Hinter Gregor dem Kriecher

271 20 0
                                    

Die Zeit verging rasend schnell. Es war bereits Halloween und Joslyn hatte sich gut in Hogwarts eingelebt. Madam Pince und sie kamen ganz gut zurecht. Erst vor einer Woche hatten sie über neue Zauber nachgedacht, mit denen sie verhindern konnten, dass die Bücher der Bibliothek geklaut oder beschädigt wurden. Die beiden hatten gleichermaßen fiese und grausame Ideen, um die Sicherheit ihrer Bücher zu gewährleisten. 
Nachdenklich und den Arm voller Bücher, schlenderte Joslyn durch die Flure ihres neuen Zuhauses. Das Schloss war riesig und voller Geheimnisse. Da kam das kleine Mädchen wieder in ihr hoch, das es geliebt hatte, Dinge zu entdecken. Sieben Geheimgänge waren ihr bereits untergekommen. Der Geheimgang hinter einem Wandspiegel im fünften Stock war leider nicht mehr benutzbar. Er war eingestürzt. Die Tür zur Küche, und ein Raum, der einem jeden Wunsch erfüllte, hatte sie auch schon entdeckt. 
Es war bald Zeit für das Festessen und Joslyn begegnete einigen Schülern. Einige begrüßten sie freudig, besonders die Gryffindor und Ravenclaw.
Die Ravenclaw vergötterten die neue Bibliothekarin geradezu. Joslyn konnte ihnen innerhalb weniger Minuten alle Bücher beschaffen, nach denen es sie verlangte und sie unterhielten sich gerne mit ihr, da Joslyn so gut wie jedes Buch in der Bibliothek auch gelesen hatte. 
Die Gryffindor liebten sie, weil sie die Weasley-Zwillinge des öfteren aus einer brenzlichen heraus geholt hatte. Sie konnte den Hausmeister Filch genauso wenig leiden, wie die Schüler. Da half sie den Problememachern gerne aus der Patsche.       
Vor dem Büro von Professor McGonagall blieb Joslyn stehen und klopfte. Ohne auf eine Antwort zu warten, streckte sie den Kopf ins Büro und war sofort dem scharfen Blick der Professorin ausgeliefert. Doch dieser Blick traf sie seit fast zwei Monaten ununterbrochen. Auch wenn sie beiden Frauen ziemlich guten Freundinnen geworden waren. Sie gaben ein recht seltsames Gespann ab. Joslyn Watson auf der einen Seite, die es eindeutig liebte die Regeln zu umgehen und obwohl sie nie selber die Missetaten beging, war sie immer Mitläufer, doch man konnte ihr nie irgendetwas nach weisen. Und dann auf der anderen Seite die ernste, vorbildhafte Minerva McGonagall. Gerecht und fair, jedoch ihrer Freundin immer mit Logik aus der Patsche holte, da es als Beweis für Joslyns Vergehen immer nur das Bauchgefühl des Hausmeisters gab. 
"Joslyn, was kann ich für Sie tun?"   
"Das Festessen für Halloween beginnt bald." 
Die Professorin kniff leicht die Augen zusammen und durchbohrte die Bibliothekarin, die sie unschuldig anblinzelte, mit ihren klugen Augen.
"Und?" 
"Kommen Sie, Minerva. Ich war vorhin in der Küche spicken. Die Hauselfen haben sich selbst übertroffen."
Die scharfen Augen hinter den quadratischen Brillengläsern verengen sich noch weiter. 
"Ich habe noch Hausaufgaben zu kontrollieren und das Fest beginnt erst in einer halben Stunde." 
"Jetzt kommen Sie schon, Minerva. Es ist Halloween. Zeit für eine kleine Pause." Joslyn nahm der Professorin die Feder weg und legte sie auf den Schreibtisch. Mit einem Seufzer ließ McGonagall sich auf die Beine ziehen und kam hinter dem Tisch hervor. 
"Na los..."
Beide Frauen blieben stehen und starrten blinzelnd auf die Schreibtischplatte. 
"Was zum..." 
Die Feder, die Joslyn McGonagall weggenommen hatte, tanzte über das Holz. Weitere Federn gesellten sich zu ihr und gemeinsam flogen die Federn über den Tisch, der zu ihrem Ballsaal geworden war. 
"Hör auf damit!" Joslyn sah McGonagall mir gerunzelter Stirn an. Die hob ihren Zauberstab und deutete auf die Federn. Nichts passierte, die Federn tanzten einfach weiter. Blinzelnd betrachtete die Lehrerin ihren Zauberstab und dann die Schreibfedern. 
"Ich mach überhaupt nichts." 
"Und warum...", Joslyn deutete auf die Federn und augenblicklich erstarrten sie und fielen um, wieder nur leblose Objekte. Beide Frauen sahen auf Joslyns Hand hinab, dann einander. Vorsichtig hob Joslyn zwei Finger, als würde sie die Federn zum Aufstehen auffordern. Sofort erhoben sie sich und schwebten wenige Zentimeter über der Tischplatte in der Luft. Joslyn beschrieb einen Kreis mit den Fingern und sie drehten sich. 
"Sollte ich so etwas eigentlich nicht können? Ich besitze doch keine Zauberkräfte." 
Verwirrt sahen Joslyn und McGonagall einander an.
"Offensichtlich doch. Machen Sie das noch einmal!" 
Diesmal erhoben die Federn sich weiter in die Luft und drehten sich wild umeinander. Wie mehrere kleine Tanzpärchen auf einem Ball. 
"Sie benötigen keinen Zauberstab dafür?" 
"Ich besitze gar keinen." 
"Mit anderen Worten, Sie sind in der Lage Magie wirken zu lassen und offensichtlich auch zu kontrollieren ohne magische Hilfmittel anwenden zu müssen?" 
"Ganz offensichtlich."
Die Freundinnen sahen sich an.
"Fragen wir Professor Dumbledore?" 
"Fragen wir Professor Dumbledore!" Professor McGonagall rückt ihre Brille zurück und gemeinsam rauschten sie aus dem Büro.
"Können Sie vielleicht noch andere Dinge bewerkstelligen?" 
"Ehrlich gesagt, traue ich mich noch nicht, das auszutesten. Ich hab Sorge irgendwas in die Luft zu jagen." 
Fasziniert sahen beide Frauen dabei zu, wie die Federn ihnen aus dem Büro folgten und begannen um sie herum zu tanzen. Da fiel der Blick der Lehrerin auf den Stapel Bücher in Joslyns Armen.
"Was wollen Sie mit den Büchern über die alten und reinblütigen Zaubererfamilien, Joslyn?"  
Joslyn blinzelte unschuldig. McGonagall kiff leicht die Augen zusammen. 
"Was hecken Sie aus?" 
"Im Moment noch gar nichts, ich treffe nur Vorkehrungen." 
"Und wofür?" Das Misstrauen in McGonagalls Stimme wuchs. 
"Ich bin einmal unvorbereitet in einen Kampf gezogen und habe verloren. Das wird mir nicht noch einmal passieren." 
"Sie reden von dem Prozess. Von Mr Malfoy." 
Joslyn verzog leicht das Gesicht und grummelte nur. Selbst die sich hebende Augenbraue der Professorin konnte nichts an ihrem Schweigen ändern. Professor McGonagall seufzte. Auf halbem Weg durch den Flur stolperte Joslyn über den zu langen Saum des geliehen Umhangs der Professorin vor ihr. Fluchend kämpft sie um ihr Gleichgewicht. 
"Ich muss mir dringend eigene Kleidung besorgen. Ihre Umhänge sind zu groß, die von allen anderen sind entweder zu klein oder zu weit, zu kurz oder ich ertrinke regelrecht darin. Das wird langsam albern. Von den Schuhen will ich gar nicht anfangen." Sie neigte sich näher zu der Professorin hin, die sie mit gewölbten Augenbrauen betrachtete. "Ich trage seit Tagen keine Unterwäsche."
Die Professorin blieb stehen. 
"Joslyn..." 
"Das war ein Witz." Mit einem hämischen Blick schlenderte Joslyn an ihr vorbei und Professor McGonagall verdrehte mit einem Seufzer die Augen, bevor sie ihr folgte. Doch die beiden Frauen kamen gar nicht bis zum Büro des Schulleiters. Percy Weasley kam auf sie zu gerannt.
"Professor McGonagall, Madam Watson! Schnell, die fette Dame... Sie ist weg und ihr Portrait wurde zerstört." 
McGonagall und Joslyn sahen einander an und stürmten gleichzeitig los. Als sie das Geschehen erreichten, wichen die Schüler augenblicklich zurück, um sie durchzulassen. Joslyn runzelte beim Anblick des zerstörten Bildes der fetten Dame die Stirn. Langsam hob sie einen der Leinenfetzen, die auf dem Boden herum lagen, auf und ließ ihn sich durch die Finger gleiten. 
"Professor McGonagall, bitte gehen Sie sofort zu Mr Filch und sagen ihm, er soll jedes Gemälde im Schloss nach der fetten Dame absuchen. Madam Joslyn, bitten Sie die Geister um Hilfe." ertönte Dumbledores Stimme. Der Schulleiter hatte den Ort des Geschehens betreten.
"Dabei werdet ihr kein Glück haben." krähte Peeves der Poltergeist über ihnen und Joslyn sah ihn mit gehobenen Augenbrauen an. Sofort verstummte Peeves und versuchte einen schmeichelnden Tonfall zu treffen. Er hatte einen unheimlichen Respekt vor Joslyn, seit sie ihn einmal mit einem Föhn in einen Schrank gepustet hat und es schaffte ihn dort für zwei Tage einzusperren, bevor Filch ihn aus Versehen freigelassen hat, weil er sie einmal zu oft genervt hatte. Seitdem traute der Poltergeist sich nicht mehr an Joslyn heran. 
"Nun ja, sie will nicht gesehen werden. Sieht fürchterlich aus. Sie versteckt sich im Landschaftsgemälde oben im vierten Stock hinter den Bäumen. Hat fürchterliche Sachen gerufen. Armes Ding!" 
"Und wer war das?" Joslyn deutete mit dem Daumen über die Schulter zu dem zerstörten Gemälde und nagelte Peeves weiterhin mit Blicken fest.     
"Oh ja, er war sehr wütend, als sie ihn nicht hereinlassen wollte. Ganz übles Temperament, dieser Sirius Black." 
Joslyn drehte sich zu Dumbledore um, die Unterlippe fast schon schuldbewusst zwischen den Zähnen, dann hob sie hilflos die Hände und zuckte mit den Schultern. 
"Naja, aber er war nicht im Turm." 
Chaos brach aus.

Joslyn hob den Saum des Umhangs, den sie trug ein Stück an, um nicht darüber zu stolpern und verschwand in dem Geheimgang hinter der Statue von Gregor dem Kriecher. Das war einer der wenigen Geheimgänge, die auch wirklich aus Hogwarts heraus führten. Nach den ersten paar Schritten in den Gang wurde es jedoch zu dunkel. Joslyn fluchte missmutig und versucht ihre Hand im Dunklen zu erkennen. 
"So wird das nich..." Ihre Hand ging in blauweißen Flammen auf. Joslyn blinzelte einige Mal. 
"Wow, meine Hand brennt!" Blinzelnd schüttelte sie den Kopf, streckte ihre brennende Hand weit von sich, um so viel wie möglich zu erkennen und ging weiter. Nach knapp 10 Minuten blieb sie schließlich stehen und stemmte mit einem Seufzer die nicht brennende Hand in die Hüfte. 
"Das ist wohl auch ein Reinfall." Seufzend wendete sie sich wieder zum Umkehren. Hinter ihr raschelte es. Sie verharrte. Langsam drehte Joslyn sich um und kniff die Augen zusammen. Ein schwarzer Schatten huschte an der Wand entlang, allerdings zu klein für einen Menschen und weitaus länger. Eher wie ein Hund. Ein ziemlich... großer Hund! 
Joslyn ging leicht in die Knie und streckte die flammenlose Hand aus. 
"Hey, Großer!" lockte sie mit ruhiger Stimme. Eine schwarze, lange Schnauze schob sich aus der Dunkelheit ins Licht ihrer Hand. Schwarze Augen starrten sie mit einer Intelligenz an, die bei Tieren eher selten war. Zotteliges Fell bedeckte den abgemagerten Körper des Hundes. 
"Wie zur Hölle kommst du denn hier rein?" Vorsichtig kraulte sie den riesigen Hund hinter den Ohren. Mit einem schweren Seufzer stemmte sie sich hoch, eine Hand auf dem Kopf des Hundes. 
"Na komm, du Streuner!" Sie ging einige Schritte zurück Richtung Hogwarts, bevor sie sich zu dem Hund umdrehte. Er zögerte. 
"Na gut, dann bleib eben hier!" Schulterzuckend schlenderte sie weiter. Nach einigen Sekunden hörte sie das Tapsen der Tatzen hinter sich, als er ihr folgte. Vorsichtig streckte sie den Kopf aus dem Geheimgang und sah sich um. Dann winkte sie den Hund heraus. 
"Komm schon, Padfoot!" 
Der Hund bewegte sich nicht.    
"Hey, du kannst nicht hier bleiben. Filch muss wahrscheinlich die Geheimgänge zugipsen, dass Sirius Black nicht durch sie herein kann. Also mach schon." 
Diesmal folgte er ihr. Während Joslyn die anderen Geheimgänge, von denen sie wusste, dass sie aus dem Schloss hinaus führten, kontrollierte, blieb Padfoot dicht bei ihr und drängte sich an ihre Beine. Doch die anderen Geheimgänge waren leer. 
"Joslyn!" McGonagall kam den Flur entlang auf sie zugeeilt. "Waren Sie fündig?" 
"Nein, die Geheimgänge sind leer. Entweder ist er bereits weg oder noch im Schloss." 
"Die anderen haben auch nichts gefunden. Er ist uns entkommen." Die scharfen Augen weiten sich ein Stück, als McGonagall den Hund hinter ihr entdeckte.
"Wo kommt der Hund denn her?" 
Joslyn sah auf das Tier hinab, das sich hinter ihr versteckt. 
"Ich hab ihn vorhin gefunden. Wahrscheinlich sollte er Teil eines neuen Streichs der Zwillinge werden."  
McGonagall starrte den Hund nicht sonderlich begeistert an, was vielleicht an ihrem Animagus-Tier lag. Katz und Hund kamen wirklich nicht sonderlich gut miteinander aus. 
"Geben Sie ihm etwas zu Essen. Er ist ja bis auf die Knochen abgemagert." 
Joslyn nickte, während sie den Hund sanft hinter den Ohren kraulte.
"Sobald ich ihn in die Küche gebracht habe, werde ich den Vertrauensschülern am Eingang der großen Halle helfen. Wir reden nach wegen den...", sie wackelte mit den Fingern. "Federn und so." 
"Gehen Sie schon!" Die Lehrerin scheuchte sie davon und Joslyn schnaubte leise, bevor sie los flitzte, den schwarzen Hund, Padfoot, dicht auf den Fersen.     

Times Die Macht der MagieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt