Weggabelung

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Irgendwie kam Joslyn die Situation bekannt vor. McGonagall stürmte voran durch die Gänge des Schlosses auf den Krankenflügel zu, während sie hinterher schoss und ihre Absätze laut kickten. Diesmal waren ihre Pumps überraschend gewöhnlich. Bleistiftdünne Absätze und eine leicht abgerundete Spitze, die bei einem Tritt höllisch weh tun konnte. Der blaue Samt war sorgfältig in eine Richtung gebürstet und harmonierte mit ihrer hellen Haut.
"Was hab ich diesmal verpasst?" seufzte Joslyn und schloss endlich zu ihrer Freundin auf.
"Die letzte Aufgabe des Turniers, Potter hat gewonnen, ist schwer verwundet, behauptet, der Dunkle Lord sei wieder auferstanden und Cedric Diggory ist tot. Hinzu kommt, dass Aloster Moody gar nicht der echte Moody war und sich stattdessen ein Todesser mit dem Namen Barty Crouch jr. hier einquartiert hat." fasste die Lehrerin wieder zusammen. Joslyn zog ein sehr verärgertes Gesicht.
"Ist das der Grund, warum ich hier einen Dementor spüre?" knurrte sie schließlich. McGonagall warf ihr einen raschen Seitenblick zu.
"Das kann man so sagen. Der Minister hat sich bedroht genug gefühlt um einen Dementor mitzubringen. Die Kreatur hat dem armen Mann die Seele aus dem Leib gesaugt."
Das erklärte den aufgebrachten Gemütszustand der Professorin. Sie war geradezu fuchsteufelswild und es hatten sich rote Flecken auf ihrem strengen Gesicht gebildet. Joslyn stampfte eindeutig gereizt mir dem Fuß auf.
"Immer das beste!" zischte sie frustriert.
"Ein Junge ist tot!" gab McGonagall mit schneidender Stimme zu bedenken. Doch sie erwartete keine vernünftige Reaktion, dafür kannte sie ihre Freundin viel zu gut.
"Ein berechtigter Einwand." lenkte Joslyn ein und die beiden Frauen verfielen in Schweigen. Die Tür zum Krankenflügel stand offen und McGonagall platzte hinein.
"Professor Dumbledore!" Mit energischen Schritten stürmte sie auf den Schulleiter zu, der zusammen mit den Weasleys und Sirius um eines der Betten herumstand, in dem Harry sich gerade aufsetzte.
"Professor, Barty Crouch jr kann nicht mehr zur Zeugenaussage genutzt werden."
Joslyn ließ sich schwungvoll auf das Fußende von Harrys Bett fallen.
"Er hat keine Seele mehr." schob sie noch hinterher und überschlug die Beine, wobei ihr schwarzer, knöchellanger Rock ein Stück hoch rutschte.
"Was meinst du damit, Joslyn?" Molly Weasley runzelte leicht die Stirn. Sirius zog an ihren Haare, die ihr in einem losen Zopf über den Rücken fielen. Letzten Sommer waren Sirius und Joslyn gemeinsam mit Harry bei den Weasleys zu Besuch. Die Jungs waren dann mit der Familie beim Quidditchspiel, während Joslyn den Spuren ihrer Familie nachgejagt hatte. Es bestand natürlich immer die Möglichkeit, Gellert Grindelwald, ihren Großvater, selbst zu fragen, doch wenn sie nur ein Fünkchen von ihm hatte, würde er ihr niemals einfach so alles erzählen.
Sie musste selber darauf kommen!
Außerdem machte es so viel mehr Spaß. Als sie das Sirius gesagt hatte, hatte er sie angesehen, als ob sie verrückt wäre und sie hatte nur gelacht.
"Minister Fudge fühlte sich nicht sicher genug, um alleine zu kommen. Also hat er einen Dementor mitgebracht. Kaum betraten sie das Büro, in dem ich Crouch bewachte, stürzte sich der Dementor auf ihn und saugte ihm die Seele aus." erklärte McGonagall aufgebracht und ging vor dem Bett auf uns ab.
"Ich kann über die Sicherheit des Ministers immer noch selbst entscheiden." ertönte Fudges Stimme von der Tür aus und dann betrat er das Krankenzimmer. Joslyn zog leicht die Augenbrauen hoch und lehnte sich ein Stück zurück, sodass sie sich an Sirius anlehnen konnte.
"Ich mag ihn nicht!" murmelte sie gerade laut genug, dass Sirius und Harry es hören können.
"Wir könnten ihn in einen Hutständer verwandeln."
"Ich bin für eine Klobürste."
"Wenn er dir je in die Quere kommt, tut er mir jetzt schon leid."
Während die beiden Freunde sich flüsternd unterhielten, diskutierten Dumbledore und Fudge über die Rückkehr Voldemorts und, dass Dumbledore viele Dinge vor dem Ministerium geheim hielt.
"Erst einen Werwolf als Lehrer, Geheimnisse über Potter, die seine Glaubwürdigkeit in Frage stellen, ein Halbriese und eine seltsame Bibliothekarin, die nie da zu sein scheint."
Bei ihrer Erwähnung hob Joslyn den Kopf und blinzelte zu dem Minister hoch. Er erwiderte ihren Blick ziemlich nervös. Dann lächelte Joslyn breit und neigte leicht den Kopf.
"Als letzte Erbin der Familie Grindelwald habe ich auch noch andere Pflichten." lächelte sie gelassen. Fudge riss die Augen auf und auch die anderen Anwesenden wirbelten zu ihr herum. Bisher wussten nur Sirius und sie davon. Selbst Dumbledore war nicht eingeweiht.
"Grindelwald?" stotterte Fudge mit zitternder Unterlippe. Joslyn lachte auf und erhob sich in einer eleganten Bewegung vom Bett.
"Mein Name ist Joslyn Alba Watson Grindelwald." Lächelnd blieb sie vor dem Minister stehen und beugte sich leicht vor, bis sie in seine Komfortzone eindrang und er unbehaglich vor ihr zurückzuckte, nicht mehr in der Lage ihr in die Augen zu sehen. Einige Minuten lang bedrängte sie ihn, die Arme hinterm Rücken verschränkt und mit einem hyänegleichen Lächeln auf den Lippen.
"Wenn Sie den Kopf in den Arsch stecken wollen, Minister, dann werden wir Sie nicht daran hindern. Aber wenn wir uns darauf vorbereiten, einen Krieg gegen Lord Voldemort zu gewinnen, sollten Sie uns nicht in die Quere kommen." Ihre Stimme ist rasiermesserscharf, trotz des falschen Lächelns auf ihren Lippen.
"Drohen Sie mir etwa?" brachte Fudge mit zitternder Stimme hervor und Joslyn richtete sich kichernd wieder auf.
"Wenn ich Ihnen drohen würde, Herr Minister, dann würden Sie nicht fragen müssen."
"Hey, hey Joslyn. Er macht sich gleich ins Hemd." grinste Sirius hämisch vom Bett aus und Joslyn drehte sich auf den Absätzen zu ihm um, begleitet von einem unschuldigen Schulterzucken.
"Entschuldige, hab ganz vergessen, dass er gegen mich keine Dementoren zu seinem Schutz benutzen kann." Gelassen schob sie die Hände in die Taschen ihres Mantels, den sie über dem schwarzen Rock und der weißen Bluse trug, und schlenderte zurück zum Bett. Dumbledore fokussierte sich auf Fudge.
"Es ist genau wie Joslyn gesagt hat, Cornelius. Voldemort ist wieder da und wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um einem Kampf gegen ihn stand zu halten. Wenn du nicht bereit bist, uns zu helfen, trennen sich hier unsere Wege."
Fudge richtete sich zu seiner vollen Größe auf, doch im Vergleich zu Dumbledore wirkte er wie ein mickriger Wurm.
"Ich werde mich jetzt um den Rest des Chaos' beim Labyrinth kümmern und kehre dann zurück. Wir werden uns dringend um Ihre Art diese Schule zu leiten, unterhalten müssen. Ich werde Ihnen gleich morgen eine Eule schicken." Mit dieser Ankündigung rauschte er aus dem Krankenflügel und Joslyn ließ die Türen hinter ihm mit einer Handbewegung zuknallen.
"Das wird eine giftige Beziehung werden, Professor." meinte sie, das Lächeln war aus ihrem Gesicht verschwunden. Als sie zu ihm sah, stellte sie fest, dass der Schulleiter sie mit scharfen Augen durch seine Halbmondbrille musterte.
"Du bist mit Gellert verwandt?" fragte er langsam und Joslyn konnte die Überraschung und Verwirrung aus seinen Worten heraushören. Sie lächelte schief und tippte mit einer Schuhspitze auf den Marmorboden.
"Er ist mein Großvater."
"Aber... wie ist das möglich?"
Es war das erste Mal, dass Dumbledore eine Frage stellte, auf die er die Antwort ernsthaft nicht wusste, obwohl er sie eindeutig wissen wollte.
"Das versuche ich seit den letzten Monaten herauszufinden."
"Du warst in Paris, um etwas über deine Familienbande herauszufinden?"
"Oui!" Joslyn spielte mit dem Band zum Zuknoten. "Aber ich fürchte für die Prophezeiung muss ich jetzt in das Londoner-Ministerium einbrechen. Ich bezweifle, dass Fatzke mich mit offenen Armen empfangen wird. Ich glaube, ich mach ihm Angst!"
"Er heißt Fudge. Cornelius Fudge." berichtigte Sirius sie, doch Joslyn sah ihn nur mit gehobener Augenbraue an und Sirius nickte kapitulierend.
"Okay, Fatzke! Cornelius Fatzke."
Dumbledore seufzte tief.
"Wir müssen sofort in Aktion treten. Uns bleibt nicht viel Zeit. Molly, könnten Sie Arthur benachrichten? Und ich muss Hagrid und Madam Maxime sprechen..." Dumbledore erteilte Befehle und plante voraus. Mit eiligen Schritten, McGonagall dicht auf den Fersen verließ er den Krankenflügel. Draußen im Flur kam Severus Snape ihm entgegen und zu dritt stürmten sie davon. Sirius drehte sich zu Joslyn um.
"Es wird bald Krieg herrschen. Du wirst ebenfalls eine Rolle übernehmen müssen."
Joslyn sah auf. Sie hatte sich Harrys Brille vom Nachtisch geschnappt und balancierte sie nun auf ihrer hübschen Nase.
"Mal sehen, was Dumbledore mit mir vor hat. Immerhin bin ich ein mächtiges, lebendes Obscurial." Ihr Grinsen endete in einer herausgestreckten Zunge. Molly sah zwischen ihr und Sirius hin und her.
"Ein Obscurial? Gibt es sonst noch irgendwelche Überraschungen, von denen wir erfahren sollten?" Aufgebracht drückte sie Harry zurück in die Kissen und stopfte die Decke um ihn herum fest.
"Abgesehen von meinem ausgezeichneten Modegeschmack?" trällerte Joslyn und nahm Harrys Brille wieder ab. Sie grinste Molly an, doch aus ihren Augen verschwand der Schalk.
"Ich fürchte, ich kann nicht, Molly. Sonst würdest du mit großer Wahrscheinlichkeit sterben." Joslyn zwinkerte angesichts Mollys erschrockener Miene. Sirius schmunzelte leicht. Sie warf einen kurzen Blick zu Harry, der alles mit aufmerksamer Miene verfolgte.
"Schlaf eine Runde, du Unruhestifter!" Sie stupste ihn gegen die Stirn. "Und lass dich nicht von Albträumen jagen. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern, egal was passiert ist. Aber die Zukunft ist noch ungewiss. Jedenfalls für Normalsterbliche wie uns. Dumbledore zählt nicht."
Harry schnaubte leicht und Sirius schüttelte grinsend den Kopf. Da hob Harry plötzlich den Kopf, als wäre ihm etwas eingefallen.
"Voldemort sah gar nicht so aus, wie ich dachte."
Alle erstarrten, nur Joslyn hob lässig eine Augenbraue.
"Nicht?"
Langsam schüttelte Harry den Kopf, dabei entgingen ihm nicht die erschrockenen Mienen der Weasleys, nur Joslyn wirkte aufrichtig interessiert und amüsiert. Sirius kniff leicht die Augen zusammen und schien sich noch nicht wirklich für eine Emotion entschieden zu haben.
"Es wirkte wie Mitte bis Ende zwanzig, mit schulterlangen, schwarzen Haaren. Eigentlich ist er nur ein gut aussehender Mann." Kurz schwieg Harry. "Mit roten Augen!" fügte er dann noch im Flüsterton hinzu.
"Wirkte er gewöhnlich?" Joslyn setzte sich wieder auf sein Bett und zappelte ein wenig mit den Beinen, spielte mit ihren Schuhe.
Harry schüttelte den Kopf.
"Er wirkte wie... ein gefallener Engel!"
Joslyns Augenbrauen schossen hoch und sie riss die Augen auf.
"Wie ein gefallener Engel?" wiederholte sie langsam. "Wow, jetzt will ich ihm das Gesicht zerfetzen."
Harry lächelte sie schwach an, doch in Joslyns Augen glomm etwas anderes. Kein Lächeln, wie auf ihren Lippen, sondern eine Dunkelheit, die er noch nie darin gesehen hatte.
"Woran denkst du?" Zum ersten Mal hatte Harry fast schon Angst vor Joslyn und ihm wurde bewusst, dass er kaum etwas über sie wusste. Natürlich wusste er jetzt, dass sie zum Stammbaum der Grindelwalds gehörte und offenbar ein Obscurial war, obwohl ihm noch keine Möglichkeit einfiel, wie das sein konnte, da Obscuriale im jungen Alter starben. Aber etwas, dass Joslyn wirklich ausmachte...
Wie die Dunkelheit in ihren Augen oder das Licht in ihrem Lächeln oder ihre Liebe zur Mode und Büchern.
"An einen Mann, ebenfalls mit schwarzem Haar." Ihr Blick kehrte aus der Vergangenheit zurück und richtete sich auf Harry. "Einen Mann, den ich noch töten muss!"

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