Der erste Atemzug

174 13 0
                                    

Nachdenklich tippte Joslyn sich mit den Fingern an die Lippen. Sie hatte die Hände gefaltet und nur die Zeigefinger ausgestreckt. Es war nicht leicht gewesen, Harry und seine zwei Freunde aufzuspüren. Doch auf den Sog war verlass. Egal, wie gut sie sich versteckt hatten, Joslyn konnte sie finden. Und das hatte sie. Jetzt saß sie auf einem Hocker mitten im Raum der Wünsche, in dem sich die aufsässigen Schüler Hogwarts versteckten und wartete darauf, dass die drei sie bemerkten. Gleichzeitig dachte sie darüber nach, wieso Voldemort einen Teil seiner Seele in einen kleinen Jungen pflanzen sollte. Denn jetzt konnte sie es spüren. Der Splitter, der in ihm ruhte.
Der Raum war ein gutes Versteck. Direkt unter der Nase der anderen und doch unerreichbar. Doch so, wie der Krieg verlief, mussten sie sich bald nicht mehr verstecken. Dann konnten sie zurückkehren. Joslyn jedoch konnte das nicht. Sie würde nicht wieder zurück können, zwischen die dicken Bücher und alten Regale. Die Luft voller Staub und dem Geruch nach altem Pergament. Ihre momentane Anwesenheit zählte nicht als Rückkehr.
"Harry!" machte sie schließlich auf sich aufmerksam. Die drei Zauberer wirbelten kampfbereit herum, von dem Ruf aufgeschreckt. Vier Zauber prallten an dem hochgezogenen Schutzschild ab, das Joslyn um sich gewickelt hatte. Heute trug sie hohe Sandalen, deren Bänder bist zu ihren Oberschenkeln reichten und einen violetten Kaftan, passend zu den Strähnen in ihrem Haar. Trotz des kalten Wetters war ihr nicht kalt. Die Blase um sie herum, hielt alles draußen. Sie schloss sich selbst darin ein, weil eine unerträgliche Angst von ihr Besitz ergriffen hatte. Sie hatte Angst, einfach zu verschwinden. Zum Himmel aufzusteigen und wieder ein Stern zu werden.
Diese Angst zeigte sich nicht, auch nicht durch ihre Kleidung.
"Bei Gott, Madam Watson!" keuchte Hermione und drückte eine Hand auf ihr Herz. "Wie haben Sie uns gefunden?"
Langsam schürzte Joslyn die Lippen und betrachtete die drei.
"Ihr könnt einander bedingungslos vertrauen?" fragte sie bedächtig und senkte die Hände. Als sie aufstand und auf sie zu ging, schienen ihre Füße kaum den Boden zu berühren. Kein Geräusch war zu hören.
"Ohne Fragen zu stellen." nickte Harry und betrachtete die ehemalige Bibliothekarin nachdenklich. Auf Joslyns Lippen formte sich ein winziges Lächeln. Er konnte es ebenfalls spüren.
"Mh!" machte Joslyn und nickte. "Dann kann ich ja frei sprechen!" Sie blieb direkt vor dem Auserwählten stehen, dessen Schicksal sie genauso verändert hatte, wie das von Voldemort. Er war kein Auserwählter mehr, der einer Übermacht gegenüber stand. Jetzt war er nur noch ein Junge mit einer ungesunden Mischung aus Glück und Pech.
"In dir ist ein Teil von Voldemorts Seele."
Harry wurde kreidebleich und Hermione und Ron tauschten einen entsetzten Blick.
"Aber das weist du sicher schon." Joslyn neigte leicht den Kopf zur Seite. "Denn du kannst es spüren. Du kannst ihn in dir und in mir spüren." Sie öffnete beide Hände und da erschienen sie einfach. Der Kelch, das Diadem und die Kette, der Gaunt-Ring steckte immer noch unverändert an ihrem Finger. Alles nur noch hübsche Objekte und magische Gegenstände.
"Das sind die Horcruxe." Hermione trat vor und nahm das Medaillon in die Hand. Erschrocken runzelte sie die Stirn und besah sich das Schmuckstück näher.
"Das ist kein Horcrux mehr!" Sie reichte ihn Ron und Harry nahm den Kelch.
"Was ist mit ihnen passiert?" flüsterte Harry.
"Die Seelensplitter sind nun in mir. Seine Seele ist unweigerlich mit meiner verschmolzen. Stirbt er, sterbe ich. Sterbe ich, stirbt er. Ich werde den Teil von Voldemorts Seele, der sich in dir befindet, in mich aufnehmen und mit dem anderen Teilen wieder verschmelzen."
"Wie ist das möglich?" Ron gab ihr die Kette zurück. Das Schmuckstück verschwand wieder, als es ihre Haut berührte.
"Oh, wenn man ich ist, ist alles möglich." Das Grinsen auf ihren Lippen war verwegen, doch der kurze Blick gegen Himmel war voller Angst.
"Was passiert mit mir, wenn Sie den Seelensplitter aus mir herausholen?"
"Ich schätze, dass die Eigenschaften, die du durch seinen Teil bekommen hast, verschwinden. Wie deine Fähigkeit mit Schlangen zu sprechen."
"Kein großer Verlust, vielleicht gehen dann auch die Albträume endlich weg!" Ron stieß seinen besten Freund mit dem Ellenbogen an. Zweifelnd sah dieser zu Joslyn.
"Na dann, was..."
Joslyn drückte ihm ihre blassen Fingerspitzen an die Stirn und Harry verdrehte fast augenblicklich die Augen.
"Wow!" Ron konnte ihn gerade noch rechtzeitig auffangen, während Joslyn leicht die Augen schloss, um zu verstecken, dass sie wieder einen Schuss ihrer Droge bekommen hatte. Eine Ladung Voldemort. Zischend zog sie die Luft in die Lungen und wandte den Kopf wieder ab. Ihr Mund war wieder mit seinem Geschmack gefüllt und Wärme verließ ihre Seele und wurde durch seine Winterkälte ersetzt.
"Madam Watson!"
Joslyn zuckte zusammen, als Hermione sie am Arm berührte. Rasch versteckte sie ihre zitternden Finger in den weiten Ärmeln ihres Kaftans.
"Geht es Ihnen gut?" In der Frage lag echte Sorge. Mit einem sanften Lächeln legte Joslyn ihr eine Hand auf die Schulter und drückte leicht zu.
"Nicht mehr lange. Haltet noch ein bisschen länger durch, dann könnt ihr wieder zurück kommen. Ich muss nur noch den letzten Horcrux finden, dann hat dieser alberne Krieg endlich ein Ende." Mit einem letzten Lächeln drehte sie sich auf dem Absatz um und verschwand zwischen den Hängematten, die im ganzen Raum gespannt waren.
"Sie wird diesen Krieg nicht überleben." murmelte Hermione bekümmert und zerrte Harry die Turnschuhe von den Füßen, nachdem Ron ihn hingelegt hatte.
"Ich muss dir widersprechen, Hermione. Ich glaube, dass nichts unsere Bibliothekarin umbringen kann."
"Das hoffe ich doch!" stöhnte Harry und seine Freunde lachten auf.

Times Die Macht der MagieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt