, wie ich zurückgezogen aufgewachsen bin, um schließlich zu regieren. Ich erinnere mich an meine Eltern und wie sehr ich sie geliebt habe, immernoch liebe. Ich erinnere mich an Dahlia und Ivy, die mir treu zur Seite standen. Und dann kommt der Schmerz, als würde mir ein Messer ins Herz gerammt. Ich sehe das Blut und den Tod. Wimmernd sinke ich zu Boden, lehne mit dem Rücken an der kalten, gefließten Wand, als ich die ganzen schrecklichen Momente noch einmal durchlebe.

Seelenfeuer #leuchtkugelaward18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt